Die Badematte rollt Gino gern aus – darin ist ein Leckerli verborgen. Foto: © C) Gottfried Stoppel

Gino wirkt beruhigend, zaubert Lächeln in die Gesichter depressiv Erkrankter und hilft Menschen mit Demenz – die Aufgaben des Therapiebegleithunds im Klinikum Schloss Winnenden sind vielfältig.

Winnenden - Der Blick der Patientin ist wirr, der vorangegangene Wutanfall ist noch deutlich in ihren Gesichtszügen zu sehen. Doch allmählich beginnt ein Lächeln ihre Mundwinkel zu umspielen, breitet sich zu einem herzlichen Lachen aus. Sabine Kräker hat den Gefühlsumschwung, den ihr Therapiebegleithund Gino bei einer Patientin des Klinikums Schloss Winnenden bewirkt hat, in einer Fotostrecke festgehalten. Mit deren Erlaubnis hat sich die Ergotherapeutin für ihr Arbeitszimmer Abzüge davon gemacht. „Das war vergangenes Weihnachten. Die Patientin hat aus Wut mit Gegenständen um sich geworfen“, berichtet Kräker. Von niemandem habe sie sich beruhigen lassen – bis Gino sie in ihrem Zimmer besuchen kam. Ihm zu Liebe hörte sie auf, damit er eine Weile bei ihr blieb. Das Kraulen seines flauschigen Fells ließ die Patientin zur Ruhe kommen und sich emotional öffnen.

Hunde sind Brückenbauer und Eisbrecher

Seit drei Jahren arbeitet Gino Seite an Seite mit seinem Frauchen Sabine Kräker im Klinikum im Schloss Winnenden. Schon als Welpe im Alter von acht Wochen nahm sie den Miniature Australian Shepherd zum ersten Mal mit. „Mit ihm ist die Arbeit viel einfacher geworden und viel anstrengender“, sagt die Ergotherapeutin. Einfacher, weil sie durch den Hund leichter Zugang zu den Patienten bekomme. „Sie vertrauen Gino und mir Sachen an, wie sie es gegenüber der Pflege nicht tun würden. Hunde sind Brückenbauer und Eisbrecher.“

Allerdings müsse sie bei der Arbeit mit Gino mehrere Dinge gleichzeitig im Blick behalten, das Verhalten des Hundes und den Umgang der Patienten mit ihm. Dafür gibt es klare Regeln. Gino hat diese in einer speziellen Ausbildung bei Canoidea gelernt, einem Zentrum für Therapiehunde in Karlsruhe. Den Patienten des Winnender Klinikums erklärt Kräker sie. Eine davon ist, dass man in seiner Gegenwart leise ist, andernfalls geht Gino. Das wiederum bekam der Hund in seiner Ausbildung beigebracht.

Zwei Stunden Einsatz am Tag

„Denn es kommt vor, dass man von Patienten angegriffen wird. Da darf Gino nicht dazwischen gehen, um mich zu verteidigen.“ Das muss er indes auch erst gar nicht. Allein seine Anwesenheit wirke deeskalierend, berichtet Kräker.

Zwei Stunden am Tag ist Gino aktiv im Einsatz. Die übrige Arbeitszeit darf er dösend in Kräkers Arbeitszimmer verbringen, während sie etwa die nächsten Therapiestunden vorbereitet oder mit Patienten im Einzelgespräch ist. In der Mittagspause geht es zum Ball spielen in den Park.

Doch an diesem Freitagvormittag ist vorher erst einmal ein Arbeitseinsatz angesagt. Gino begleitet sein Frauchen zu einer Gruppentherapiestunde mit Patienten der Tagesklinik, die an Depressionen leiden. Fröhlich wedelnd trabt Gino ohne Leine neben Sabine Kräker durch die Flure der Alterspsychiatrie – mit einem spontanen Zwischenstopp.

Kurzer Besuch auf dem weg zur Therapie

„Gino, Gino mein Schatz“, ruft plötzlich eine Patientin und kommt freudestrahlend ihn zu. Es ist Ginos alte Bekannte von vorigem Weihnachten, die er sogleich begrüßen und ein paar Streicheleinheiten abholen geht. So viel Zeit muss sein. Dann setzt das Therapiehundeteam Sonnenschein, wie Sabine Kräker und ihr vierbeiniger Assistent von den Patienten genannt wird, seinen Weg fort.

Kaum dass es das Therapiezimmer betreten hat, zaubert Gino schon wieder Lächeln in Gesichter. Wer will, darf ihm aus einem Täschchen ein Leckerli geben. „Das schult die Feinmotorik“, erklärt Kräker zu dem Begrüßungsritual, das zugleich eine erste ergotherapeutische Übung ist. Gino wirkt dabei als Motivator, auch bei vielen weiteren Aufgaben, wie etwa einem Hörmemory. Durch Schütteln von vier Döschen sollen die Patienten herausfinden, in welchen beiden jeweils die gleichen Leckerlis sind. Die Belohnung für heimst indes wieder Gino ein.

In der Mittagspause spielt Gino im Park

Der tiefere Hintergrund: Sabine Kräker will die Patienten animieren, ihre Umwelt wieder mehr mit allen Sinnen wahrzunehmen und sich etwa am Zwitschern der Vögel draußen zu erfreuen. „Denn wenn man krank ist, vernachlässigt man seine Sinne.“ Darüber hinaus hat Gino einige Tricks auf Lager. Beispielsweise kann er mit der Schnauze eine Badematte ausrollen. Dafür gibt es wieder ein Leckerli für ihn, das einer der Patienten zuvor als Fingerübung feinsäuberlich in der Matte eingerollt hat. Dabei wächst manch einer über sich selbst hinaus, überwindet körperliche Einschränkungen oder verliert seine Angst vor Hunden.

Zurück in Frauchens Büro wartet schon der nächste Auftrag auf den hündischen Mitarbeiter. „Kannst du mit Gino nachher mal kommen, bevor ich ein Medikament holen muss?“, bittet ein Kollege Sabine Kräker um Unterstützung. Doch zuvor darf Gino erst einmal Pause machen und im Schlossparkpark spielen gehen.