Die Sängerin Hozan Cane ist nach zwei Jahren Haft in einem Frauengefängnis in Istanbul entlassen worden. Foto: dpa/--

Nach zwei Jahren Gefängnis in der Türkei kommt die Kölner Sängerin Hozan Cane frei. Ihre ebenfalls dort angeklagte Tochter darf das Land aber nach wie vor nicht verlassen. In die Freude mischt sich Enttäuschung und die Frage, wie lange die Kraft noch reicht.

Istanbul/Köln - Nach mehr als zwei Jahren Haft in der Türkei ist die Kölner Sängerin mit dem Künstlernamen Hozan Cane frei. Ihre Mandantin habe das Frauengefängnis im Istanbuler Stadtteil Bakirköy in der Nacht zum Donnerstag verlassen, sagte die Anwältin Newroz Akalan der Deutschen Presse-Agentur. Ein Gericht habe zuvor dem Einspruch der Verteidigung, dass die lange Haftzeit unverhältnismäßig sei, stattgegeben und die Freilassung Canes angeordnet. Es sei allerdings eine Ausreisesperre verhängt worden, sagte Akalan.

Lesen Sie hier: Mit 30 Frauen in der Zelle

Canes Tochter, Gönül Örs, die in der Türkei ebenfalls wegen Terrorvorwürfen angeklagt ist, zeigte sich erleichtert über die Freilassung ihrer Mutter. Sie sei schon im Bett gewesen, als die Anwältin sie informiert habe, erzählte Örs. „Ich bin mit meinem Pyjama ins Taxi und habe sie abgeholt.“

Der Prozess gegen Örs wurde am Donnerstag in Istanbul fortgesetzt. Das Gericht entschied, dass die Ausreisesperre und die Pflicht, sich einmal wöchentlich bei der Polizei zu melden, bestehen bleibe. Örs’ Anwältin Ayse Celik kündigte an, sie wolle die Entscheidung anfechten und kritisierte, dass der Vorsitzende Richter ausgetauscht worden sei. „Ich denke nicht, dass er sich die Akte angesehen hat“, sagte sie nach dem Gerichtstermin vor Journalisten. Er habe seine Entscheidung zu schnell getroffen „und uns noch nicht mal ins Gesicht gesehen“. Auch Örs äußerte sich enttäuscht. Sie habe gehofft, dass die Entlassung ihrer Mutter ein gutes Zeichen sei.

Im August wurde Freilassung noch abgelehnt

Die Sängerin Hozan Cane war kurz vor den Präsidenten- und Parlamentswahlen im Juni 2018 in Edirne festgenommen worden. Im November desselben Jahres wurde sie zu sechs Jahren und drei Monaten Haft wegen Mitgliedschaft in einer Terrororganisation verurteilt. Im August 2020 wurde das Verfahren neu aufgerollt, nachdem das höchste Berufungsgericht das Urteil nicht bestätigt hatte.

Es gebe keine klaren Beweise für die unterstellte Mitgliedschaft in der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK, hieß es zur Begründung. Die Anklage hatte sich unter anderem auf Inhalte von Facebook- und Twitter-Profilen gestützt. Der Fall hatte die deutsch-türkischen Beziehungen belastet.

Der menschenrechtspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Frank Schwabe, der das Verfahren gegen Cane beobachtet, sagte der dpa: „Hozan Cane war zu Unrecht im Gefängnis. Sie ist eine Sängerin, die sich mit ihrer Kunst politisch engagiert hat. Das ist aber kein Verbrechen.“

Beim vergangenen Verhandlungstag im August hatte das Gericht im westtürkischen Edirne die Freilassung der Sängerin noch abgelehnt. Die Sängerin hatte angegeben, dass sie unter schwerem Asthma und Bluthochdruck leide und sich ihr gesundheitlicher Zustand in der Haft verschlechtert habe. Örs sagte, ihrer Mutter gehe es nach wie vor gesundheitlich nicht gut. Sie versuche, für sie stark zu sein, ihr selbst ginge aber langsam die Kraft aus.

Hintergrund war eine Protestaktion auf einem Schiff in Köln

Cane hat kurdische Wurzeln und besitzt allein die deutsche Staatsbürgerschaft. Ihr Prozess wird am 20. Oktober fortgesetzt. Ihrer Tochter Örs wird der Anklageschrift zufolge Terrorpropaganda für die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK, Freiheitsberaubung unter Gewaltanwendung oder Täuschung und „Entführung oder Beschlagnahmung“ von Beförderungsmitteln vorgeworfen.

Hintergrund der Anklage gegen Örs war eine Protestaktion im Jahr 2012 auf einem Schiff in Köln. In Deutschland wurden nach Angaben ihrer Anwältin Ermittlungen gegen Örs in diesem Fall eingestellt. Im Juni war ein Hausarrest gegen die Kölnerin aufgehoben worden, sie darf das Land aber noch immer nicht verlassen. Der Prozess gegen Örs wird am 21. Januar fortgesetzt. Dann wird ein Urteil erwartet.