Die Crew hat einen Einsatz bekommen. In wenigen Minuten hebt der Hubschrauber ab. Foto: Thomas Krämer

Die Helikopter der Polizeihubschrauberstaffel sind an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr im Einsatz. Sie unterstützen die Kollegen am Boden bei der Suche nach Vermissten und Verbrechern. Die Einsätze sind allerdings gefährlicher geworden. Wir waren dabei.

Filder - Langsam beginnt sich das Rotorblatt zu drehen. Wird schneller. Im Kopfhörer sind die Checks der beiden Hubschrauberpiloten zu hören, dann schwebt Bussard 812 hinüber zu einem mit einem „H“ markierten, asphaltierten kleinen Feld. Hier wird er vom Tower des Flughafens Echterdingen gesehen – und bekommt vom Lotsen die Abflugerlaubnis. Auch ein Polizeihubschrauber kann nicht machen, was er will, er muss sich an Prozedere und Flugrouten halten. „Ausnahmen gibt es nur, wenn es ganz dringend ist“, sagt Sandra. Unter Fliegern wird geduzt.

Sandra ist die Pilotin des Airbus H 145 Helikopters, von dem die Polizeihubschrauberstaffel des Landes sechs Maschinen im Dienst hat. Links neben ihr sitzt Manuel, dessen Aufgabe vor allem ist, die Pilotin zu unterstützen, aber auch die Kommunikation mit den Polizeibeamten am Boden. Und schließlich im hinteren Teil der Maschine Operatorin Tanja, die die Kameras der Maschine bedient, deren Bilder auf einem Monitor vor ihr erscheinen. Vor allem an ihr ist es, vermisste Personen zu entdecken oder Straftäter aufzuspüren. Tagsüber vor allem mit Kameras, die im Bereich des sichtbaren Lichts arbeiten, nachts mit Infrarotkameras, die Wärmequellen weiß erscheinen lassen.

Vor dem Einsatz wirft die Crew einen Blick aufs Wetter

Ganz dringend ist dieser Einsatz nicht. Seit dem frühen Nachmittag wird bei Weinstadt eine über 80 Jahre alte, demente Frau vermisst. Die Suche am Boden war bislang erfolglos, weshalb die Polizei vor Ort um Hilfe aus der Luft gebeten hatte. Kurz nach dem Alarm hatte die Crew in der Einsatzzentrale der Hubschrauberstaffel am Stuttgarter Flughafen die vorhandenen Informationen aufgenommen, noch einen Blick auf das Wetter geworfen, dann den vor dem Hangar stehenden Hubschrauber gecheckt und schließlich die Triebwerke gestartet.

Langsam steigt die Maschine, nimmt Fahrt auf und schwebt über den nördlichen Ausflugspunkt in Richtung Weinstadt. Dort wird mit der Suche begonnen. Beginnend am Wohnort der Frau zieht Bussard 812 seine Kreise, werden die Felder abgesucht, ein Wäldchen, die Weinberge und schließlich das Ufer der Rems. Dann per Funk eine Meldung der Kollegen am Boden. Die Frau ist im Ort gefunden worden. Sandra steuert den Helikopter zur angegebenen Adresse, auf dem Bildschirm ist eine Frau zu sehen, die von den Anwohnern etwas zu trinken bekommt, dann ein Polizeiauto und schließlich ein Rettungswagen. Erleichterung macht sich breit. Auch wenn die Crew die vermisste Frau nicht selbst entdeckt hat, hat sie möglicherweise dazu beigetragen. „Wenn der Hubschrauber über einem Ort schwebt, ist das zwangsläufig zu hören“, sagt Tanja. Und das sensibilisiere die Leute. Eine Viertelstunde später schwebt Bussard 812 wieder über dem „H“ am Flughafen und dann zum Vorfeld vor dem Hangar. Eine kurze Drehung, die Maschine setzt auf. Auftanken, Bericht schreiben, später die Scheiben waschen. Der restliche Dienst verläuft ruhig.

Pilot meldet Laserattacke

Um 21 Uhr kommt das Team der Nachtschicht, Sandra, Manuel und Tanja haben eine Stunde später Feierabend. Für Pilotin Kerstin, Co-Piloten Thomas und Operator Thilo beginnt der Abend ruhig. Die untergehende Sonne färbt den Himmel rot. Die letzten Passagierflugzeuge landen am Flughafen – und einer der Piloten meldet eine Laserattacke. Diese muss von der Polizei verfolgt werden, weil das Leben von mehreren Hundert Menschen gefährdet sein könnte. „Irgendwo in der Gegend von Hemmingen“, hatte die Mitteilung des Jetpiloten gelautet. Also Maschine kurz prüfen, anschnallen, Triebwerke starten und schließlich hoch über die im Dunkel liegende Landschaft fliegen, um mit dem unvermeidbaren Lärm der Rotoren möglichst wenige Menschen zu stören.

