Die Underwoods (Robin Wright und Kevin Spacey) haben ihren Machiavelli gelesen und nicht vor, aus dem Weißen Haus auszuziehen. Foto: David Giesbrech

Frank Underwood ist zurück. An 30. Mai startet die fünfte Staffel von „House of Cards“. Doch die bitterböse Politkrimi-Serie hat ein Problem: Trump hat ihr alle Ideen gestohlen.

Stuttgart - Die First Lady schimpft auf die Presse, die wieder mal alle Fakten verdreht hat; der US-Präsident bellt im Kongress: „Ich werde mich nicht ergeben!“ Und der totale Krieg, den er gerade dem islamistischen Terror erklärt hat, kommt ihm sehr gelegen, um von den Mordermittlungen abzulenken, in die er verstrickt ist. Das Shakespeare-Jubiläumsjahr ist vorbei. Die meisten Hamlets, Othellos, Lears, Richards und Romeos und Julias sind wieder von der Bühne verschwunden. Die Underwoods, die eigentlich die Macbeths heißen müssten, sind geblieben.

Shakespeares Tragödie schimmert durch alle Szenen der ersten Episoden der fünften Staffel der Netflix-Serie „House Of Cards“, die von Dienstag an in Deutschland zunächst nur von Sky ausgestrahlt wird. Obwohl der Politthriller auf dem gleichnamigen Roman von Michael Dobbs und auf einer britischen Miniserie beruht, ist sie vor allem das: ein grandioses „Macbeth“-Update. Es fehlen zwar die schottischen Highlands und die kruden Weissagungen dreier Hexen. Doch es bleibt der Ehrgeiz, der über Leichen geht. „House Of Cards“ verlegt Shakespeares Tragödie nach Washington, D. C. Der Intrigant und Mörder Frank Underwood (Kevin Spacey), der es bis zum US-Präsidenten bringt, und seine Frau Claire (Robin Wright) sind unschwer als Macbeth und Lady Macbeth zu erkennen. Und das verstörend-intensiv in Szene gesetzte Politdrama beweist eindrücklich, dass Shakespeares Mord-, Verschwörungs- und Rachedramen auch im 21. Jahrhundert ausgezeichnet funktionieren.

Der Politrabauke Underwood hat Konkurrenz bekommen

Bisher zumindest. Denn „House Of Cards“ hat inzwischen ein paar Probleme. Das eine ist hausgemacht. Denn seit sich Underwood auf das Präsidentenamt intrigiert, es also ganz nach oben geschafft hat, wird die Dramaturgie ein bisschen schwerfälliger. Der großartige Kevin Spacey muss nun einen Mann spielen, der von seiner eigenen Hinterhältigkeit zermürbt wirkt, der etwas von seiner Skrupellosigkeit eingebüßt hat. Die Serie stürzt sich deshalb wie ihre Hauptfigur auf Terroristen und auf die Kampagne für Underwoods Wiederwahl.

Das andere – und vielleicht weitaus größere – Problem heißt Donald Trump. Bisher wirkte der hinterhältige, bösartige, gehässige Rüpel namens Underwood wie eine unerhörte Übertreibung des US-Fernsehens, ein zynischer Affront gegen das Politiksystem. Das Fernsehen schien den schlimmsten US-Präsidenten, den man sich vorstellen kann, erfunden zu haben. Doch dann wurde der polternde Populist Trump gewählt, und Underwood sah auf einmal ziemlich blass aus. Robin Wright, die die First Lady in „House Of Cards“ spielt, hat prompt behauptet, Trump hätte den Serienmachern „alle Ideen gestohlen“.

Tatsächlich verschwimmen bei der Auseinandersetzung mit der Serie, die bisher sechs Emmys und zwei Golden Globes gewonnen hat, Realität und Fiktion. Angeblich soll der russische Präsident Wladimir Putin seinem Verteidigungsministerium empfohlen haben, „House Of Cards“ anzuschauen, um so zu lernen, wie US-Politik wirklich funktioniert. Und dass Netflix gerade, um die fünfte Staffel zu bewerben, den Fotografen Pete Souza engagiert hat, der der Cheffotograf des Weißen Hauses war und nach Ronald Reagan oder Barack Obama nun den Präsidenten Frank Underwood in staatstragenden, pseudodokumentarischen Aufnahmen porträtiert, ist ein perfides Spiel der Grenzübertretung.

Das makabre Machtspiel ist längst Selbstzweck geworden

Das gilt auch für die lakonischen Kommentare, mit denen sich Underwood immer wieder direkt an die Zuschauer wendet. Am Ende der ersten Episode der fünften Staffel, wenn sein Krieg gegen den Terrorismus eine entscheidende Wendung genommen hat, schüttelt er mit der First Lady vor dem Weißen Haus die Hände der Demonstranten und sagt erst diesen und dann dem Zuschauer ins Gesicht: „Es gibt nichts, wovor Sie sich fürchten müssen.“

Doch natürlich gibt es allen Grund, sich zu fürchten. Der Auftakt der fünften „House Of Cards“-Staffel findet zu dem düsteren Ton zurück, der die Qualität der Serie ausmacht und inszeniert die Underwoods als eisiges Power-Couple, das seinen Machiavelli genau gelesen hat. Jede Träne, jedes Flüstern, jedes Winken, jedes Augenzwinkern, jeder Wutausbruch – alles ist Teil eines makabren Machtspiels, das längst zum Selbstzweck geworden ist. Und selbst wenn sie abends mal ganz allein sind, können sie nicht aufhören, ihre Rollen als Mr. und Mrs. Macbeth zu spielen.

Ab 30. Mai bei Sky Atlantic HD