Was passiert, wenn wir durch die Tür des Todes gehen? Foto: RFK Architects & Tom Piper/Alexander Schippel

Wer hat Angst vor dem Tod? Und was kommt danach? Eine ungewöhnliche Ausstellung im Berliner Humboldt Forum geht ans Eingemachte.

Ganz ehrlich? Diese Ausstellung ist nichts für Menschen mit schwachen Nerven. Denn wenn man beim Rundgang etwas begreift, so die bittere Wahrheit: Wir müssen alle sterben. Da helfen die stärksten Tabus nicht, da kann man noch so jung und lebensfreudig sein – eines Tages wird es zu dem Moment kommen, an dem die Atmung flach wird und die Finger ruhelos nesteln. Die Organe werden ihren Dienst versagen und das Gehirn ein letztes Mal Botenstoffe ausschütten und jeden von uns mit einer Welle an Gefühlen durchfluten. Dann der Stillstand.

Details zum Tod in Ausführlichkeit

Im Humboldt Forum in Berlin werden die Details dieses Momentes sehr präzise und schonungslos erklärt. „Un_endlich. Leben mit dem Tod“ ist eine wahrlich ungewöhnliche Ausstellung, die ans Eingemachte geht. Das Humboldt Forum ist in erster Linie ein ethnologisches Museum. Auch in dieser Sonderschau geht es um den Umgang mit dem Tod in verschiedenen Kulturen, dabei wird der Blick aber radikal aufs Publikum gelenkt. Und das darf zum Beispiel auf Liegen Platz nehmen, einen Kopfhörer mit Mikrofon überziehen und Fragen beantworten, schwere Fragen, Gewissensfragen: Hat der Mensch eine Seele? Würdest du deine Organe spenden? Gibt es einen guten Tod? Und schließlich: Wie stellst du dir deine eigene Beerdigung vor?

Man hat es gelernt, diese Themen zu verdrängen, aber der Streifzug durch die verschiedenen Religionen macht bewusst, dass das keineswegs so sein muss. An Soundstationen erzählen Vertreter verschiedener Glaubensrichtungen, wie es aus ihrer Sicht nach dem Tod weitergeht: Im Judentum geht die Seele zurück zu Gott. Im Islam wird jenen, die die Prüfungen des Lebens bestanden haben, das Dasein im Jenseits „vergoldet“ und stehen im Paradies in luxuriöse Villen bereit. Auch die Existenz des Hindus endet nicht mit dem Tod – wer durch gute Taten sein Karma gesteigert hat, „kommt in den Himmel“, wie es heißt.

Vielleicht hoffen deshalb viele Sterbende auf Vergebung? Das zumindest erzählen die Sterbebegleiter aus aller Welt, die auf einer großen Videowand von ihren Erfahrungen berichten, vom Bedauern, Dinge im Leben verpasst zu haben, weil man zu sehr im Hamsterrad steckte. Sie erzählen auch unisono von der „Kälte des Todes“, die plötzlich den Raum erfülle und berichten einhellig vom Augenblick, in dem die Seele aus dem Körper austritt. Sterben sei „nicht immer schön und sanft wie im Film“, sagt jemand. Und doch, meint Myriam Rios aus Guatemala, für sie sei es „ein Privileg, dabei zu sein. So, wie auch bei der Geburt.“

Wenn die Seele den Körper verlässt

Für die leiblichen Überreste der Toten ist der Bestatter zuständig. In der Ausstellung im Humboldt Forum kann man seine Werkzeuge besichtigen, die zum Einsatz kommen, und erfährt auch, wie viel Bürokratie hinter diesem letzten Weg steckt. Statistiken machen zudem deutlich, wie höchst unterschiedlich die Lebenserwartungen auf der Welt sind: In Deutschland werden Frauen im Durchschnitt 83 Jahre alt, in Nigeria gerade mal 53 Jahre. Wie lange man durchschnittlich lebt, hängt vom eigenen Geldbeutel ab, aber auch von den Folgen des Klimawandels.

So bekommt man in dieser ungewöhnlichen Ausstellung viele interessante Informationen und stellt sich bei aller Trauer und bei allem Unbehagen am Ende des Rundgangs sogar ein Gefühl der Dankbarkeit ein für das Leben, das man schon hatte und aktuell auch noch hat – im Gegensatz zu den Jugendlichen, deren Hinterlassenschaften Cristina Cattaneo untersucht. Sie ist Rechtsmedizinerin in Mailand und versucht anhand von durchweichten Geldbeuteln, Handys, Notizzetteln, die man aus dem Mittelmeer gefischt hat, etwas über die Menschen zu erfahren, die auf der Flucht ertrunken sind. Oft waren sie nicht älter als 16 oder 17 Jahre.

Übrigens gibt es keinen Hinweise darauf, dass man früher stirbt, wenn man über den Tod nachdenkt. Und so ermuntert die Ausstellung, lieber den Tag zu nutzen, statt den Tod zu verdrängen. Wobei: So sehr man auch am Leben hängen mag, immerhin 80 Prozent der Ausstellungsbesucher haben bei der Publikumsbefragung angegeben, dass sie nicht unsterblich sein wollten.

Persönliche Sicht auf universelles Thema

Museum
Das 2021 eröffnete Humboldt Forum vereint das Ethnologische Museum und das Museum für Asiatische Kunst. Neben einer Dauerausstellung zu Berlin gibt es auch Wechselausstellungen. Im vergangenen Jahr kamen 1,5 Millionen Besucher in das Humboldt Forum, dass wegen des Wiederaufbaus des Berliner Schlosses, aber auch wegen des Umgangs mit den ethnologischen Beständen kritisiert wurde.

Ausstellung
„Un_endlich. Leben mit dem Tod“ ist eine Ausstellungen, die als „Drama in fünf Akten“ inszeniert wurde und weitgehend ohne Exponate auskommt. Das Publikum durchläuft mehrere Stationen und wird immer wieder direkt angesprochen. „So, wie Shakespeare in Hamlet versucht, mit dem Tod umzugehen, wollen wir die Menschen ermutigen, sich mit der eigenen Endlichkeit auseinanderzusetzen“, sagt der britische Bühnenbildner Tom Piper, der den Rundgang gestaltet hat. (Bis 26. November, täglich außer Dienstag 10.30 bis 18.30 Uhr). adr