Die Platten an dem neuen Hotel im Europaviertel geben gern der Schwerkraft nach. Es folgen weitere Sicherungsarbeiten. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Mehrfach haben sich Platten am neuen Hotelturm im Europaviertel gelöst, dann gab es auch noch Risse. Der Turm sollte anfangs begrünt werden, nun werden ihn Aluplatten zieren.

Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten – normalerweise. Aber bei der Debatte über die Fassade des Hotelhochhauses im Europaviertel, das seit zwei Jahren die Stadtbibliothek in den Schatten stellt, blieb dieser Streit im Stadtentwicklungsausschuss des Gemeinderats aus. Bis auf die AfD-Fraktion waren sich alle in ihrer vernichtenden Kritik einig.

Eigentlich wollten Axel Möhrle und Sandro Jordan vom Baukonzern Strabag mit ihren Informationen vor dem Gremium lediglich einen Schlussstrich unter Bauschäden und Nachbesserungen ziehen. Der 60 Meter hohe Tower sollte in der ihn umgebenden Betonwüste mal ein Vorzeigeprojekt werden. Das erste begrünte Hochhaus in Stuttgart, eine Art neues Markenzeichen. Es kam anders, weil, so Möhrle, die Begrünung wegen der Vorschriften in Deutschland nicht möglich gewesen sei.

Statt Pflanztrögen Platten aus Glasfaserbeton

Wo die Architekten von RKW Pflanztröge vorgesehen hatte, füllten dann Reliefplatten aus Faserbeton die Lücken. Für die Bauherren des Turm begann am 28. Juni 2021 eine Misere, die sich bis zum Juni 2022 verschärfte. Bei einem nächtlichen Sturm lösten sich glatte Fassadenplatten, weil sie mit zu kurzen Schrauben befestigt worden waren. „Bei der Montage ist das niemandem aufgefallen“, so Jordan im Ausschuss. Das Baurechtsamt reagierte. Das ganze Haus kam unter ein Netz, wurde bis Oktober 2021 saniert. Am 7. April 2022 fielen bei Sturm dann aber erneut Platten vom Haus auf der Seite der Moskauer Straße, auf der Menschen zur Stadtbibliothek oder dem Einkaufszentrum Milaneo flanieren oder in die Hotels im Hochhaus gehen. Ursache war ein Montagefehler. Platten waren nicht korrekt in eine Unterkonstruktion eingehängt worden. Die Gerüstbauer an dem Hochhaus waren da schon geübt. Im Juni 2022 kam dann die nächste Hiobsbotschaft. Man entdeckte Risse in den glatten Platten, im November dann auch in den Reliefplatten. Die Folge: Nun wird bis November 2023 nochmals ausgetauscht. Statt Glasfaserbeton werde bei den Reliefplatten aber „Aluguss in identischer Optik“ verwendet, so Jordan.

CDU: Fassade ist nicht mehr zu retten

Optisch sei das Ergebnis schon bisher „nicht überwältigend“, so die Stadträtin Petra Rühle für die Grünen. Der Wechsel von einer ursprünglichen Begrünung, die die Betonwüste auflockern sollte, auf viel Energie fressendes gegossenes Aluminium sei eine „riesige Peinlichkeit“. Das Urteil von Alexander Kotz (CDU) war so knapp wie vernichtend: „Städtebaulich ist diese Fassade verloren. Da ist nichts mehr zu retten.“ Die Entwicklung bei dem Vorhaben sei „nicht mehr nachvollziehbar“. Das Gebäude sei ein einziger „großer Schadensfall“, sagte Luigi Pantisano für das Linksbündnis. Ohne Hilfe des Gestaltungsbeirats, so der SPD-Fraktionssprecher Stefan Conzelmann, wolle man nicht weitermachen. Den Beirat hatte auch Rühle als Rettungsanker ins Spiel gebracht.

Doch auch das mit Architekten und Fachleuten besetzte Gremium wird nichts mehr korrigieren können. Der Entwurf mit den Reliefplatten sei mit der Stadt abgestimmt, erinnerte Axel Möhrle. „Vielleicht gefällt das niemandem, aber wir wollen an der Optik nichts mehr machen“, so der Strabag-Vertreter. Die Hotelmieter mit drei (Premier Inn) und fünf Sternen (Adina) interessiere weniger die Gestalt als die Lage, und die sei, wie auch die Auslastung, „ausgezeichnet“. Die gestalterischen Ansprüche sind im Gremium nicht gleich verteilt. „Hauptsache, die Fassade hält“, sagte der AfD-Stadtrat Michael Mayer. Dass der Stadt am Ende die Hände gebunden sind, bestätigte Baubürgermeister Peter Pätzold (Grüne). Der Bauherr müsse die Sache reparieren, mehr nicht.