Huub Stevens steht Rede und Antwort Foto: Pressefoto Baumann

Für Huub Stevens ist klar: Der VfB darf nicht absteigen. „Die Stadt, der Verein, die Mitarbeiter, die Mannschaft – alle haben es verdient, in der Bundesliga zu bleiben“, sagt der neue Trainer. Er will den Spielern neues Selbstvertrauen einimpfen – Teil eins unseres großen StN-Interviews.

Für Huub Stevens ist klar: Der VfB darf nicht absteigen. „Die Stadt, der Verein, die Mitarbeiter, die Mannschaft – alle haben es verdient, in der Bundesliga zu bleiben“, sagt der neue Trainer. Er will den Spielern neues Selbstvertrauen einimpfen – und sich bei seiner Mission in Stuttgart selbst treu bleiben.
 
Stuttgart - Herr Stevens, wie war Ihr erster Eindruck von Ihrer neuen Mannschaft?
Es ist eine junge Truppe mit einigen erfahrenen Leuten – und, was ich auf jeden Fall schon sagen kann: Die Spieler sind willig, sie sind motiviert, da ist dieser jugendliche Elan zu spüren.
Das klingt ja fast begeistert.
Das ist auch gut so. Die jungen Spieler haben den Drang, alles zu geben. Aber manchmal ist es eben auch notwendig, mal auf den Ball zu treten und Ruhe reinzubringen.
Ist es das, woran Sie als Erstes arbeiten?
Zunächst geht es mir um die totale Organisation – und um das Selbstvertrauen. Die Jungs hatten keine Erfolgserlebnisse, dennoch ist es wichtig, dass sie ihr Selbstbewusstsein behalten.
Den Spielern Selbstvertrauen geben – das hört sich immer an, als sei es ganz einfach.
Dabei ist es das Schwierigste überhaupt. Am Ende geht es darum, wie eine Mannschaft in ein Spiel geht und wie sie mit Enttäuschungen umgeht. Da müssen wir versuchen, den Spielern schon im Vorfeld zu helfen. Dass sie wissen: Sie haben eine Basis, auf die sie bei Rückschlägen zurückgreifen können.
Sie haben also nicht den Eindruck gewonnen, die Mannschaft läge komplett am Boden?
Nein, diesen Eindruck vermitteln die Spieler überhaupt nicht. Eher im Gegenteil: Sie sind, wie gesagt, sehr motiviert. Ich habe aber auch gespürt, wie sie zum neuen Trainer aufschauen.
Sie meinen sich selbst. Wie äußert sich das?
Bei meiner ersten Ansprache zum Beispiel, da war es mucksmäuschenstill. Dabei brauchen sie gar keine Angst vor mir zu haben, vielmehr sollen sie doch Vertrauen zu mir gewinnen. Ich versuche seitdem auch, sie locker zu bekommen.
Liegt dieser große Respekt an dem Ruf, der Ihnen vorauseilt? Sie gelten als harter Hund.
Ich weiß um diesen Ruf, deshalb habe ich es bei meiner Vorstellung ja auch ganz bewusst selbst gesagt. Ich persönlich weiß allerdings nicht, ob ich hart bin.
Ist dieses Image zu Beginn eines Engagements dennoch eine Hürde, die es erst einmal zu überwinden gilt?
Nicht von meiner Seite aus. Und ich hoffe, die Jungs empfinden das auch anders als das, was sie gelesen oder gehört haben. Der harte Hund, der Knurrer – ich habe da immer nur geschmunzelt.
Eine klare Ansage gehört aber schon zu Ihrem Repertoire.
Ja klar, aber über was reden wir hier denn? Ich muss der Mannschaft in dieser Situation doch etwas Klares vorlegen, worauf sie aufbauen kann. Das geht gar nicht anders. Wenn ich nicht deutlich bin gegenüber der Mannschaft, dann helfe ich ihr auch nicht.
Sie haben angekündigt, viele Einzelgespräche führen zu wollen. Wie weit sind Sie damit?
Natürlich habe ich schon einige Einzelgespräche geführt, Sie dürfen sich das aber nicht so vorstellen, dass ich jeden Spieler in mein Büro bitte. Dafür fehlt uns die Zeit. Ich führe die Gespräche auf dem Platz, da will ich wissen, wie sich die Spieler fühlen, wo sie sich am besten aufgehoben fühlen. Da geht es um eine Wechselwirkung zwischen dem neuen Trainer und der Mannschaft.
Sie haben auch mit Ihrem Vorgänger Thomas Schneider gesprochen.
