Bilder und Dokumente der ehemaligen Stuttgarter Gestapo-Zentrale Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Alle Projektbeteiligten zeigen sich trotz massiver Spannungen mit der Gedenkstätte zufrieden. Das ist auch der Hartnäckigkeit einer Bürgerinitiative zu verdanken.

Stuttgart - Mit einem Festakt am kommenden Montag, 3. Dezember, öffnet die Erinnerungsstätte Hotel Silber nach 18-monatiger Bauzeit und zehn Jahre, nachdem sich eine Bürgerinitiative gegen den geplanten Abriss der ehemaligen Stuttgarter Gestapo-Zentrale in der Dorotheenstraße 10 gebildet hat. Bei der symbolischen Schlüsselübergabe am Freitag zeigten sich alle am Projekt Beteiligten zufrieden mit dem Ergebnis – trotz der zum Teil massiven Spannungen während Planungsphase. „Jedes Ringen um jeden Satz in der Ausstellung hat sich gelohnt“, sagte Kunststaatssekretärin Petra Olschowski. Wenn die Zahl der Zeitzeugen kleiner werde, müssten Orte wie dieser die Aufgabe der Zeitzeugenschaft übernehmen. Das Bürgerbeteiligungsprojekt, aus dem heraus die die Erinnerungsstätte entstand, sei „einzigartig in Deutschland“.

Finanzstaatssekretärin Gisela Splett (Grüne) bezifferte die Baukosten für das Projekt auf 4,5 Millionen Euro. Die 300 Quadratmeter große Ausstellung selbst schlug mit drei Millionen Euro zu Buche, der laufende Betrieb werde mit 560 000 Euro jährlich kalkuliert. Wie wichtig die Erinnerung sei, betonte Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne): „Wer nicht bereit ist, sich zu erinnern, ist nicht geschützt vor der Wiederholung.“ Die Ausstellung zeige auf, was man hätte vor 1933 wissen können, und sie gebe auch Hinweise darauf, wie eine solche Entwicklung heute zu verhindern wäre.

Die Entstehung der Gedenkstätte verlief „nicht reibungsfrei“

Der OB räumte ein, dass der Prozess der Entstehung der Gedenkstätte nicht „reibungsfrei“ verlief. Ins selbe Horn stieß Thomas Schnabel, der Direktor des Hauses für Geschichte Baden-Württemberg, Träger der Erinnerungsstätte Hotel Silber: „Ich war nicht mit jedem Prozess am Projekt glücklich“, so Schnabel. Letzteres ging wohl vor allem an die Adresse der Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber um deren Vorsitzenden Harald Stingele. Schnabel betonte jedoch: „Ohne die Initiative hätten wir den Ort heute nicht so, wie er ist.“ Das Hotel Silber sei innerhalb Deutschlands etwas ganz Besonderes: „Die Ausstellung zeigt wie der NS-Alltag war, nicht spektakulär, aber mörderisch.“

Stingele nannte zwei „Quellen“, die für den Erfolg des Projekts entscheidend waren: die Hartnäckigkeit der Bürgerinitiative, die den Abriss Hotels Silber verhindert habe, und die Rückendeckung der Zeitzeugen. Dass die Einrichtung erst 73 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs komme, sei im Grunde ein Skandal, so der Vorsitzende der Initiative. Er erinnerte daran, dass es die Stadt schon in den 1980er-Jahren im Anschluss an die damalige Ausstellung „Stuttgart im Dritten Reich“ verpasst hatte, einen dauerhaften Erinnerungsort zu schaffen. „Das war eine verpasste Gelegenheit“, so Stingele. Die Stadt habe jahrzehntelang nicht zu ihrer Geschichte gestanden.

Gedenktafel war viele Jahre versteckt

Beispielhaft dafür sei eine 1988 auf Druck von Bürgern im Gebäude angefertigte Gedenktafel, die an die Opfer der Gestapo im Hotel Silber erinnern sollte, die dann aber im damaligen Finanz- und Innenministerium bewusst versteckt angebracht worden war. „Die Tafel wurde jetzt in die Ausstellung integriert“, erklärte die Ausstellungsleiterin Paula Lutum-Lenger.

Im Erdgeschoss des Hotels Silber wird zunächst auf die Entstehungsgeschichte der Gedenkstätte eingegangen. Im Untergeschoss des Hauses ist eine Verwahrzelle rekonstruiert, wie sie von 1928 bis 1948 bestand. Die Dauerausstellung befindet sich im ersten Obergeschoss. „In jedem Ausstellungsraum steht ein Schreibtisch, auf dem Dokumente belegen, was in der Gestapo-Zentrale ganz konkret passiert ist“, so Lutum-Lenger. So ist unter anderem nachzulesen, wie von Stuttgart aus die Ermittlungen gegen den Hitler-Attentäter Georg Elser geführt wurden. Auch belegt die Schau, wie sich aus den Stuttgarter Gestapo-Beamten willfährige Täter der Tötungsmaschinerie rekrutierten. Walter Stahlecker, der zwischen 1934 und 1936 Leiter der Stuttgarter Gestapo war, zeichnete als späterer Befehlshaber der Einsatzgruppe A verantwortlich für die Ermordung von mehr als 200 000 Juden im Baltikum.

14 Gestapo-Leute haben später noch bei der Kripo gearbeitet

Die Ausstellung zeigt darüber hinaus, dass nach 1945 die Kriminalpolizei zwar bestrebt war, ihre Vergangenheit aufzuarbeiten, dass es aber gleichzeitig auch Konstanten gab: Nach 1945 arbeiteten immer noch 14 ehemalige Gestapo-Mitarbeiter bei der Stuttgarter Kripo.

Nach dem 4. Dezember startet das „Hotel Silber“ mit einer Veranstaltungswoche: Von Dienstag bis Freitag werden um 12.30 Uhr Kurzführungen, um 17 Uhr Vorträge angeboten. Am 5. Dezember um 19 Uhr findet ein Zeitzeugengespräch statt. Am Wochenende 8./9. Dezember stehen unter anderem Lesungen und Stadterkundungen auf dem Programm. Der Eintritt zur Gedenkstätte ist bis Ende 2019 frei.

Informationen zum Begleitprogramm unter: geschichtsort-hotel-silber.de