Elly Ameling (Mitte) mit J. Pregardién (links) und C. Pregardién (rechts) Foto: Reiner Pfisterer

„Sie war eine der größten Liedsängerinnen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts“, sagt Robert Holl, der Bass, über seine Kollegin Elly Ameling, die am Sonntag im Stuttgarter Opernhaus mit der Hugo-Wolf-Medaille ausgezeichnet wurde.

Stuttgart - „Sie war eine der größten Liedsängerinnen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts“: Das sagt Robert Holl, der Bass, über seine Kollegin Elly Ameling, als diese am Sonntag mit der Hugo-Wolf-Medaille ausgezeichnet wird. Erstens hat er natürlich recht. Und zweitens ging es ihm wohl ähnlich wie der Preisträgerin, die ihren Dank für die freundliche Laudatio ihres Landsmannes mit einem schönen, treffenden Satz beginnt: „Ich hätte“, sagt die heute 82-Jährige zum Publikum im Stuttgarter Opernhaus, „viel lieber vor Ihnen gesungen als gesprochen.“

Das Singen übernehmen zwei, die man treffender nicht hätte auswählen können. Christoph und Julian Prégardien, Vater und Sohn und beide Tenöre, beherrschen exzellent das, was für Elly Ameling die Grundlage aller Vokalkunst ist: das Singen in weiten Bögen, das Verbinden der Töne zu atmenden Phrasen, das sogenannte Legato. Außerdem durchdringen beide die Verbindung von Poesie und Musik so intelligent und so intensiv, dass die Lied-Matinee zu einem Hochlied auf eine zu Unrecht ins Abseits gedrängte Kunstform der höchsten Verfeinerung gerät.

Lieder von Gustav Mahler singt Christoph Prégardien (59) mit feinem Gespür für die Balance von Sprache und Klang, mit exzellenter Tonvorstellung, glasklarer Aussprache und einem Textverständnis, das selbst in kleinsten Worten und Wendungen feine Momente der Ironie aufstöbert. Dass die hohe Lage bei diesem Ausnahmesänger manchmal nicht mehr optimal anspricht und bei lauten Stellen gelegentlich zu flattern beginnt, dass ihm die überdrehten Verzierungen beim „Wer hat dies Liedlein erdacht?“ nicht ganz sauber gelingen: Das alles ist angesichts etwa des Anfangs von „O Röschen rot“, der einen in Abgründe blicken lässt, vollkommen nebensächlich.

Prégardien empfiehlt sich als künftiger Wolf-Preisträger

So wie der Vater auf packende, nein: erschütternde Weise in Schuberts „Dass sie hier gewesen“ und „Greisengesang“ von Vergangenem und von Vergehen singt, so überzeugend wirkt – neben einer wundervoll gerade geführten Stimme – die theatralische Unmittelbarkeit, mit der sein Julian Prégardien (31) bei Liedern von Hugo Wolf an diesem Vormittag einen postalkoholischen Brummschädel („Zur Warnung“) oder auch den Tritt in den Hintern lebendig werden lässt, mit dem im „Abschied“ der Künstler einen lästigen Kritiker die Stiege hinunterbefördert.

Marcel Amaral, der auf dem Flügel Wolfs Schadenfreude in launig überdrehtem Walzertakt teilt und der auch andernorts wach und spielerisch Stimmungen vor- und weiterführt, beweist erneut seine Klasse als Tastenpartner. Als Vater und Sohn schließlich bei Schuberts „Nacht und Träume“ auf so innige Weise zusammenfinden, als sängen sie ein Liebesduett, da muss man überzeugt sein: Hier stehen ein künftiger Wolf-Preisträger und sein Laudator auf der Bühne. „Ich bin“, hatte Elly Ameling gesagt, „ein glücklicher Mensch.“ Hier stehen zwei davon.