In den Frankfurter Messehallen erfolgen die letzten Arbeiten. Foto: dpa

Die PS-Branche will lieber in die Zukunft als in alte Motoren investieren, meint Wirtschaftsredakteur Harry Pretzlaff.

Frankfurt - Die Internationale Automobil-Ausstellung in Frankfurt ist alle zwei Jahre ein Heimspiel für die deutschen Marken. Dort glänzen die neuesten Modelle in den Messehallen, protzen die Autobauer damit, im Wettlauf um die Technik der Zukunft ganz an der Spitze zu liegen. Doch in diesem Jahr drücken die Dieselkrise, der Abgasskandal und Kartellvorwürfe auf die Stimmung. Den Managern werden schmutzige Machenschaften vorgeworfen. Eine Vorzeigebranche steht am Pranger. Die Bundeskanzlerin zeigt sich empört und spricht offen von Betrug. Und selbst Matthias Wissmann, der normalerweise stets sehr vorsichtig formulierende Präsident des Branchenverbands VDA, appelliert an die Automanager: Sie müssten sich kritischen Fragen offener stellen und mehr Selbstreflexion üben.

Die Manager zeigen sich zwar reumütig, doch immer noch scheinen sie den Schutz von Umwelt und Gesundheit eher als lästigen Kostenfaktor zu betrachten. Dies zeigt sich in einer Äußerung von VW-Chef Matthias Müller, der nach dem Dieselgipfel in Berlin sichtlich genervt sagte, die Ingenieure sollten sich lieber mit Zukunftstechnik beschäftigen als mit alten Motoren. VW weigert sich ebenso wie die anderen Konzerne, nicht nur die Software, sondern auch die Hardware von Dieselmotoren nachzubessern, um die Luft sauberer zu machen. Wieder einmal sieht es so aus, als ob sie sich nur bewegen, wenn die Politik massiv Druck macht. Dies erinnert an die frühere Verzögerungstaktik wie etwa beim Rußpartikelfilter oder bei der Einführung des Katalysators.

Die Branche muss den Wechsel vom Verbrennungsmotor zum Elektroauto vorantreiben

Der Unmut zu größten Anstrengungen bei der Vergangenheitsbewältigung ist wohl auch darauf zurückzuführen, dass die Autohersteller in einer Zwickmühle stecken. Denn sie müssen derzeit viel Geld investieren, um beim rasanten technischen Wandel mithalten zu können. Die Branche muss den Wechsel vom Verbrennungsmotor zum Elektroauto vorantreiben, zugleich die digitale Vernetzung der Fahrzeuge ausbauen, weitere Schritte auf dem Weg zum autonomen Fahren gehen sowie im Wettbewerb mit Start-ups ganz neue Mobilitätsangebote entwickeln, die über Smartphone-Apps vermittelt werden.

Viele Jahre waren die deutschen Autobauer allzu sehr in die Verbrenner verliebt. Manager mit Benzin im Blut galten als Superhelden. Elektromobile oder Wagen mit Hybridantrieb, also einer Kombination aus Verbrennungs- und Elektromotor, wurden nur halbherzig entwickelt. Doch dies ist vorbei. Dazu hat beigetragen, dass der Quereinsteiger Tesla den etablierten Riesen vormacht, wie man Stromer nicht als Verzichtmobile, sondern als Luxusvehikel verkaufen kann und binnen weniger Jahre eine Marke mit Kultstatus aufbaut. Hinzu kommt, dass die immer strengeren Emissionsvorschriften dazu führen, dass Verbrenner teurer werden und China als wichtigster Markt der Welt bald vorschreiben wird, dass zunehmend Stromer verkauft werden.

Es ist so viel Bewegung in der Autobranche wie schon lange nicht mehr

Deshalb herrscht Hochbetriebe in den Entwicklungsabteilungen, werden ganze Familien von Elektromobilen an den Start gebracht. Auf der diesjährigen IAA werden zunächst allerdings noch vor allem Fahrzeugstudien gezeigt, die erst gegen Ende des Jahrzehnts oder später auf die Straße kommen werden.

Kein Zweifel: Es ist so viel Bewegung in der Autobranche wie schon lange nicht mehr. In den nächsten zehn Jahren wird sich bei der Mobilität womöglich so viel verändern wie seit Generationen nicht. Die Startchancen für die deutschen Unternehmen sind nicht schlecht. Vier von fünf rund um den Globus verkauften Wagen der Premiumklasse kommen von deutschen Marken – und trotz Abgasskandal und Dieselkrise zählen BMW, Daimler und der VW-Konzern in diesem Jahr zu den weltweit fünf profitabelsten Autokonzernen.