Daimler-Chef Ola Källenius präsentiert auf der IAA in München stolz die vollelektrische E-Klasse. Foto: dpa/Sven Hoppe

Fünf Monate nach der elektrischen S-Klasse präsentiert Ola Källenius auf der IAA die batteriegetriebene E-Klasse. Daimler will damit Tesla den Rang ablaufen.

München - Das Auto ist eine Kampfansage. Als Daimler-Chef Ola Källenius auf der IAA in München den EQE, die vollelektrische E-Klasse, erstmals der Weltöffentlichkeit präsentiert, nimmt er den Namen seines schärfsten Konkurrenten im Bereich der E-Mobilität nicht in den Mund. Doch klar ist, wen er meint, wenn er über die Reichweite von 660 Kilometern spricht, die der EQE mit einer Akkuladung fährt, und die „Benchmark“ erwähnt, an der sich „die wichtigsten Wettbewerber“ messen lassen müssen. Mit dem EQE ist die Autowelt aus Sicht der Stuttgarter wieder in Ordnung. Tesla soll sich künftig nach der Marke mit dem Stern orientieren – nicht mehr umgekehrt.

Erstmals gezeigt wurde am Sonntagabend zudem das erste batterieelektrische Serienmodell der Tuningtochter AMG, das auf der Basis eines EQS auf den Markt kommt, sowie vollelektrische Studien für einen Maybach und eine G-Klasse.

„Der jüngere Bruder des EQS“

Der EQE ist ein Auto ohne Ecken und Kanten, dafür mit einem ausdrucksstarken Gesicht. Die vollelektrische E-Klasse soll von Mitte 2022 an in den Werken Bremen und Peking vom Band laufen. Optisch ist ihm die Verwandtschaft mit der elektrischen S-Klasse deutlich anzusehen. „Er ist der jüngere Bruder des EQS“, sagt Källenius. „Und Sie wissen ja: Als Zweitgeborener genießt man einige Vorteile.“ Der EQE ist fast genauso windschnittig wie der Luxus-Daimler, der vor fünf Monaten präsentiert wurde und mit einem cw-Wert von 0,20 Weltmeister ist. Beide Modelle werden auf der neuen Architektur für Oberklassen-E-Autos hergestellt.

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Der EQE hat einen knapp zehn Zentimeter kürzeren Radstand. Im Innenraum ist aber üppig Platz für die Passagiere, mehr als in der alten E-Klasse. Sie sitzen höher, haben mehr Luft an den Schultern, der gesamte Innenraum ist größer. Am auffälligsten von außen ist das Heck mit einer scharfen Kante, fester Heckscheibe und richtiger Kofferraumklappe.

Äußerlich am auffälligsten ist das Heck

Als Extras sind automatische Türen vorn zu haben, die sich wie von Geisterhand öffnen, wenn sich der Fahrer nähert, und schließen, sobald das Bremspedal bedient wird. Auf Wunsch kann der Käufer eine selbstlenkende Hinterachse haben, was den Wendekreis von 12,5 auf 10,7 Meter reduziert. Dann lässt sich das Businessauto wie ein Kleinwagen manövrieren.

Einmal Stuttgart–Berlin mit einer Akkuladung

660 Kilometer mit einer Ladung Strom – das wäre die Strecke Stuttgart–Berlin. Bei einem Ladestopp von 15 Minuten sollen noch einmal 250 Kilometer drin sein. Damit würde auch noch knapp die Strecke bis nach Hamburg zu bewältigen sein.

Mit dem EQE stellt Daimler bereits das vierte vollelektrische neue Auto in diesem Jahr vor. Källenius unterstrich, dass die radikale E-Autostrategie alternativlos ist: „Wir glauben, dass dieser fundamentale Wandel zur Elektromobilität der richtige Weg in eine gute Zukunft für unser Unternehmen, unsere Kunden und unseren Planeten ist.“

250 000 Kilometer mit einer Batterie

Zum Verkaufsstart wird Daimler zwei Modelle anbieten: den EQE 350 mit 292 PS und eine zweite Variante, zu der es noch keine Details gibt. Der EQE 350 soll nach dem neuen Prüfzyklus WLTP zwischen 19,3 und 15,7 Kilowattstunden Strom je 100 Kilometer verbrauchen. Daimler verspricht, dass das Auto mit der gleichen Batterie zehn Jahre fahren kann oder eine Laufleistung von mindestens 250 000 Kilometern hat. Im Daimler-Werk in Hedelfingen werden die angelieferten Zellen mit der Steuerung und dem Batteriegehäuse verbaut.

Das Höchsttempo wird nur auf Nachfrage genannt

Die Höchstgeschwindigkeit ist bei E-Autos eher zweitrangig, Daimler gibt sie im Datenblatt nicht mal an, auf Nachfrage wird sie auf 210 Kilometer pro Stunde beziffert.

Daimler schaut mit dem EQE besonders auf China. Intern setzt man darauf, dass mehr als die Hälfte aller EQE dort verkauft werden. Für den chinesischen Markt wird er im Werk in Peking gebaut, den Weltmarkt beliefert Daimler aus dem Bremer Werk.

Schlafzimmeratmosphäre auf der Raststätte

Der EQE bietet auch deutlich mehr Sicherheitsassistenz an. Bei drohenden Unfällen mit entgegenkommenden oder überholenden Fahrzeugen kann das System eingreifen. Eine Kamera im Supercockpit, das sich beinahe über die gesamte Fahrzeugbreite erstreckt, analysiert den Lidschlag des Fahrers. Der Sprachcomputer mahnt zur Pause, wenn Sekundenschlaf droht. Auch ein Programm für den Schlaf – auf der Raststätte – wird angeboten: Die Fenster werden verdunkelt, das Rollo beim Schiebedach wird geschlossen, der Fahrersitz in die Ruheposition gebracht.

Bestellbar frühestens im April nächsten Jahres

Im Innenraum kann der Fahrer die Atmosphäre selbst bestimmen: Der Natur-Akustiker Gordon Hempton hat den Hintergrund-Sound von Sommerregen, Meeresrauschen sowie Waldlichtung komponiert. Der Duft im Auto erinnert an dunkle Schokolade.

Daimler rechnet damit, dass die Kunden den Wagen frühestens im April 2022 ordern können. Trotz Chipmangels sollen lange Wartezeiten vermieden werden. Im Frühjahr wird auch erst der Verkaufspreis feststehen.