Beide Piloten haben das Nachtsichtgerät am Helm befestigt und blicken abwechselnd auf die Instrumente und die wegen der elektronischen Verstärkung grün erscheinende, fast schon taghelle Landschaft. Der Laserschütze hält sich zurück, hat kein Ziel mehr, denn Bussard 812 hatte die Positionslichter abgeschaltet. Also zurück zur Basis. Noch beim Tanken kommt der nächste Einsatz. Eine selbstmordgefährdete Frau wird in einer Klinik bei Calw vermisst, war später im Nachbarort gesehen worden. „Kurze Hose, Top“, erfährt die Crew bei der Vorbesprechung und macht sich auf in Richtung Hubschrauber. Thilo gibt die Adresse in seinen Computer ein, das Ziel erscheint auf einer Karte auf dem Bildschirm. Schon bevor Calw erreicht ist, teilen die Kollegen am Boden mit, dass sie die Frau auf einer Brücke gefunden hätten.

Er sucht mit der Kamera die Häuser ab

Während der Bildschirm das Geschehen am Boden zeigt, zuckt ein blauer Lichtblitz durch die Kabine. „Laserattacke“ ruft Kerstin ins Mikrofon und wendet den Blick ab. Ein weiteres Mal leuchtet es blau auf. Das reicht, um den ungefähren Ort auszumachen. Thilo sucht mit der Kamera die Häuser ab, hofft, den Laserschützen zu finden. Doch der ist nun vorsichtig, die Besatzung entscheidet sich zum Abdrehen.

Über Funk kommt in diesem Moment der Anschlussauftrag rein: „Einbruch in ein Industriegebäude in Wolpertshausen bei Crailsheim.“ Mit 220 Kilometern pro Stunde geht es nun durch die Nacht nach Nordosten. Rund 20 Minuten wird das dauern, man sieht den von Lichter erleuchteten Ballungsraum rund um Stuttgart, dann den dunkleren, weil weniger dicht besiedelten Raum im Nordosten des Landes. Bald darauf geht Bussard 812 rund 600 Meter über dem Ziel in den Schwebeflug.

Thilos Aufgabe ist es nun, den oder die Täter zu finden. „Dächer sind sauber“, gibt er an die Einsatzkräfte am Boden weiter. Mit bloßem Auge sind nur deren Taschenlampen zu sehen. Auf Thilos Bildschirm dagegen werden die Temperaturunterschiede sichtbar. Der immer noch warme Asphalt, die Kollegen mit ihren Autos am Boden – und hoffentlich auch die Täter. Ein weißer Fleck erregt die Aufmerksamkeit des Operators. Beim Heranzoomen wird klar: Es ist kein Mensch, sondern ein Kaninchen, das flüchtet. Also weitersuchen.

Tanken, Papierkram, Ruhepause

Der Airbus-Helikopter ist nun schon eine ganze Weile in der Luft. „Bei spätestens 200 Kilogramm Sprit fliegen wir zurück“, entscheiden die Piloten. Doch so weit kommt es nicht. Nachdem die Umgebung abgesucht ist und nichts entdeckt werden konnte, verabschiedet sich der Bussard in Richtung Heimatbasis. Bald sind der Fernsehturm, dann auch das Lichtermeer des Flughafens und die Filderorte zu erkennen. Kerstin meldet sich beim Tower und bittet um Landeerlaubnis. Kurz darauf schwebt der Bussard über dem „H“, gleitet dann in Richtung Hangar, dreht und setzt sanft auf. Tanken, Papierkram erledigen und ein wenig ausruhen.

„Nachtflüge sind sehr anstrengend für die Crew“, erklärt Michael Bantle, der Leiter der Polizeihubschrauberstaffel. Doch diese Einsätze nehmen zu, weil sie nicht zuletzt dank der modernen Elektronik sehr erfolgreich sind. Man fliegt aber nur, wenn es unbedingt notwendig sei“, sagt Bantle. Denn natürlich störe ein über einem Ort schwebender Hubschrauber die Nachtruhe. Aber diese Einsätze können Leben retten oder helfen, Verbrecher zu fangen. „Im vergangenen Jahr wurden 76 Vermisste gefunden, 29 Straftäter festgenommen und 13 Cannabisplantagen entdeckt“, zitiert er die Statistik. „Die Zahlen in diesem Jahr deuten auf eine deutliche Steigerung hin.“