Markenzeichen des Hospitalviertels: die blauen Stühle Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Die Förderung des Projektes Wanderstuhl endet. Daher hofft der Hospitalviertelverein auf einen Zuschuss über den Bürgerhaushalt, damit die blauen Stühle weitere fünf Jahre das Viertel aufwerten.

Stuttgart - An den ersten schönen Sonnentagen im Jahr beginnt auch der Platz rund um die Hospitalkirche wieder zu leben. Menschen verbringen gerne Zeit im historischen Quartier. Vor allem um die Mittagszeit pulsiert das Viertel. Allerdings stellen derzeit viele ernüchtert fest: Die blauen Stühle, die inzwischen zum Markenzeichen des Viertels geworden sind, fehlen. Kommen sie etwa gar nicht mehr zurück? Eberhard Schwarz, Hospitalkirchen-Pfarrer und Vorsitzender des Hospitalviertelvereins, bittet um Geduld: „Am 1. April werden die 30 blauen Stühle wieder ausgewildert.“

Tatsächlich ist das Projekt „Wanderstuhl – mobile Stühle für das Hospitalviertel“ ein Erfolgsmodell. Es wurde im Rahmen der Sanierung des Hospitalviertels ins Leben gerufen. 2015 wurden zum ersten Mal Stühle gesammelt, lackiert und aufgestellt. Seitdem werden die Stühle durch das Forum Hospitalviertel e.V. betreut. Doch inzwischen ist die Förderung im Rahmen der Sanierung ausgelaufen. Mit anderen Worten: der Verein braucht Geld, um das Projekt weiterführen zu können. Pfarrer Schwarz erklärt, dass die Stühle immer wieder „aufgearbeitet, lackiert und betreut werden müssen“. Dies sei bisher durch die Förderung über Menschen auf dem zweiten Arbeitsmarkt geschehen. Aus diesem Topf wurden auch immer wieder neue Stühle (Schwarz: „Sie sind sehr beliebt – daher gibt es auch Schwund.“) angeschafft. „Für all das brauchen wir Mittel“, erklärt Eberhard Schwarz und konkretisiert: „Wir erhoffen uns über den Bürgerhaushalt eine jährliche monetäre Förderung für unsere blauen Stühle auf dem Hospitalplatz und in der Büchsenstraße.“

Mehr Aufenthaltsqualität

Damit nicht genug. Der Hospitalviertelverein hat noch eine zweite Sache in den Bürgerhaushalt eingebracht. Der andere Vorschlag weist auf einen fast vergessenen Erinnerungsort der deutscher Demokratie-Geschichte hin, den Schwarz und der Verein wieder zum Leben erwecken will. Es geht um das so genannte Leuschnerplätzle, der an der Ecke Fritz-Elsas-Straße / Leuschnerstraße. Das Pätzle sei aktuell in einem schlechten städtebaulichen Zustand. Im Grunde seien es nur mehrere Parkplätze und eine Litfaßsäule. Kurzum: ein Platz mit wenig Aufenthaltsqualität.

Laut Eberhard Schwarz liegen derzeit mehrere Planungen, auch städtische, für eine Verbesserung der Situation vor. Aber umgesetzt wurden bisher eben nichts. Dennoch markiere dieser Ort einen wichtigen Meilenstein der Demokratiegeschichte: Als im Juni 1849 das sogenannte Stuttgarter Rumpfparlament, aus Frankfurt vertrieben, ins liberalere Stuttgart floh und schließlich mit militärischer Gewalt aufgelöst wurde, endete das erste Demokratieprojekt auf deutschem Boden. Das Leuschnerplätzle sei damit nicht nur ein bedeutsames Zeugnis für die Zerbrechlichkeit von Demokratie, sondern zugleich ein symbolischer Meilenstein auf dem Weg zur heutigen Zivilgesellschaft mit ihren demokratischen Beteiligungsstrukturen.

Leuschnerplätzle als Erinnerungsort

In Zeiten, in denen sich die Demokratie immer öfter großen Gegnern entgegensetzen müsse, so argumentiert der Verein, brauche es Orte, an denen nationale Ereignisse sichtbar werden und durch Reflexion der Geschichte ein Gespräch über die Zukunft unserer Zivilkultur entsteht. Deshalb lautet der Appell des Hospitalviertelvereins: „Gebt diesem Ort endlich den Raum und das Gesicht, das ihm zusteht.“ Die Planung für das Leuschnerplätzle könnte auf den bestehenden Planungen aufgebaut werden. Die Entwicklung dieses Ortes könnte als Prototyp für eine Entfaltung von „Orten der Demokratie“ in ganz Stuttgart gesehen werden und ein Zeichen für die Demokratie und gegen sich manifestierende Entwicklungen setzen.