Das völlig zerstörte Auto von Formel-1-Pilot Jules Bianchi unter dem Bergungskran – hätte der Unfall verhindert werden können? Foto: HIROSHI YAMAMURA

Es waren viele unglückliche Umstände, die beim Großen Preis von Japan zum schweren Unfall des Franzosen Jules Bianchi (25) führten. Aber die so auf Sicherheit bedachte Formel 1 muss sich auch Fragen gefallen lassen.

Wie geht es Jules Bianchi?
Sein Zustand sei weiterhin „kritisch, aber stabil“, hieß es zunächst von Seiten des Automobil-Weltverbandes Fia. Am Montagabend sagte Fia-Sprecher Matteo Bonciani, dass „verstanden werden muss, dass die Lage sehr, sehr ernst“ sei. Konkretere Angaben machte er nicht. Nach Informationen französischer Medien habe sich der Zustand noch nicht signifikant verbessert. Angeblich ist der Marussia-Pilot, der zum Ferrari-Nachwuchsprogramm gehört, in der Nacht nach seinen schweren Verletzungen zum zweiten Mal am Kopf operiert worden, nachdem es zu weiteren Blutungen gekommen war. Die Klinik lehnte nähere Auskünfte ab. „Jules ist ernsthaft verletzt“, sagte sein Vater Philippe Bianchi. Gemeinsam mit seiner Frau Christine und Manager Nicolas Todt traf er am Montagabend im Mie General Medical Center im japanischen Yokkaichi ein. Ein Bulletin sei nicht vorgesehen. Der englisch-russische Marussia-Rennstall bat in einer Pressemitteilung „um Geduld und Verständnis“ für die Zurückhaltung.
Hätte der Unfall verhindert werden können?
Zumindest muss sich die Formel 1 nach dem schrecklichen Unfall einer neuen Gefahrendiskussion stellen. Es tauchten einige kritische Anmerkungen auf. Die extremen Wetterbedingungen waren absehbar. Das Rennen angesichts der heraufziehenden Regenfront (es war noch nicht der befürchtete Taifun) überhaupt zu starten, wurde von Kritikern als fahrlässig eingestuft. Ziemlich unstrittig ist: Der tonnenschwere Radlader mit Eisenkorpus, der zur Bergung von Adrian Sutils Sauber ausgerückt war und gegen den Bianchi geprallt war, sollte nicht auf das Pistengelände fahren, wenn das Rennen noch läuft. Mit einem Bergekran (hinter den Sicherheitsbarrieren und Leitplanken) wäre es nicht zu dem schrecklichen Unfall gekommen. Allerdings benötigt es für diese Kolosse (oft 55 Tonnen schwer) Asphaltflächen mit ausreichender Statik und auch eine ordentliche Zufahrt.
Welche Fragen sind von der Rennleitung bisher unbeantwortet?
Warum wurde das sogenannte Safety-Car vor dem Start praktisch zur Prophylaxe aktiviert, nicht aber nach dem Unfall von Adrian Sutil? Reichen doppelt geschwenkte Gelbe Flaggen als Warnhinweis für die Fahrer aus? Und weshalb schwenkte ein Streckenposten an der Unfallstelle gut sichtbar eine Grüne Flagge?
Wie reagierten Fahrer und Teams?
Einige Fahrer und Teamvertreter beklagten die schlechte Sicht, weil das chaotische Regenrennen noch in vollem Gange war, als die Lichtverhältnisse nachließen. „Sie haben das Rennen zu spät beendet“, kritisierte Williams-Pilot Felipe Massa. Williams-Ingenieur Rob Smedley sprach von den dunkelsten Verhältnissen in den 15 Jahren, die er in der Formel 1 sei. Klar ist: Lässt die Sicht bei einbrechender Dunkelheit nach, droht Gefahr. Nasse Stellen auf der Strecke sind schwerer auszumachen. „Man hätte früher starten können, darüber gibt es keine Diskussion“, befand Mercedes-Teamaufsichtsratschef Niki Lauda. Die Fia konnte sich mit den Betreibern und den Vermarktern aber offensichtlich nicht einigen. Rennstreckenbesitzer Honda soll sich gegen eine Vorverlegung des Starts gesträubt haben.
Was kann künftig getan werden?
Die Bergungstrucks könnten ähnlich wie die Streckenbegrenzung verkleidet werden, wie es bereits im US-Rennsport gehandhabt wird. Zum anderen bleibt der Cockpit-Schutz ein aktuelles Thema – der Kopf der Fahrer ist in den offenen Autos bisher kaum geschützt. Dies bleibt die Schwachstelle der modernen Sicherheitsautos. Schon seit Jahren wird die Umsetzung intern diskutiert, um zwei Varianten geht es dabei hauptsächlich: So wurden bereits Hüllen aus transparentem Polykarbonat getestet, die das Cockpit wie bei einem Kampfjet überdecken. Auch eine Gitterkonstruktion wurde geprüft. „Darüber haben wir in den technischen Arbeitsgruppen gesprochen. Das Kapitel ist noch nicht ganz abgeschlossen“, sagte Williams-Ingenieur Smedley: „Aus technischer Sicht wäre das sehr einfach zu implementieren.“ Ein fertiges Konzept gibt es allerdings nicht. Der frühere Weltmeister Jacques Villeneuve forderte eine Änderung der Safety-Car-Regeln: „Es sollte eine Regel geben, nach der bei jedem Unfall das Safety-Car kommt – ganz egal, wie schlimm es auch sein mag.“