Seit 25 Jahren kommt das Kammerorchester Camerata Europeana zum Neujahrskonzert nach Holzgerlingen.
Holzgerlingen fest in osteuropäischer Hand – so angenehm, wie es nur sein kann. Denn das Streichorchester Camerata Europeana spielte ausschließlich Musik, die von osteuropäischen Komponisten stammt beziehungsweise von osteuropäischer Musik stilistisch beeinflusst ist. Unter der Leitung von Radoslaw Szulc gab es musikalische Leckerbissen. Seine augenzwinkernd vorgetragenen Informationen und das Temperament der Musiker sorgten in der voll besetzten Stadthalle für begeisterte Stimmung.
Johannes Brahms’ ungarischer Tanz Nummer fünf wackelte noch ein bisschen im Zusammenspiel der Streicher, riss aber das Publikum sofort mit. Brahms bildete auch den Abschluss: das für Orchester bearbeitet Rondo alla Zingarese aus seinem Klavierquintett op. 25. Dabei brillierten die Musiker mit heißem Feuer.
Bei solch einem Programm darf natürlich auch Peter Tschaikowsky nicht fehlen. Das Andante aus dem ersten Streichquartett, die Elegia und der Walzer aus der Streicherserenade waren Höhepunkte, sein Nocturne und das Pezzo capriccioso nahmen durch ihre bezwingende Emotionalität ein. Wer noch mehr Tschaikowsky hören möchte, kann am 24. Januar beim Böblinger Pianistenfestival die Klavierstücke Opus 78 erleben.
Atemlose Intensität
Virtuos und musikalisch eindrucksvoll gestaltete Bernhard Lörcher seine Tschaikowsky-Soli. Im Hauptberuf ist er Solocellist der Stuttgarter Philharmoniker. Vor allem bei Tschaikowskys „Pezzo“ brillierte er mit einer stupenden Fingerfertigkeit, die atemlose Intensität erzeugte. Auch der Violin-Konzertmeister des Orchesters hatte seine fabelhaften Soloauftritte: Friedemann Breuninger, Konzertmeister des Südwestdeutschen Kammerorchesters Pforzheim, faszinierte bei seinen Soli. Béla Bartóks rumänischen Volkstänze verbreiteten wärmendes musikalisches Feuer. Ein berühmtes Zugabe- und Showstück ist auch die „Hora staccato“ des rumänischen Komponisten Grigoras Dinicu, das vor allem in der Bearbeitung durch den legendären Geiger Jascha Heifetz Popularität erreichte. Radoslaw Szulc überzeugte hier als schillernder Virtuose. Herrliche Klangwirkungen erzielte er auch im „Lerchengesang“ aus der Feder von Dinicu.
Doch damit nicht genug, es gab weitere, äußerst überzeugende Bekanntschaften mit unbekannten Komponisten. Der eine ist Henri Lazarof, der in Bulgarien geboren wurde und in den USA Karriere machte. Sein Scherzino für Viola und Streichorchester wurde vom Dirigenten und Violasolisten als „sehr schwer“ bezeichnet, aber er bewältigte die Herausforderung auf der „Dieselgeige“ (wie Lästermäuler sagen) temperamentvoll - unterstützt auch in einem kurzen Duett vom Konzertmeister. Den Reigen den osteuropäischen Komponisten vervollkommnete der Pole Wojciech Kilar. Francis Ford Coppola und Krystof Zanussi engagierten ihn für Filmmusiken. Außerdem wirkte er auch in dem Film „Der Pianist“ von Roman Polanski. Mit Kilars Stück „Orawa“ zeigten beide Solisten wieder ihr brillantes Können.
Das Konzert wirkte trotz seiner Länge von zwei Stunden kurzweilig, was an der humorvollen Moderation und an der Auswahl von attraktiven Musikstücken lag. Zugaben: Der Csárdás des italienischen Komponisten Vittorio Monte, der sich ebenfalls für das Feuer Osteuropas begeisterte. Szulc und das Orchester wurden ihm klangsatt gerecht. Einen ruhigeren, aber ebenso intensiven Ausklang gab es dann mit dem berühmten „Air“ aus Johann Sebastian Bachs dritter Orchestersuite von 1732.