Boss-Chef Claus-Dietrich Lahrs Foto: dpa

Nach knapp acht Jahren an der Firmenspitze kehrt Boss-Chef Claus-Dietrich Lahrs dem Metzinger Modekonzern den Rücken. Anfang der Woche erst hatte er mit einer Gewinnwarnung die Aktionäre verschreckt und die Aktie auf Talfahrt geschickt.

Metzingen - Die letzten Monate waren für den Boss-Chef keineswegs vergnügungssteuerpflichtig. Seit fast einem Jahr fällt die Aktie von Hugo Boss, der Börsenwert hat sich binnen zehn Monaten nahezu halbiert. Schon vergangenen Oktober verschreckte Claus-Dietrich Lahrs die Öffentlichkeit, weil Hugo Boss seine Jahresziele nicht erreichen werde. Seit dieser Woche haben Investoren und Aktionäre nun Gewissheit, dass die schwachen Geschäfte vor allem in China und den USA bei dem Modekonzern in diesem Jahr für einem deutlichen Gewinnrückgang sorgen werden.

Nach solchen Negativschlagzeilen gibt Lahrs nun mehr oder weniger freiwillig auf. Der Personalausschuss des Aufsichtsrats und Lahrs hätten sich darauf geeinigt, dass Lahrs zum 29. Februar „im Rahmen einer einvernehmlichen Regelung auf eigenen Wunsch aus dem Vorstand der Gesellschaft ausscheidet“, teilte die Hugo Boss AG am Donnerstag mit. Damit nimmt Lahrs zwei Wochen vor der Bilanzpressekonferenz seinen Hut. Eine ungewohnte Situation für den erfolgsverwöhnten smarten Manager, der stets auftritt wie aus dem Ei gepellt. Nach Stationen in New York und Paris als Topmanager beim französischen Luxuskonzerns Cristian Dior sorgte er bei Boss zweifellos für Glamour.

Finanzinvestor Permira hatte Lahrs 2008 als Nachfolger des damaligen Boss-Chefs Bruno Sälzer geholt, der den Modekonzern im Streit verlassen hatte – wegen der von Permira verordneten hohen Verschuldung. Die Strategie mit Lahrs dagegen funktionierte. Unter seiner Führung hat sich der Gewinn mehr als verdoppelt, der Wert der Aktie stieg seit seinem Amtsantritt bis zum Frühjahr 2015 um das Fünffache. Während die Boss-Aktie zum Börsenliebling avancierte, stieg Investor Permira, der sich schrittweise von Boss-Aktien getrennt hatte, vergangenes Frühjahr komplett aus. Seither hat sich das Blatt gewendet. Die Aktie kennt nur noch eine Richtung: nach unten.

Ausbau des eigenen Filialnetzes

Die vermeintliche Erfolgsgeschichte von Boss, zur globalen Luxusmarke aufzusteigen mit durchgestylten Läden, schien leichter erzählt als tatsächlich umgesetzt. „Lahrs war von der Börse getrieben und hat versucht, den Fluchtweg nach oben anzutreten. Doch das ist ein Irrweg“, sagte der renommierte Handelsexperte Franz Schmid Preissler unserer Zeitung. „Der Ausstieg von Permira war ein Signal“, sagte er. Für Preissler kommt die jetzige Entwicklung nicht überraschend. Man könne mit einem Mainstreamprodukt nicht gleichzeitig exklusiv werden, sagt er und beschreibt es so: „Sie können nicht einen Boss-Anzug für 400 Euro anbieten und damit High-End-Kunden locken, die für den Anzug 2000 Euro zahlen. Die Rechnung geht nicht auf.“

Boss hat vor allem auf den Ausbau des eigenen Filialnetzes gesetzt – wie im Übrigen auch andere Unternehmen, nur etwas später. Seit 2010 hat sich die Zahl der Boss-Läden mehr als verdoppelt, auf rund 1100 – bis 2020 wollte Lahrs gar 75 Prozent des Umsatzes mit eigenen Verkaufsstellen machen. Das hat durchaus Charme, denn damit lässt sich die Ware besser präsentieren, man kann schneller auf Kundenwünsche reagieren. Doch das ist teuer und riskant angesichts hoher Investitionen in Handelsflächen bzw. saftiger Mietkosten für Geschäfte in Toplagen der Weltmetropolen. Wenn Kunden dann weniger einkaufen als erhofft, geht die Rechnung nicht auf.

Hier wurde auch Boss von der abkühlenden Weltkonjunktur kalt erwischt – am stärksten im wichtigen Markt China, wo Boss bislang sehr gut verdiente. Hinzu kommen Rabattschlachten der Wettbewerber. Ausgerechnet in diesem Umfeld wollte der Boss-Chef die Hauptmarke Boss vom Premium- in den Luxusbereich schieben, also die Preise erhöhen.

Nun traute man es Lahrs wohl nicht mehr zu, das Ruder wieder herumzureißen. Der Vertrag des 52-Jährigen sollte eigentlich bis Mitte 2018 laufen. Der Aufsichtsrat will nun unverzüglich nach einem Nachfolger suchen. Bis einer gefunden ist, sollen die verbliebenen Vorstandsmitglieder die Geschäfte führen. Außerdem zieht Boss-Manager Bernd Hake zum 1. März in den Vorstand ein – er übernimmt das Ressort Vertrieb und Einzelhandel.

Um seine Zukunft muss sich Noch-Boss-Chef Lahrs nicht sorgen. Permiras Erfolgsprämie – Schätzungen zufolge hat der Finanzinvestor seinen Einsatz bei Hugo Boss insgesamt verdoppelt – dürfte Manager Lahrs zum Multimillionär gemacht haben. Wie seine Pläne aussehen, ist nicht bekannt. „Die vergangenen acht Jahre waren erfolgreiche und spannende Jahre in der einzigartigen Hugo-Boss-Kultur. Die Begeisterung und Leidenschaft, mit der sich alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für unser Unternehmen einsetzen, werde ich in eindrucksvoller Erinnerung behalten“, ließ sich Lahrs in der Pressemitteilung zitieren.