Unten ist oben: beim Bühnenprojekt der Hospizinitiative wird das Thema Sterben vielfach beleuchtet. Foto: factum/Granville

Die Ökumenische Hospizinitiative im Landkreis wird 20 Jahre alt. Zu diesem Anlass unterzeichnen Vertreter der Kirchen und des Landkreises eine Charta für mehr Würde beim Sterben. Und ein Bühnenprojekt über die Sterbebegleitung gibt’s auch.

Kreis Ludwigsburg - Gisela Vogt und Sabine Horn fiebern diesem Freitag entgegen. Dann können die 1. Vorsitzende und die Geschäftsstellenleiterin der Ökumenischen Hospizinitiative im Landkreis Ludwigsburg die Früchte ihrer Arbeit einfahren: Seit nunmehr zwei Jahren läuft der Prozess der Umsetzung der „Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen in Deutschland“, einer nationalen Strategie, die allen Menschen ein Recht auf Sterben unter würdigen Bedingungen ermöglichen soll und dafür fünf verschiedene Bereiche fokussieren und fördern möchte: Aus-, Fort- und Weiterbildung, Forschung, Politik, Qualitätsmanagement und allgemeine Zugänglichkeit der Versorgung mit Arzneimitteln. Am Freitagabend werden die Vertreter der Kirchen sowie der Landrat Rainer Haas und Ludwigsburgs Oberbürgermeister Werner Spec im Landratsamt die Charta unterzeichnen.

„Damit wird in unserem Landkreis ein besonderer Akzent gesetzt“, freut sich Gisela Vogt. Baden-Württemberg sei in dieser Hinsicht deutschlandweit Schlusslicht. Ein Blick auf die Homepage der Charta zeigt: Tatsächlich gibt es beispielsweise in Bayern dreimal mehr Unterzeichner als in Baden-Württemberg. Die internationale Initiative wird in Deutschland von der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin, dem Deutschen Hospiz- und Palliativverband und der Bundesärztekammer getragen.

Ein Bühnenprojekt gibt es auch

Die Unterzeichnung ist der Höhepunkt der Feierlichkeiten anlässlich des 20. Jubiläums der Hospizinitiative. Ebenso wurde ein Bühnenprojekt auf die Beine gestellt (siehe Infokasten). Begonnen hat die Initiative im Jahr 1996 ganz klein, mit 29 Mitgliedern. Heute sind es 160. Der Verein ging aus dem „Freundeskreis Hospiz“ hervor, einer Initiative der evangelischen und katholischen Kirche im Landkreis, der Caritas, der Diakonie und der Karlshöhe. Das ursprüngliche Ziel war es, ein stationäres Hospiz aufzubauen. „Aber da waren die Bietigheimer schneller“, sagt Sabine Horn. Im Jahr 2000 eröffnete dort ein Hospiz im Stadtteil Buch – und ein Hospiz im Landkreis sei genug, sagt Horn.

Die Ludwigsburger Hospizinitiative verlegte den Fokus daraufhin auf die ambulante Betreuung Schwerkranker und Sterbender. Im Jahr 2007 kam ein ambulanter Kinder- und Jugendhospizdienst dazu. „Dort, wo Menschen sind, kommen wir auch hin“, sagt Gisela Vogt. „Dem Sterben ein Zuhause geben“, sei das Motto. Im vergangenen Jahr wurden so 99 Personen begleitet – im Krankenhaus, im Pflegeheim, und auch Zuhause.

Nur jeder Fünfte stirbt zu Hause

Denn die meisten Menschen wünschten sich, zu Hause sterben zu können, sagt Horn. In Baden-Württemberg schaffe das aber nur jeder Fünfte. Meist komme der Tod im Krankenhaus oder im Pflegeheim. Krebs sei im vergangenen Jahr die häufigste Todesursache bei den begleiteten Menschen gewesen, sagt Horn. Auffällig sei, dass die Altersspanne der betreuten Menschen im Laufe der Jahre nach unten gegangen sei. „Wir haben heute auch 36-Jährige unter unseren Klienten“, sagt Horn.

Der Verein hat derzeit sechs Mitarbeiter und knapp 70 Ehrenamtliche, die in Kursen auf ihre Aufgabe vorbereitet wurden. Das jährliche Budget von 500 000 Euro wird zu zwei Dritteln über Spenden, zu einem Drittel durch Fördergelder der Krankenkassen gedeckt. Der Dienst ist kostenlos für die Angehörigen. Als Herausforderung für die Zukunft sieht Gisela Vogt die Sterbebegleitung bei Angehörigen anderer Kultur- und Religionskreise, beispielsweise bei Flüchtlingen. „Bisher haben wir nur wenige muslimische Klienten. Da scheint die Familienstruktur noch zu greifen“, sagt Horn.

Infokasten

Geschichte
„Vom Kommen und Gehen – Lebens- und Liebesgeschichten“ heißt das Bühnenprojekt, das die Ökumenische Hospizinitiative im Landkreis Ludwigsburg anlässlich ihres Jubiläums in Kooperation mit der Tanz- und Theaterwerkstatt Ludwigsburg erarbeitet hat. Die ursprüngliche Idee kam von Sabine Horn, der Geschäftsführerin der Hospizinitiative. „In 20 Jahren Hospizarbeit haben die Ehrenamtlichen so viel erlebt“, sagt Horn. Eine Gruppe Ehrenamtlicher nahm an einer Erzählwerkstatt der Erzählerin Odile Néri-Kaiser teil, daraus entstanden Geschichten, die verschiedene Facetten des Themas Sterben beleuchten – und zwar nicht nur die schweren Momente. „Es gibt auch viel Lachen in der Sterbebegleitung“, sagt Horn. Um die Schweigepflicht nicht zu verletzen, habe man Namen geändert oder auch mal Erlebnisse mit zwei Klienten in einer Person verdichtet.

Assoziation
Fünf Ehrenamtliche entwickelten dann gemeinsam mit der Choreografin und Regisseurin Nina Kurzeja und dem Schauspieler Luis Hergón ein Bühnenstück, das sich mit Gesang, Tanz, Schauspiel, Videoprojektionen und Musik mit dem Thema Sterben auseinandersetzt. So soll ein großes Assoziationsfeld entstehen. „Kein Sterben ist wie das andere“, sagt Kurzeja.

Termin
Das Stück hat am Freitag seine Premiere, die Veranstaltung ist jedoch nur für geladene Gäste. Öffentliche Vorführungen gibt es am Sonntag um 18 Uhr sowie am Montag um 11 Uhr in der Reithalle im Kunstzentrum Karlskaserne in Ludwigsburg. Der Eintritt ist frei, es wird um Anmeldung gebeten unter info@tanzundtheaterwerkstatt.de.