Auf Lesbos brannten die Einrichtungen der Asylberhörde. Foto: dpa

Tausende Flüchtlinge leben unter unmenschlichen Bedingungen auf den Inseln in der Ägäis. Schnelle Hilfe ist nicht in Sicht.

Athen - Ioannis Mouzalas kann die Kritik nicht mehr hören. Immer wieder wird dem griechischen Migrationsminister vorgeworfen, sein Land halte in der Flüchtlingskrise die Menschenrechtsstandards nicht ein. Die Lage sei längst nicht so schlimm, wie sie immer wieder geschildert werde, bekräftigte er dieser Tage bei einem Treffen mit Journalisten. „Jeder, der behauptet, man könne die größte Flüchtlingsbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg einfach so in den Griff kriegen, lügt. Wir haben aus dem Schlimmsten das Beste gemacht – es gibt Unterkünfte, die Menschen haben zu essen.“ Aber auch Mouzalas weiß, dass der nahende Winter die Situation weiter verschlimmern wird.

Die Camps sind überfüllt

Vor allem auf den griechischen Inseln wird die Versorgung und Unterbringung der Flüchtlinge zu einem immer größeren Problem. Die Registrierzentren und Flüchtlingslager („Hotspots“) sind hoffnungslos überfüllt – mit fast 16 000 Flüchtlingen und Migranten werden dort derzeit gut doppelt so viele Menschen festgehalten, wie Platz ist. Immer wieder kommt es zu Auseinandersetzungen, sogar Helfer wurden angegriffen. Zuletzt brannte wieder der „Hotspot“ der Insel Lesbos. Nachdem erst im September mehr als die Hälfte des Flüchtlingslagers den Flammen zum Opfer gefallen war, legten Flüchtlinge und Migranten nun erneut Feuer. Sie protestierten gegen den langsamen Fortschritt bei den Asylverfahren – ironischerweise wurden deshalb ausgerechnet die Bürocontainer der europäischen Asylbehörde EASO abgefackelt.

Hilfsorganisationen klagen an

Die EU-Staaten schätzen die Sicherheitslage auf den Inseln offensichtlich als so instabil ein, dass sie keine Asylexperten dorthin entsenden wollen. Es könne vor Ort zu Problemen für das Personal der EU-Agenturen und der Hilfsorganisationen kommen, heißt es in einem internen Papier in Brüssel, über das „Der Spiegel“ berichtete. Grund für die Ausschreitungen seien die unsäglichen Zustände, unter denen die Flüchtlinge hausen müssten, steht in einem Report von Ärzte ohne Grenzen. Diese Entwicklung bestätigt auch Nikitas Kanakis, Chef des griechischen Zweigs der Hilfsorganisation Ärzte der Welt: „Selbst wenn man die schrecklichen Umstände beiseite lässt, unter denen die Flüchtlinge hierhergekommen sind – jeder Mensch würde unter diesen Bedingungen aggressiv werden“, sagt er. Ärzte ohne Grenzen verweist zudem auf den nahenden Winter: Es sei davon auszugehen, dass viele Menschen einen zweiten Winter in Zelten und mangelhaften Unterkünften zubringen müssten. Die medizinische Versorgung sei nicht gewährleistet, den Schutzsuchenden drohten Unterkühlung und Atemwegserkrankungen.

Die Angst der Griechen

Auch die Asylberater, die griechischen Behörden und die Inselbewohner sind inzwischen verzweifelt. „Wie wir es auch machen – es ist falsch und es wird gemeckert“, sagte ein Beamter. „Schicken wir die Menschen im Rahmen des EU-türkischen Flüchtlingspakts schnell zurück in die Türkei, heißt es, wir hätten den Asylantrag nicht anständig geprüft. Dauert es länger, heißt es, wir hätten die Lage nicht im Griff.“ Migrationsminister Mouzalas warnt, dass angesichts der Zustände auf den griechischen Inseln die Stimmung der Bewohner dort kippen könnte. Bis jetzt hätten die Griechen die Flüchtlinge positiv aufgenommen. „Langsam macht sich aber die Angst breit, unsere Inseln könnten das ‚Ellis Island‘ der Europäischen Union werden“, sagt Mouzalas. Ellis Island, eine kleinen Insel vor New York, war über Jahrzehnte die Sammelstelle für die Einwanderer in die USA. Immer wieder appelliert der Minister deshalb, dass mit der Verteilung der Flüchtlinge begonnen werden müsse – bislang mit nur mäßigem Erfolg.