Globuli sind Zuckerkügelchen, besprüht mit der Lösung eines stark verdünnten Wirkstoffs. Foto: Caro / Teich

In den USA wird vor homöopathischen Mitteln für Kleinkinder gewarnt. Sind Globuli und Co. generell für Babys ungeeignet? Apotheker aus Baden-Württemberg klären auf.

Stuttgart/Esslingen - Wenn es um die Gesundheit der Kinder geht, dann ist Eltern fast jedes Mittel recht, was den Nachwuchs wieder auf die Beine bringt. Viele beschreiten da den Weg der Homöopathie: Falls Globuli und Co. nicht helfen, so die vorherrschende Haltung, können sie zumindest nicht schaden. Ein Irrglaube?

In den USA zumindest ist nun der Verdacht aufgetaucht, dass bestimmte homöopathische Präparate den Tod mehrerer Babys ausgelöst hätten. So warnt die amerikanische Arzneimittelsicherheitsbehörde FDA aktuell vor Globuli, die auf Basis der Schwarzen Tollkirsche hergestellt worden sind. Sie sollen bei Babys, die zahnen, schmerzlindernd wirken. Laut der Behörde kam es aber bei mehr als 400 Kindern, die diese Globuli einnahmen, zu epileptischen Anfällen, Zittern, Krämpfe, Fieber, Kurzatmigkeit und Lethargie. Zehn Kleinkinder starben. Noch ist allerdings nicht vollständig geklärt, ob diese tragischen Fälle durch die Tollkirsch-Konzentration in dem homöopathischen Präparat ausgelöst wurden.

Apotheker halten Verzicht von Homöopathie bei Kindern für einen Schnellschuss

Dass unter Umständen gefährliche Substanzen wie eben die giftige Schwarze Tollkirsche – Belladonna genannt –, aber auch Quecksilber oder Arsen für die Herstellung von Globuli und Tinkturen verwendet werden, ist in der Homöopathie durchaus üblich. Auch in Deutschland. Das bestätigt der europäische Dachverband der Arzneimittelhersteller im Bereich der Selbstmedikation (AESGP). Als im August 2016 die EU die Freigabe von Quecksilber deutlich einschränken wollte, protestierte der Verband aufs Heftigste: „Quecksilber und Quecksilberverbindungen stellen für manche homöopathische und andere traditionelle Arzneimittel einen unverzichtbaren Bestandteil dar“, heißt es in ihrem Schreiben.

Doch dass die Homöopathie deswegen nicht für Kinder geeignet ist, halten selbst Mitglieder der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg für einen Schnellschuss: „Es kommt immer auf das Präparat an“, sagt Ines Winterhagen, Apothekerin in Esslingen. Auch sie hat durchaus homöopathische Produkte im Sortiment, die bei zahnenden Kindern eingesetzt werden können. „Allerdings sind hierzu keinerlei schädlichen Nebenwirkungen bekannt.“ Ist es doch bei der Herstellung von homöopathischen Mitteln üblich, den Wirkstoff stufenweise zu verdünnen. Homöopathen nennen diesen Vorgang potentieren. Zwischen diesen Verdünnungsvorgängen wird das Mittel noch geschüttelt. Das soll der Theorie nach bewirken, dass die Informationen des Wirkstoffs auf die Lösung übergehen. „Mich überrascht es daher, dass überhaupt ein Wirkstoff nachgewiesen werden konnte“, sagt Winterhagen. „Normalerweise dürfte dieser nicht mehr vorhanden sein.“

In Deutschland sind keine gesundheitsschädlichen Globuli oder Tinkturen auf dem Markt

So wird in Deutschland vor der Markteinführung überprüft, ob ein Präparat nach den Regeln der Homöopathie hergestellt wurde – und auch wie stark die Verdünnung ist. Weshalb das Bundesinstitut für Arzneimittelprodukte (BfArM) beruhigen kann: Es seien keine Präparate auf dem deutschen Markt, die mit den in den USA untersuchten vergleichbar wären.

