Nicht alle Menschen können im Homeoffice arbeiten. Firmen sind gut beraten, hier keine Kluft entstehen zu lassen. Foto: stock adobe/francescoridolfi.com

Homeoffice, Online-Meetings und Präsenz: Die Pandemie stellt Unternehmen vor neue Herausforderungen. Matthias Lapp, CEO der U.I. Lapp GmbH, sieht darin auch eine Chance.

Möhringen - Rund 23 Prozent der Beschäftigten arbeiten während der aktuellen Coronawelle von zu Hause aus. Spitzenreiter ist laut Untersuchungen des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung an der Universität München die IT-Branche mit 76 Prozent. Zu den Schlusslichtern zählt die Gastronomie mit drei Prozent. Beim Kabelspezialisten Lapp greifen derweil notwendige Präsenz und mobiles Arbeiten ineinander.

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„Bei uns ist derzeit jeder im Homeoffice, der im Homeoffice arbeiten kann, mich eingeschlossen“, sagt Matthias Lapp. Schwierig sei es für alle, die in der Logistik oder Produktion arbeiten. Irgendjemand müsse schließlich die Kabeltrommeln physisch bewegen oder die Ölflex-Leitungen herstellen. Er selbst sei dennoch immer wieder am Standort in Stuttgart-Möhringen, so der Geschäftsführer. Um persönliche Unterschriften zu leisten, aber auch, um den Mitarbeitern vor Ort zu zeigen, dass ihre Anwesenheit wertgeschätzt werde.

Online-Treffen zum gemeinsamen Pizza-Essen

Wie das Unternehmen unter Pandemie-Bedingungen wirtschaftlich funktioniert, ist die eine Seite. Die menschliche Ebene eine andere. Normalerweise legt man bei Lapp Kabel großen Wert auf persönliche Begegnungen, etwa bei Team-Events. Am Bildschirm lasse sich das nur schwer ersetzen. „Teilweise hat unsere Belegschaft das selbst in die Hand genommen“, sagt Lapp. Es gebe beispielsweise Online-Treffen zum Pizzaessen. Gleichzeitig fänden geschäftliche Meetings weiterhin am Bildschirm statt. Man sei ständig mit den verschiedenen Abteilungen in Kontakt. Dem Zusammenhalt habe Corona nichts anhaben können, sagt der studierte Betriebswirt.

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Als es in Frankreich, wo Lapp ein Werk in Forbach (Moselle) betreibt, seitens der Regierung hieß, Arbeitnehmer könnten daheim bleiben, erschienen mehr als 80 Prozent der Mitarbeitenden trotzdem in Präsenz. „Das war ein großartiges Zeichen der Solidarität, auch mit anderen Unternehmensbereichen“, sagt Lapp. Gräben zwischen jenen, die im Homeoffice seien und denen, die das nicht könnten, gebe es nicht.

Jüngere Generation war aufgeschlossen für Homeoffice

Auch habe es bei Lapp keine nennenswerten Verwerfungen gegeben durch technische Umstellungen. „Mobiles Arbeiten war ohnehin ein Projekt, das wir angestoßen hatten“, sagt der Enkel der im vergangenen Jahr verstorbenen Firmengründerin Ursula Ida Lapp. „Der Rollout ging nun nur wesentlich schneller vonstatten, als geplant. Binnen kurzer Zeit hat sich etabliert, was sich unter anderen Umständen wahrscheinlich über Jahre entwickelt hätte“, sagt er. „Skeptiker wurden dazu bewegt, sich den Möglichkeiten der neuen Technologie gegenüber zu öffnen. Die jüngere Generation war in der Regel ohnehin aufgeschlossen und schätzt das Arbeiten von zu Hause aus.“

Hoffen auf die Hannover Messe

Bei Lapp hat man keine Kosten gescheut, um sich auf die neue Situation einzustellen. Ein Beispiel ist die Anschaffung von technischem Equipment, mit dem sich ein eigenes großes und ein kleines Studio für professionelle Auftritte und Präsentationen bei größeren Online-Veranstaltungen, aber auch für die interne Kommunikation gestalten lassen. Tools und Technik werden auch an befreundete Firmen vermietet. Eine Investition in die Zukunft, die Matthias Lapp in einer Mischung aus Bildschirmeinsatz und persönlichem Kontakt sieht. „Natürlich hoffen wir, dass wir auf der Hannover Messe, die in den Sommer verschoben wurde, wieder Kunden treffen können“, sagt er. „Wir gehen aber auch hier einen hybriden Weg. Wir können zum Beispiel Filme aufnehmen, die wir parallel zu einem Messeauftritt für Kunden streamen können.“

Mit dem Betriebsrat erarbeitet man aktuell ein Konzept, das verschiedene Tätigkeiten bei Lapp vier unterschiedlichen „Work Types“ zuordnet. Sie unterscheiden sich nach dem Grad, in dem sie ortsgebunden sind oder eben mobiles Arbeiten ermöglichen. Das Potenzial der Neuerungen, die in Coronazeiten auf den Weg gebracht werden, soll konsequent ausgeschöpft werden.

Lapp sieht die Chancen des mobilen Arbeitens

Bedenken, dass es Arbeitnehmern am heimischen PC an Motivation mangeln könnte, kann Matthias Lapp nicht nachvollziehen. „Ob jemand Dienst nach Vorschrift macht oder sich stärker engagiert, ist eine Frage der Einstellung, nicht der Arbeitsweise“, sagt er. „Homeoffice ermöglicht es uns allen, flexibler zu planen. Ich bin auch junger Familienvater und sehe die Chancen, die darin liegen, Mitarbeitenden die Planung von Kinderbetreuung oder Arztterminen zu erleichtern“ Das trage positiv zum Betriebsklima bei. „Wichtig ist eher, dass die Arbeit nicht als 24/7-Verpflichtung gesehen wird und man den Rechner auch zu Hause zwischendurch abschaltet. Ich versuche in dieser Hinsicht mit gutem Beispiel voranzugehen.“