Jahrzehnte war er als Architekt tätig, jetzt ist Anthony Carimando Lehrer an der beruflichen Schule in Feuerbach. Er sagt: „Es macht mir Spaß und es bereichert mich.“ Foto: LICHTGUT/Max Kovalenko

Wegen des großen Lehrermangels wächst an den Schulen die Zahl der Lehrkräfte, die aus anderen Berufsfeldern in den Schuldienst kommen. Die Schulen begrüßen das. Sie fordern aber mehr Fortbildung für Quereinsteiger, gerade in der Anfangsphase.

Der wachsende Lehrermangel setzt den Schulen zu. Ein Mittel unter anderen, auf das die Kultusverwaltung des Landes gegen die Misere setzt: Der Einsatz von sogenannten Quereinsteigern im Schuldienst. Noch ist deren Anteil unter den Lehrkräften nicht sehr hoch. Aber er wächst deutlich.

 

Nach Angaben des Regierungspräsidiums Stuttgart waren im gesamten Bezirk Anfang Mai 1246 Quereinsteiger unter den Lehrkräften. Vor zwei Jahren waren es noch 775, plus 61 Prozent. Den größten Anteil an der Gesamtzahl haben Sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ) mit 28 Prozent (344 Personen), 26 Prozent (322) sind es in der Primarstufe von Grund- und Gemeinschaftsschulen, 20 Prozent (254) in der Sekundarstufe I. Der Anteil der Gymnasien und der Beruflichen Schulen an den Quereinsteiger-Lehrkräften liegt derzeit bei jeweils rund 13 Prozent (166 und 160 Personen).

Bemerkenswert ist der hohe Wert in den SBBZ. Dort sei „der Mangel am größten“, sagt Schulamtsdirektor Christof Kuhnle vom Staatlichen Schulamt Stuttgart. Bei insgesamt 2900 Lehrkräften in Grundschulen, der Sekundarstufe I und in den SBBZ der Landeshauptstadt sind in letzteren bei 550 Lehrkräften 50 Quereinsteiger tätig, neun Prozent. In den Grundschulen sind es vier Prozent (1300 Lehrkräfte, 60 Quereinsteiger), ebenso in der Sekundarstufe I (1050 zu 40).

„Für uns sind die Quereinsteiger sehr wichtig, sonst müssten wir unser Angebot zurückfahren“, sagt Andreas Thiemke, der Schulleiter der Helene-Schoettle-Schule. In dem SBBZ in Steinhaldenfeld sind sieben Quereinsteiger im Einsatz, zehn Prozent der Lehrpersonals, dessen Zahl ohnehin ein Viertel unter dem Stellenplan liegt.

Viele Quereinsteiger in Vorbereitungsklassen

Während insgesamt die Zahl der Quereinsteiger zunimmt, kann man in sonderpädagogischen Einrichtungen teils schon keine weiteren mehr einstellen. „Wir stoßen an eine Grenze“, sagt Andreas Thiemke. Quereinsteiger brauchen eine intensive Begleitung von regulären Lehrkräften, man arbeitet in den heterogenen Klassen möglichst im Tandem. Neueinsteiger könnten die Kinder „nicht einfach alleine unterrichten, das braucht ein paar Jahre“, betont Schulleiter Thiemke. Ihm ist wichtig, dass die Fortbildungsangebote, die bisher „freiwillig an einigen Nachmittagen“ stattfänden, verbessert werden. Man brauche eine „verbindliche begleitende Nachqualifikation“.

In der Grundschule und in Schulen der Sekundarstufe I von Werkrealschulen, Realschulen und Gemeinschaftsschulen haben die jüngsten Flüchtlingswellen die Öffnung für andere Berufsgruppen bewirkt. Hier werden Quereinsteiger „hauptsächlich in den Vorbereitungsklassen eingesetzt“, sagt Schulamtsdirektor Kuhnle. „Bei fachlicher Qualifikation ist im Einzelfall ein Einsatz in Mangelfächern möglich“. Dazu zählen Sport und Musik, in sehr geringem Umfang auch Mathematik, islamischer Religionsunterricht, Physik oder Französisch.

„Wir haben zwei Personen im VKL-Bereich“, sagt Detlef Storm, Rektor der Rosensteinschule im Nordbahnhofviertel. Seine Erfahrungen sind „durchweg positiv“ mit den Unterstützungskräften. Diese hätten „eine sehr hohe Motivation“. Die Begleitung durch erfahrene Kollegen sei aber wichtig. Und eine „methodische und didaktische Fortbildung“, erklärt Detlef Storm.

Auch in den beruflichen Schulen sind „Nebenlehrer“ tätig, wie Felix Winkler, der Geschäftsführender Leiter der gewerblichen und hauswirtschaftlichen Schulen, diese nennt. Zurzeit seien es dort sechs insgesamt, im Einsatz zum Deutscherwerb von Geflüchteten. Diese bräuchten aus Winklers Sicht aber mehr „pädagogische Fortbildung“. Die gibt es laut Schulamtsdirektor Christof Kuhnle auch, doch „noch nicht flächendeckend“ und noch nicht für jene Quereinsteiger, „die ganz frisch dabei sind“.

Der Direkteinstieg ist „sehr ambitioniert“

Zur Gewinnung weiterer Lehrkräfte hat das Land dieses Jahr zudem den Direkteinstieg ins Lehramt der Grundschule und der Sekundarstufe I eingeführt. Wer zwar nicht Lehramt, aber ein Fach studiert hat, das an Schulen unterrichtet wird, kann in den Schuldienst wechseln. Dazu gehört, ähnlich der dualen Ausbildung, eine zweijährige Schulung am Lehrerseminar in Pädagogik und Didaktik. Ein „Erfolgsmodell“, sagt Felix Winkler. Den Direkteinstieg gebe es an beruflichen Schulen „schon ewig“. Die technikpädagogischen Studiengänge, wo Lehrer für die Berufsschule ausgebildet werden, „bringen nur noch wenige Absolventen hervor“.

Doch der Direkteinstieg sei „sehr ambitioniert“, macht Winkler deutlich. Neun Wochenstunden Unterricht im ersten Jahr, im zweiten 18 – das Volldeputat hat 25 –, Vor- und Nachbereitungszeit, Mentorenbetreuung, Ausbildung im Lehrerseminar, das ist anspruchsvoll. Die Abbrecherquote ist hoch. Jeder Vierte bis jeder Dritte „zieht das nicht durch“, sagt der Schulleiter. Vor allem das vorgeschriebene zweite Fach, das braucht, wer dauerhaft in den Schuldienst will, führe oft zur Überforderung. Wie andere Schulleiter fordert Felix Winkler deshalb „den Direkteinstieg auf ein Fach zu reduzieren“.