Gleichgeschlechtliche Paare (hier eine Demonstration in St. Petersburg) sieht man in Italien eher selten. Foto: EPA

Seit einem Jahr gibt es auch in Italien die gleichgeschlechtliche Zivilehe. Doch das Gesetz gilt als nicht komplett. Viele Homosexuelle trauen sich nach wie vor nicht, ihre Beziehung offen zu leben.

Rom - Ihre erste Verabredung führte sie ins Teatro Communale von Florenz, wo sich die beiden „die Hochzeit des Figaro“ von Mozart ansahen. „Man kann sicher nicht sagen, dass es für den armen Figaro einfach war – doch zu guter Letzt konnte er seine geliebte Susanna ja doch an seinem ,tollen Tag’ zum Traualtar führen“, schreiben Giancarolo Mordini und Angelo Savelli in der Zeitung „La Repubblica“ und fügen hinzu: „Unser ,toller Tag’ hat 37 Jahre auf sich warten lassen.“ Vor drei Wochen haben sich die beiden in Florenz das Jawort gegeben.

Wo in anderen europäischen Städten wie in Wien bereits homosexuelle Ampelmännchen das Stadtbild prägen, sieht man in Italiens Hauptstadt eher selten, dass sich zwei Männer oder zwei Frauen in der Öffentlichkeit an der Hand halten. Dabei hat sich in den vergangenen Jahren auch hier einiges getan. Vor einem Jahr hat Italien als letztes westeuropäisches Land ein Gesetz verabschiedet, das die Zivilehe für Homosexuelle erlaubt, die sogenannte „unione civile“. Am 11. Mai 2016 wurde das Gesetz im Parlament mit 372 Ja- und 51 Neinstimmen angenommen. Am 5. Juni trat es schließlich in Kraft.

3000 Paare in ganz Italien

Bis heute haben sich in ganz Italien etwa 3000 homosexuelle Paar das Jawort gegeben. Die Verabschiedung des Gesetzes, das als „legge Cirinnà“ nach der Senatorin Monica Cirinnà benannt ist, die den Entwurf für das Gesetz im Sommer 2015 in den Senat einbrachte, war für viele ein wichtiger Schritt, aber gleichzeitig auch nur ein Anfang. „Das Gesetz kam sehr spät, und es ist noch nicht komplett“, sagt Francesca Gernini. Die 46-Jährige arbeitet als Kamerafrau für einen italienischen Fernsehsender. „Ich bin Teil einer Generation“, so Gernini, „die in der Mitte steht zwischen denjenigen, die ihre Homosexualität verstecken mussten, um die Familie nicht zu kränken und aus Scham gegenüber der Gesellschaft, und den jungen Menschen von heute, die sich ihrer Orientierung schon früh bewusst sind und sich mit großer Unbekümmertheit outen. Die Glücklichen.“ Das zeige doch, dass eine langsame kulturelle Wandlung im Gange ist.

Gesetz lässt Wünsche offen

„Es ist ein wichtiger Anfang, aber es gibt noch viel zu tun“, sagt auch Paola Concia, die von 2008 bis 2013 Abgeordnete der Partito Democratico im italienischen Parlament war. Seit ihrem Ausscheiden lebt die 53-Jährige mit ihrer deutschen Frau Ricarda in Frankfurt, wo die beiden 2011 geheiratet haben. Es fehle zum Beispiel noch immer die Möglichkeit der Stiefkind-Adoption durch den Partner. „Und auch das Antidiskriminierungsgesetz, das sie 2008 auf den Weg gebracht haben, ist bis heute noch nicht vom Parlament verabschiedet worden“, so Concia.

„Die politische Entscheidung ist gut, aber sie muss im sozialen Leben erst noch ankommen“, sagt Fabrizio Marrazzo, Sprecher von Arcigay in Rom, der größten LGBTI-Vereinigung in Italien. Er berichtet von seinen Erfahrungen, die er als Betreuer der Gay Help-Line, einer Art Telefon-Kummerkasten für Homosexuelle, gesammelt hat: „Es rufen Leute an, die fragen, wie sie verhindern können, dass bei der Schließung der „unione civile“ ihr Arbeitgeber davon erfährt. Sie nehmen auch nicht den ihnen zustehenden Extraurlaub für eine Eheschließung, sondern einfach einen ihrer normalen freien Tage.“

Angst vor dem Anderen

Woran das liegt? Paola Concia erklärt es sich damit, dass die Italiener eher resistent sind gegenüber sozialen Veränderungen. „In Italien gibt es diese Angst vor dem Anderen“, sagt sie. Homosexuelle würden sich auch heute oft noch aus Angst vor Ausgrenzung verstecken. „Auch Ricarda und mir ist es passiert, dass wir angepöbelt und beschimpft wurden, mit den typischen Äußerungen von Homophoben, einmal rief einer was von Krematorien hinter uns her – das passiert leider auch heute noch in Italien. In Deutschland leben wir viel gelassener.“

Die jüngsten Zahlen zur Diskriminierung Homosexueller in Italien stammen aus dem Jahr 2012, erhoben vom nationalen Institut für Statistik. Darin geben etwa eine Million der Italiener an, homosexuell zu sein. Etwa 77 Prozent gehen damit im Freundeskreis offen um, nur 20 Prozent von ihnen sagen es den eigenen Eltern. 24,8 Prozent haben demnach etwas gegen homosexuelle Politiker. „Ich war damals die einzige bekennende Homosexuelle im Parlament“, erzähl Paola Concia, „das hat sich zum Glück auch geändert, heute gibt es schon vier Homosexuelle in der Abgeordnetenkammer.“