Auf der Karibikinsel Kuba sind mindestens zehn Menschen durch Hurrikan „Irma“ ums Leben gekommen – die meisten sind in der Haupstadt Havanna gestorben, wo manche dicht bewohnte Stadtteile von brusthohem Wasser überflutet wurden. Foto: AFP

Im Netz ist die Erregung groß: Zu viel Florida, zu wenig Kuba, meinen viele Menschen und werfen den Medien eine Vernachlässigung der sozialistischen Insel vor. Doch die Probleme sind hausgemacht.

Havanna - Die Bilder aus der historischen Altstadt Havannas lassen nichts Gutes erahnen. Fast einen Meter hoch steht das Wasser in den Straßen im Vorzeigestadtteil der aufwendig renovierten kubanischen Metropole. Dazu meterhohe Wellen, die über die berühmte Uferpromenade Malécon schwappten, Wasser weit in die Stadt hinein schwemmten und etliche Straßen in Kanäle verwandelten. Mindestens zehn Menschen hat Hurrikan Irma in Kuba in den Tod gerissen. Allein sieben Menschen seien in der Provinz Havanna ums Leben gekommen, so der Zivilschutz am Montag. In anderen Teilen der Karibik kamen mindestens 24 Menschen ums Leben, als der Hurrikan durchfegte.

Erste Berichte aus dem Norden Kubas sorgen ebenfalls für Erschütterung: Es ist die Rede von großen Zerstörungen, abgedeckten oder gar eingestürzten Häusern. Nach Angaben der Behörden wurde der Flughafen Jardines del Rey zerstört. Außerdem trugen zahlreiche Hotels in den Küstengebieten schwere Schäden davon. Es könnte Monate dauern, bis sich die für die Wirtschaft des Landes so wichtige Tourismusindustrie wieder erholt. Die Deutschlandtochter des weltgrößten Reisekonzerns Tui fliegt rund 600 ihrer Kunden „so schnell wie möglich“ von dort aus. Vor allem rund um Varadero, das wichtigste Touristenzentrum der Insel, habe es teilweise schwere Schäden gegeben, teilte das Krisenzentrum des Konzerns am Montag in Hannover mit. Reisen nach Varadero mit Anreisedatum bis 18. September wurden abgesagt.

Viele Menschen im Netz sorgen sich um Kuba und die Kubaner, doch es gibt auch scharfe Kritik an deutschen und US-Medien. Während Irma die Karibikinsel mit voller Wucht traf und sich über Kuba stundenlang entlud, berichteten viele TV-Sender und Portale vor allem über die Vorbereitungen auf das Eintreffen des „Monstersturms“ im US-Bundesstaat Florida.

Kubas Vorwarnsystem gilt als vorbildlich

„Interessant wie wenig Bilder es aus #Kuba gibt. #Irma wütete dort über einen Tag lang“, kommentierte beispielsweise User „Philipp Kurowski“ auf Twitter, wo auch „Rollo“ klagt: „Einige Sekunden über das arme sozialistische #Kuba, das seine Bevölkerung effektiv schützt. Aber mega Florida. #Irma #heutejournal.“ Der Ärger über die unterschiedliche Wertung ist groß, aber für die zurückhaltende Berichterstattung aus Kuba gibt es auch Gründe. Sie ist auch einer repressiven Politik gegenüber unabhängigen ausländischen Medien geschuldet, die sich trotz Tauwetterpolitik und Abbaus der Handelsbeschränkungen zwischen den USA und Kuba nach wie vor schwertut, eine freie unzensierte Berichterstattung zuzulassen.

Zunächst einmal gilt: Kubas Vorwarn- und Evakuierungssystem gilt in der Region als vorbildlich. Die Menschen werden in der Regel umfassend und seriös informiert, im Gegensatz zu anderen Ländern kommt es auf Kuba kaum zu Todesopfern, auch wenn der Sturm noch so heftig tobt. Kubas Regierung ist nicht ganz zu Unrecht sehr stolz auf seine funktionierende Notfallpolitik. Kritik daran ist auf Kuba ein Tabubruch. Dass das unabhängige Portal „14ymedio“ vor Irma über die leeren Supermärkte berichtete, in denen sich die Kubaner vergeblich auf den Sturm vorbereiten und eine Notfallration anlegen wollen, ist die Ausnahme. Das Portal ist auf Kuba nur mit technischen Tricks zu erreichen. Blogger, die wie in den USA spektakuläre Videos ins Netz stellen, gibt es in Kuba kaum. Der Internetzugang ist nach wie vor unerschwinglich, die öffentlich freien Internetzugänge werden überwacht.

Wütende Kubaner, die ihre Regierung kritisieren

Kubas repressive Medienpolitik hat ihre Gründe. Die sozialistische Regierung überwacht genau, welche Sequenzen die Insel verlassen. Ein freies, unabhängiges Drehen oder Fotografieren ist nicht möglich, damit soll verhindert werden, dass der Unmut der Bevölkerung über den schleppenden Wiederaufbau wie nach den jüngsten Naturkatastrophen ins Ausland dringt. Wütende Kubaner, die ihre Regierung kritisieren, weil es nicht vorwärtsgeht, das sind Bilder, die nur schwer oder gar nicht nach außen zu transportieren sind. Zumal zu solchen öffentlichen Äußerungen auch großer Mut gehört.

Korrespondenten, die nach Kuba einreisen, kennen das oft übliche Prozedere: Fast immer werden Journalisten vorab befragt, welche Themen und Gespräche sie planen. Auch Nichtregierungsorganisationen, in der Regel zuverlässige Informanten in Krisensituationen, unterliegen einer strengen Kontrolle. Das Fazit bleibt: Was es aus Florida zu viel gibt, gibt es aus Kuba zu wenig.