Ein Förderverein setzt sich für die Umgestaltung der Brenzkirche ein. Foto: Funke

77 Jahre nach Kriegsende erwägt man, das architektonisch von den Nazis verschandelte Gotteshaus in seinen ursprünglichen Zustand zu versetzen – und dabei neue, eigene Ideen einbringen. Ein Ideenwettbewerb soll kommen.

Bei den Überlegungen zur Brenzkirche hat es einen Rucker getan: Die evangelische Gesamtkirchengemeinde Stuttgart, in deren Besitz die Kirche am Kochenhof in Stuttgart-Nord ist, hat sich entschlossen, einen Ideenwettbewerb für deren Umbau auszuschreiben. Das teilte Andreas Keller vom Förderverein Brenzkirche dem Bezirksbeirat Nord auf dessen letzter Sitzung vor der Sommerpause mit.

Umgestaltung wird seit Jahren diskutiert

Anläufe zur Umgestaltung der Kirche gab es bereits um 2010. Die verliefen im Sande. Schwung kam in die Diskussion über die Brenzkirche, seit klar ist, dass Stuttgart die Internationale Bauausstellung (IBA) 2027 ausrichtet. Die Idee des Fördervereins: Das Gebäude soll Bestandteil der IBA werden, und die Bausünde – der durch die Nazis veranlassten Umbau des Gotteshauses – soll rückgängig gemacht werden.

Ursprünglich war die 1933 erbaute Kirche an der Neuen Sachlichkeit der Bauhausarchitektur in der Weißenhofsiedlung orientiert – eine Architektur, die bei den Nationalsozialisten verpönt war. „Wir wollen aber keinen Rückbau der Kirche nach dem ursprünglichen Entwurf des Architekten Alfred Daiber, sondern neue Ideen verwirklichen“, stellt Keller fest. Den rund 200 Mitgliedern des 2019 gegründeten Fördervereins geht es dabei um die Fragen: Wie sieht Kirche im 21. Jahrhundert aus? Wie kann sie sich stärker für die Menschen öffnen? Und wie kann den Kirchenaustritten entgegengewirkt werden? Wird das ursprüngliche Flachdach wieder hergestellt, sei auf dem Dach Urban Gardening, ein Café Welcome für Flüchtlinge und die Installation von Solarzellen denkbar. Keller: „Die Brenzkirche ist das Scharnier zwischen dem künftigen Wohngebiet Rote Wand, dem Augustinum, Kochenhof und der Killesberghöhe.“ Da es in Stuttgart-Nord keinen Bürgersaal gibt, halten Keller und seine Mitstreiter auch einen Bürgertreff in der Kirche für denkbar.

Die Brenzkirche soll die Wohngebiete verbinden

Podiumsdiskussion im Anschluss an Ideenwettbewerb geplant

Das alles ist jedoch noch Zukunftsmusik. Im Anschluss an den Ideenwettbewerb soll es im kommenden Frühjahr eine Podiumsdiskussion über die Zukunft der Brenzkirche geben. Und auch dann erst sollen Gespräche mit der oberen und unteren Denkmalschutzbehörde folgen. Denn das Dilemma: Die im Zweiten Weltkrieg zerstörte und im Sinne des Nationalsozialismus wieder aufgebaute Kirche steht nun unter Denkmalschutz: als Beispiel dafür, wie das NS-Regime in den Bau eingegriffen hat. Doch Keller ist zuversichtlich, dass der Förderverein durch Gespräche und gute Argumente zum Ziel kommt. Immerhin habe der Denkmalschutz auch der gewagten Renovierung von Stifts- und Hospitalkirche seinen Segen erteilt.