Wie geht man mit Diskriminierung durch Kirchen und Religionen um? Ein neuer Kulturkampf bringt gar nichts, meint unser Autor Martin Mezger.
Die Fragen, die sich der Esslinger CVJM stellen lassen muss, richten sich an alle. An die katholische Kirche mit ihrer systemischen Diskriminierung von Frauen durch Verweigerung des Priesteramts. An die muslimischen Gemeinschaften und ihr Verhältnis zur sexuellen Freiheit. An jede Institution, bei der Diskriminierung nicht nur in individuellem Fehlverhalten wurzelt. An die ganze Gesellschaft: Wie geht man mit struktureller und institutioneller Diskriminierung um? Die katholische Kirche verbieten und den Islam gleich mit? Dem CVJM die Mittel streichen? Ein neuer Kulturkampf wäre total verfehlt. Es geht längst nicht mehr um säkulare Aufklärung gegen engstirnige Religion. Die christlichen Konfessionen haben ganz andere und sehr aufgeklärte Gesichter als die der phallokratischen Kirchenzerstörer mit Kardinalspurpur oder der evangelikalen Sauertöpfe, denen das Evangelium alles ist, nur keine frohe Botschaft. Auch der Islam besteht nicht aus finsteren Scharia-Henkern.
Dennoch haben Kirchen und Religionen eine Anziehungskraft für winkelhockerische Ressentiments gegen Schwule, Diverse oder Frauen; für Leute, denen Gott nur eine autoritäre Fantasie ist. Den Trennstrich ziehen zum Missbrauch ihrer theologischen Identität müssen aber die Religionsgemeinschaften selbst. Druck von außen kann nur dann förderlich sein, wenn nicht gegen die Kirchen, sondern mit ihren diskursfähigen Mitgliedern Regeln ausgehandelt werden. Zum Beispiel gegen Diskriminierung.
Possierliche Volte
Wenn es der Esslinger CVJM redlich meint mit der Aufarbeitung der Vergangenheit und der Prävention in Zukunft, führt die possierliche Volte, auch theologische Überzeugungen dürften nicht – also auch nicht bei expliziter oder impliziter Homophobie – „diskriminiert“ werden, keinen Schritt weiter. Ebenso wenig die Berufung auf eine rein negative Religionsfreiheit, die letztlich alles rechtfertigt. Dabei wissen die Bibelleser im CVJM ganz genau, dass bereits das biblische Judentum den Götzenreligionen seiner Zeit nicht mit falscher Toleranz, sondern mit enormer zivilisatorischer Kraft entgegentrat. Was sonderte denn Religion von blutiger Barbarei? Ein positiver Begriff ihrer Freiheit. In den passen Homophobie und Diskriminierung nicht mehr rein.