Annedore Napiwotzky erläutert das Motto des Fachtags. Foto: Jens Noll

Das Sterben ist ein Teil des Lebens. Diesem Grundsatz folgt die Hospizarbeit. Rund 900 Haupt- und Ehrenamtliche haben sich beim Fachtag in der Filderhalle ausgetauscht.

Leinfelden - Sterben ist ein Teil des Lebens“, lautet ein Grundsatz des Hospizgedankens. Hospizdienste begleiten unheilbar Kranke und Sterbende auf ihrem letzten Lebensweg, sie bieten den Angehörigen Unterstützung, auch über den Tod hinaus. Das Hospiz Stuttgart betreibt einen ambulanten und stationären Hospizdienst und berät als Kompetenzzentrum für palliative Pflege alle im Gesundheitswesen Tätige. Derzeit bemüht sich die Einrichtung um den Ausbau der Kinder- und Jugendhospizarbeit. Für die Einrichtung eines stationären Kinderhospiz hat sie bereits eine Villa in Stuttgarter Halbhöhenlage erworben.

Trotz einer Thematik, bei der es um viel Leid und Unglück geht, hatten das Hospiz Stuttgart und die Stiftung Kinderland Baden-Württemberg als Veranstalter des sechsten Fachtags der Hospizarbeit in der Filderhalle am Mittwoch Grund zur Freude: Das Hospiz feiert sein 25-jähriges Bestehen und die Stiftung schließt erfolgreich den Ausbau der Kinder- und Jugendhospizarbeit in Baden-Württemberg ab. Dank der Unterstützung des Projekts mit 320 000 Euro durch die Stiftung steht erstmals jeder Familie im Land, deren Kind unheilbar erkrankt ist, ein kostenloser Kinder- und Jugendhospizdienst in Wohnortnähe zur Verfügung.

Wunsch nach Betreuung ist groß

Wege gehen, die die Mühe lohnen: So lautete das Motto des Fachtags , an dem 900 Menschen aus ganz Deutschland teilnahmen, die sich haupt- und ehrenamtlich in der Hospizarbeit engagieren. „Es ist schön, dass Sie hier sind und dafür sorgen, dass die Menschen immer im Mittelpunkt Ihrer Hospizarbeit bleiben“, sagte Annedore Napiwotzky, Gesamtleiterin des Hospizes Stuttgart, in ihrer Begrüßungsansprache.

„Sie leisten einen unverzichtbaren Beitrag, dass Menschen auf ihrem letzten Lebensweg begleitet werden und in Würde sterben dürfen“, sagte Christoph Dahl, Geschäftsführer der Baden-Württemberg Stiftung. Die Stiftung Kinderland ist deren Unterstiftung. „Sie hat sich auf die Fahnen geschrieben, die Zukunftsfähigkeit des Landes zu fördern“, erklärte Dahl. Dazu gehöre, Kindern und Jugendlichen im Land eine chancenreiche Zukunft zu eröffnen. Für rund 3000 von ihnen ist die Zukunft jedoch aufgrund einer lebensverkürzenden Krankheit begrenzt. Da der Wunsch nach einer Betreuung von todkranken Kindern und ihren Angehörigen in großem Umfang vorhanden sei, war die Entscheidung zur Unterstützung des Projekts laut Dahl „goldrichtig und wichtig“.

„Sterbebegleitung bei jungen Menschen ist häufig ein langer Prozess“, berichtete Katrin Altpeter, Landesministerin für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren, in ihrer Rede und forderte: „Familien dürfen nicht alleingelassen werden.“ Vor 25 Jahren stand die Hospizbewegung noch ganz am Anfang. Heute finde der Leitgedanke mehr Beachtung, doch es fehlen laut der Ministerin noch einige Bausteine, damit mehr Menschen, wie zumeist gewünscht, zu Hause im Kreis der Familie sterben können. „Damit diese Bausteine ein tragfähiges Fundament bilden, bedarf es Netzwerken vor Ort“, sagte sie und ergänzte: „Eine gute palliative Versorgung ist ohne Ehrenamtliche nicht möglich.“

„Kritische Kraft gegenüber dem Gesundheitssystem“

Über die Hospizgeschichte in Deutschland referierte Andreas Heller, Professor an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, Wien, Graz. „Die Hospizbewegung hat eine unglaublich kritische Kraft gegenüber dem Gesundheitssystem“, sagte er. Viele Ethikkomitees in Krankenhäusern könnten von der Hospizarbeit noch lernen, wie man Betroffene beteiligen und intensiver auf ihre Bedürfnisse eingehen könnte. Wie Heller forderte, müsse eine zukunftsfähige Zivilgesellschaft dafür sorgen, „dass die Menschlichkeit in unserem Lande nicht zugrunde geht.“

Birgit Weihrauch, die Vorstandsvorsitzende des Deutschen Hospiz- und Palliativverbands, setzte Hellers Argumentation fort. Als junge Ärztin sah sie in den Siebziger Jahren in Krankenhäusern mit an, wie Sterbende regelrecht in Badezimmer abgeschoben wurden. „Wir haben die Hospizbewegung immer auch als eine Bürgerrechtsbewegung verstanden“, berichtete sie. Um diese Bewegung weiterzutragen und sich über neue Perspektiven auszutauschen, saßen die Teilnehmer des Fachtags am Nachmittag in vierzehn Workshops zusammen.