Laut der Landesapothekerkammer gelten in Deutschland auch homöopathische Präparate als Arzneimittel. An sie werden jedoch andere Anforderungen gestellt, festgelegt im Arzneimittelgesetz: Üblicherweise müssen Arzneimittel eine klinische Prüfung bestehen, ihre Wirksamkeit muss nachgewiesen werden. Das gilt für homöopathische Präparate nicht oder nur sehr eingeschränkt. Eine Zulassung ist nicht unbedingt notwendig. Homöopathische Mittel unterliegen aber der Registrierungspflicht. Hier wird lediglich die Qualität und Unbedenklichkeit nachgewiesen und dass es nach den Vorgaben des Homöopathischen Arzneibuchs hergestellt ist. „Diese Präparate dürfen aber keine Indikation nennen“, sagt Winterhagen. Sprich: Auf der Packung stehen keine Sätze wie „Hilft bei akuten Entzündungen des Hals-, Nasen- und Rachenraums“.

Es gibt bislang keine Belege, dass Homöopathie tatsächlich wirkt

Ob und wie diese Präparate wirken, ist jedoch wissenschaftlich nicht geklärt: So haben sich viele Gruppen der Cochrane Collaboration – einem internationalen Netzwerk von Wissenschaftlern und Ärzten, das Übersichtsarbeiten zur Bewertung von medizinischen Therapien erstellt – die Wirkungsweise von Globuli und Co. anhand von Patientenstudien analysiert. Zwar konnte bei einigen Krankheitsbildern wie grippalen Infekten Wirkungen nachgewiesen werden, die über den reinen Placebo-Effekt hinausgehen. Allerdings kritisierten die Autoren stets die mangelnde Qualität der Studien. Weshalb sie bislang keine Belege dafür sehen, dass Homöopathie tatsächlich wirkt.

In den USA will man dies auch den Bürgern inzwischen schwarz auf weiß belegen: Schon im November entschied die für den Verbraucherschutz zuständige Behörde Federal Trade Commission, dass Hersteller homöopathischer Mittel die Wirksamkeit beweisen müssen – dann fällt es unter die strenge Arzneimittelkontrolle. Andernfalls muss auf den Packungen stehen, dass es keine nachgewiesene Wirkung besitzt.

Homöopathische Mittel ersetzen niemals einen Arztbesuch

In Deutschland setzt man auf Beratung. In der Apotheke in Esslingen weist Ines Winterhagen Kunden darauf hin, dass die Wirkungsweise von Globuli und Tinkturen umstritten sind. Zudem gibt sie den Rat, nicht nach dem Motto „Viel hilft viel“ zu dosieren. Wer das Präparat zu häufig einsetzt, riskiert, dass genau die Beschwerden auftauchen, gegen die das Präparat helfen sollte. Zudem warnt die Apothekerin: „Grundsätzlich gilt: Homöopathische Mittel ersetzen niemals einen Arztbesuch.“

Zahlt die Krankenkasse homöopathische Präparate?

Umsatz an Homöopathie-Produkten steigt

Homöopathische Arzneimittel sollen den Körper dazu bringen, sich selbst zu heilen. Basis sind pflanzliche, mineralische und tierische Substanzen.
Das von dem Arzt Samuel Hahnemann (1755-1843) begründete Verfahren soll nur helfen können, wenn der Körper noch die Fähigkeit zur Selbstheilung besitzt.

Krankenkassen
Die gesetzlichen Krankenkassen zahlen in der Regel Homöopathika. Die Brutto-Umsätze lagen nach Angaben der Bundes-AOK in den Jahren 2004 bis 2014 zwischen 30 und 48 Millionen Euro – angesichts eines Arzneimittelmarktes von über 30 Milliarden Euro pro Jahr geringe Summen.