Ja, dafür bin ich ihm sehr dankbar, schließlich weiß er derzeit viele Dinge bezüglich der Mannschaft besser einzuschätzen. Das hilft mir, da kann ich einiges mitnehmen. Dennoch gehe ich natürlich meinen eigenen Weg.
Und wie sieht der aus?
Ich werde versuchen, erfolgreich zu sein.
Mit welchen Mitteln?
Mit denen, die mir zur Verfügung stehen. Ich bin ja nicht der liebe Gott, sondern nur ein Mensch. Also versuche ich, in dieser Situation das Beste zu machen.
Haben Sie ein Patentrezept für schwierige Situationen?
Nein, das ist immer wieder anders. Du hast immer wieder mit anderen Charakteren zu tun, mit einem anderen Trainerteam, mit einem anderen Umfeld. Natürlich habe ich durch meine Erfahrung bestimmte Dinge, auf die ich immer wieder baue. Denn ich will mir ja selbst treu bleiben. Ich muss aber auch dem Umstand Rechnung tragen, dass diese Truppe anders ist als zum Beispiel die Mannschaft einst auf Schalke oder bei Hertha.
Was macht Sie denn zuversichtlich, dass es mit der Rettung klappt?
Eigentlich alles. Die Stadt, der Verein, die Mitarbeiter, die Mannschaft – alle haben es verdient, in der Bundesliga zu bleiben. Der VfB hat mit seinem Jugendkonzept einen Weg eingeschlagen, der wirklich mutig ist.
Womöglich ist der Plan auch ein bisschen naiv.
Überhaupt nicht. Er ist vielmehr auf den Verein zugeschnitten. Ich weiß aus früheren Jahren, dass der VfB immer gute junge Spieler rausgebracht hat. Dass sie nun weiter darauf bauen, ist ihr gutes Recht. Außerdem glaube ich, dass es ein Weg ist, den dieser VfB gehen muss.
Könnten Sie sich vorstellen, diesen Weg des VfB auch über die Saison hinaus mitzugehen?
Darüber haben wir gar nicht gesprochen.
Wirklich nicht?
Nein, denn ich finde: Wenn wir in so einer Situation über die nächsten zehn Spiele sprechen, dann ist es nicht fair, gleich noch weiter vorauszuschauen. Ich weiß doch selbst nicht einmal, wie ich mich in zwei, drei Monaten fühle.
Die meisten Trainer fordern aber von vorneherein im Falle des Erfolgs eine Option für eine Weiterbeschäftigung.
Aber so bin ich nicht. Glauben Sie mir, ich habe in den vergangenen Jahren immer nur Einjahresverträge gemacht. Da gab es zwar meist die Option auf ein weiteres, beide Seiten konnten nach einer Saison aber auch Schluss machen. Ich denke, das ist fair. Ich bin kein Trainer, der nur auf das Finanzielle schaut. Ich schaue, was zu mir passt.
Und warum hat es in Saloniki zuletzt nicht mehr gepasst?
Ich habe das Abenteuer gesucht – und ich habe es bekommen. Ich habe von so vielen Trainern so vieles gehört, also wollte ich es auch mal selbst erleben. Ich habe mich bewusst für Griechenland entschieden. Natürlich hätte ich gerne bis zum Saisonende weitergemacht. Aber die Ergebnisse waren am Ende eben nicht mehr so gut. Da hatte ich es kommen sehen, hatte es gespürt, dass es vorzeitig zu Ende gehen kann.
Zur Trennung kam es vor eineinhalb Wochen. Warum haben Sie danach nicht eine Pause eingelegt? Brauchen Sie das Adrenalin?
Nein. Das hatte allein mit der Situation zu tun. Nach meinem zweiten Engagement auf Schalke zum Beispiel, da habe ich bewusst gesagt, ich mache drei, vier Monate Pause, weil die Trennung damals plötzlich kam. Nun habe ich sie kommen sehen und konnte sie besser verarbeiten. Allerdings hatte ich auch diesmal eigentlich vor, mit meiner Frau in Urlaub zu fahren.
Hatten Sie schon gebucht?
Das nicht. Aber wir hatten fest vor wegzufahren. Raus aus den Niederlanden, raus aus Griechenland, vielleicht die Enkelkinder besuchen, vielleicht nach Mallorca fliegen – aber dann rief Fredi an.
 
Im zweiten Teil unseres großen StN-Interviews lesen Sie morgen früh: Was Huub Stevens über Fredi Bobic denkt und warum er sich gewünscht hat, dass Thomas Schneider es doch noch hinbekommt.