Björn Höcke versorgt den rechten Rand der Partei mit Nahrung. Das gefällt vielen in der AfD nicht – er hat aber auch mächtige Freunde.Er ist gegen das Verfahren, doch er trägt es mit: Jörg Meuthen. Foto: dpa

Der AfD-Bundesvorstand will den Thüringer Parteichef Björn Höcke aus der Partei ausschließen. Das wird nicht leicht. Denn es gibt hohe Hürden zu überwinden.

Vielleicht hat Jörg Meuthen ja diese Fälle in Erinnerung: Als Erika Steinbach noch dem Bund der Vertriebenen führte, erklärte sie einmal, dass die NSDAP eine linke Partei gewesen sei. In der CDU, der Steinbach damals ebenfalls noch angehörte, dachte manch einer laut über ein Ausschlussverfahren nach. Man hat es dann dabei bewenden lassen.

Das hätte die SPD wohl besser auch, doch sie zog vor sieben Jahren Thilo Sarrazin vor ihr Schiedsgericht. Der ehemalige Berliner Finanzsenator und Vertreter provokanter Thesen („Deutschland schafft sich ab“) einigte sich gütlich mit der Partei – das mit dem Rauswurf, wie von Parteichef Gabriel gewünscht, ging schief.

Gegen Rat von Meuthen

Gegen den Rat ihres Co-Vorsitzenden Meuthen will nun also AfD-Chefin Frauke Petry ihrem Statthalter in Thüringen die Tür weisen. Im Januar hatte Björn Höcke mit Verweis auf das Holocaust-Mahnmal unter anderem gesagt: „Wir Deutschen (...) sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat.“ Außerdem forderte er eine 180-Grad-Wende im Umgang mit der deutschen Vergangenheit. Dass Petry nun im Bundesvorstand die Mehrheit bekommen hat, um ein entsprechendes Verfahren einzuleiten, ist aber nicht mehr als ein erster Schritt. Die Parteiführung, in der Kabale und Intrigen an der Tagesordnung sind, hat das Heft des Handelns an die eigene Schiedsgerichtsbarkeit abgegeben. Die Ränkeschmiederei geht dort weiter. Zudem ist es auch bei einer neutralen Betrachtung des Sachverhaltes nicht so einfach, die Voraussetzungen für einen Rausschmiss Höckes aus der AfD anzunehmen. Kein Wunder, dass dieser dem Verfahren „gelassen“ entgegensieht, wie er sagt.

Dafür gibt es gleich mehrere Gründe. Zum einen die politischen: „Die Schiedsgerichte der Partei sind fast alle in den Händen des radikalen Flügels“, sagte der Politikwissenschaftler Hajo Funke unserer Zeitung. Da der Beschluss des Bundesvorstandes nicht einstimmig erfolgt sei, sieht Funke die erhöhte Wahrscheinlichkeit einer Spaltung: „Das wird vorangetrieben“, so der Spezialist für Rechtsextremismus.

Hohe Hürden für Ausschluss

Namhafte Vertreter der AfD äußerten ihr Befremden über die Entscheidung. Jörg Meuthen, der auch die Fraktion im baden-württembergischen Landtag führt, glaubt nicht, dass der Rauswurf gelingt. „Für einen Parteiausschluss gelten hohe Hürden“,sagt er. Mit dem Beschluss sei der AfD kein guter Dienst erwiesen worden. Meuthen sagt, er habe gegen das Verfahren für einen Parteiausschluss gestimmt, trage ihn jetzt allerdings mit. Der stellvertretende Parteichef Alexander Gauland äußerte sich weniger diplomatisch. Er halte einen Ausschluss Höckes für „völlig verfehlt“.

Gegenüber unserer Zeitung erklärt Meuthen, er sehe in der umstrittenen Rede „weder rassistische noch fremdenfeindliche Tendenzen“, auch wenn er sich die Worte Höckes keinesfalls zu eigen machen wolle. Dass die Schiedsgerichte ein endgültiges Urteil erst nach der Bundestagswahl sprechen werden, hält Meuthen für „möglich“.

Zunächst das thüringische und später das Bundesschiedsgericht der Partei müssen sich nun mit den juristischen Voraussetzungen für einen Parteiausschluss beschäftigen. Die sind nicht leicht zu erfüllen. „Ein Mitglied kann nur dann aus einer Partei ausgeschlossen werden, wenn es vorsätzlich gegen die Satzung oder erheblich gegen Grundsätze oder Ordnung der Partei verstößt und ihr damit schweren Schaden zufügt.“ Das regelt Paragraf 10 des Parteiengesetzes.

Die AfD hat dies in ihre Satzung übernommen und dort zudem weitere – mildere – Maßnahmen aufgeführt. Ausdrücklich heißt es dort, dass Ordnungsmaßnahmen nicht „zum Zweck einer Einschränkung der innerparteilichen Meinungsbildung und Demokratie ergriffen werden“ dürfen. Darauf kann sich Höcke wohl beziehen.

Nicht jede Geschmacklosigkeit ist ein Verstoß

Zudem ist nicht jede Geschmacklosigkeit ein Verstoß gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung, gegen die abendländische Kultur und das friedliche Zusammenleben der Völker Europas. Zu diesen Zielen bekennt sich die AfD. Sollte das Schiedsgericht solch einen Verstoß annehmen, muss man Höcke noch Vorsatz nachweisen.

In der Vergangenheit haben die parteiinternen Schiedsgerichte der AfD-Führung oft die Stirn geboten. Das Bundesschiedsgericht entschied, dass der Landesverband Saarland nicht aufgelöst wird, so wie es der Bundesvorstand beschlossen hatte.

Das Hamburger Landesschiedsgericht hat den Ausschluss des ehemaligen Fraktionskollegen Ludwig Flocken aus der Partei abgemildert und in Niedersachsen hat das Landesschiedsgericht gleich einen ganzen Parteitag gekippt. „Es gab noch keinen einzigen Ausschluss, obwohl das mehrfach möglich gewesen wäre“, sagt der Wissenschaftler Hajo Funke.