Es ist nun an Innenminister Seehofer, auf internationalem Parkett die Flüchtlingsrücknahme-Abkommen der Kanzlerin auszuhandeln – nicht eben seine Lieblingsbeschäftigung.
Berlin - An seinem 69. Geburtstag hat sich Horst Seehofer am Mittwoch im Bundestag viel Häme anhören müssen. Der Rücktritt vom Rücktritt wegen des dann doch noch bereinigten Asylstreits mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) war natürlich Gesprächsthema. Spott musste der Innenminister aber auch wegen der nun auf ihn zukommenden Riesenaufgabe über sich ergehen lassen.
„Ich glaube, im Bundeskanzleramt biegen die sich vor Lachen, Herr Seehofer“, lästerte FDP-Chef Christian Lindner, weil der CSU-Chef nun genau jene europäische Lösung ins Werk setzen muss, auf die er doch nicht warten wollte. Schließlich beinhaltet der Unionskompromiss zwar Zurückweisungen an der Grenze, aber eben nur auf Grundlage von Abkommen und Verwaltungsvereinbarungen mit den jeweils betroffenen EU-Staaten, die auszuhandeln Sache des Bundesinnenministeriums ist.
Den Auftakt bildet an diesem Donnerstag Seehofers Besuch in Wien, wo er der österreichischen Regierung schmackhaft machen soll, dass die Alpenrepublik zusätzliche Flüchtlinge aufnehmen soll – wenn sich beispielsweise Italien weiterhin weigern sollte, bei sich registrierte Asylbewerber zurückzunehmen, die an der bayerisch-österreichischen Grenze aufgegriffen werden.
Weil das nicht ganz einfach werden dürfte, hat eine Sprecherin des Innenministeriums am Mittwoch schon einmal die Erwartungen gedämpft, dass gleich ein Abschluss gelingen könnte: „Es geht um Gespräche zur Herbeiführung von Vereinbarungen.“ Parallel muss der Bundesinnenminister daher natürlich auch versuchen, die populistische Links-Rechts-Regierung in Rom zu einem entsprechenden Abkommen zu überreden. Was bisher auch Kanzlerin Merkel nicht gelungen ist, hat nun ihr Minister Seehofer am Bein. Die erste Gesprächsgelegenheit ergibt sich kommende Woche in Innsbruck, wenn dort im Zuge der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft Europas Innenminister zu informellen Beratungen zusammenkommen – unter anderem auch Matteo Salvini, Chef der stramm rechten Regierungspartei Lega.
Seehofer gilt nicht als Fan europäischer Verhandlungsrunden
Als ob das nicht schon Herausforderung genug wäre, ist Seehofer – um es vorsichtig zu formulieren – nicht der größte Fan europäischer Verhandlungsrunden. Zwar erinnern sie in seinem Umfeld daran, dass ihr Chef einmal in der Unionsfraktion für Europa zuständig war und auch als Bundeslandwirtschaftsminister in manch Brüsseler Verhandlungsnacht Agrarreformen und Fischfangquoten ausgehandelt hat. Das ist aber alles schon eine ganze Zeit her – seit Jahren hält es der CSU-Parteivorsitzende eher für Zeitverschwendung, bei den Treffen der christdemokratisch-konservativen Parteienfamilie EVP aufzutauchen.
Aktuell wundert man sich in Belgiens Hauptstadt dieser Tage schon gehörig darüber, dass der Mann, der von Amts wegen für die geplante Großreform des EU-Asylsystems zuständig ist, sich seit seinem Amtsantritt noch gar nicht hat blicken lassen. Zur Ministersitzung Anfang Juni in Luxemburg – immerhin die letzte vor dem EU-Gipfel, wo noch eine Annäherung in der strittigen Asylbewerber-Verteilungsfrage hätte erreicht werden können – schickte Seehofer seinen Staatssekretär Stephan Mayer. Der eigentlich obligatorische Antrittsbesuch bei der Europäischen Kommission? Fehlanzeige bisher.
Seehofers Leute sehen im geringen Auslandsengagement ihres Chefs, die übrigens rein gar nichts mit Flugangst zu tun haben soll, kein Hindernis. Die Verwaltungsvereinbarungen sollen vorrangig Sache der Staatssekretäre werden. Nur wenn es hakt, soll der Minister selbst aktiv werden. Dafür mangelt es ihm nach Ansicht seines Umfelds auch nicht an Kontakten. „Es stimmt, dass sich Horst Seehofer nicht um jede Reise reißt“, heißt es da: „Das muss er aber auch gar nicht, weil viele europäische Gesprächspartner zuletzt zu ihm nach Berlin gekommen sind.“ Und auch die Tatsache, dass Seehofers Englisch nicht unbedingt Oxford-Niveau hat, gilt seinem Team nicht als Problem: „Es gibt ja Dolmetscher.“