Der Münchner Autor Robert Andreasch ist Neonazis ein Dorn im Auge Foto: factum

Der Holocaust-Gedenktag in Leonberg ist friedlich geblieben. Es gab keinen Aufmarsch von Rechts­­ex­tremen gegen einen Vortrag bei der KZ-Gedenkstätten-Initiative.

Leonberg - Der Holocaust-Gedenktag in Leonberg ist friedlich geblieben. Es gab keinen Aufmarsch von Rechtsextremen gegen einen Vortrag bei der KZ-Gedenkstätten-Initiative , es gab keine Eskalation. Stattdessen gab es ein massives Polizeiaufgebot sowie eine engagierte Diskussion mit polemischen Spitzen im völlig überfüllten Saal der Blosenbergkirche. Und das Publikum war bunt gemischt, wie das wohl selten vorkommt im beschaulichen Gemeindehaus: Von Mitgliedern der Linkspartei, Antifa-Aktivisten, Gewerkschaftern, Landtagsabgeordneten bis hin zu bürgerlichen Gemeinderäten reichte und Pfarrern reichte das Spektrum der Zuhörer.

Aus Sorge vor Gewalt hatte die Stadt die jahrelange Kooperation mit der KZ-Gedenkstätten-Initiative aufgekündigt und zu einem eigenen Holocaust-Gedenken in das Stadtmuseum geladen. Für den Mann, um den sich letztlich der Wirbel gedreht hat, ist das ein Zeichen, wie schwer man sich in Deutschland im Umgang mit Rechtsaußen tut. „Es genügt schon die Androhung von Gewalt auf irgendeiner Internet-Homepage, um solch eine Veranstaltung zu torpedieren“, sagte Robert Andreasch.

Der Münchner arbeitet als Journalist, ist versteckten Neonazi-Netzwerken auf der Spur und schildert die Zusammenhänge der Szene. Im Herbst hatte er bereits in Leonberg bei einer „Antifaschistischen Aktionswoche“ referiert, in dessen Anschluss der Versuch einer rechtsextremen Gegendemo zu Randalen geführt hatte.

Vorwürfe gegen die KZ-Gedenkstätten-Initiative

„Wenn der Oberbürgermeister die Sicherheit in der Stadt gefährdet sieht, dann liegt das in seiner Verantwortung“, sagte der langjährige Vorsitzende und Gründer der KZ-Gedenkstätten-Initiative Eberhard Röhm. Der Pfarrer im Ruhestand war sichtlich betroffen, weil der Leonberger Oberbürgermeister Schuler öffentlich und wiederholt der KZ-Initiative vorgeworfen hatte, Gewalt zumindest billigend in Kauf zu nehmen. „Wer mich kennt, weiß, dass ich stets ein Apostel für gewaltfreies Handeln war und in diesem Geist auch junge Menschen unterrichtet habe“, sagte der Religionspädagoge Röhm. Dennoch sieht er das Tischtuch nicht zerschnitten – er hoffe auf eine gemeinsame Veranstaltung 2013.

Publikum übt deutliche Rathauskritik

Der anwesende Ordnungs- und Sozialbürgermeister Ulrich Vonderheid (CDU) dürfte diese Aussage neben den Fakten, die Andreasch aus dem rechtsextremen Spektrum darstellte, wohl noch am ehesten als Gewinn mitgenommen haben. Denn ansonsten war seitens des Publikums vor allem heftige Kritik am Rathaus angesagt: Gegen den OB solle ein Abwahlverfahren eingeleitet werden, er sei mit seinem Verhalten ein „Steigbügelhalter für rechts“, rief ein Gast, der anonym bleiben wollte. „Wenn sich der OB an einem Referenten stört, den die Nazis auf ihren Index gesetzt haben, dann macht er sich deren Index zu eigen“, kritisierte der lokale Parteivorsitzende der Linken, Günter Roth. Wechselweise stand auch die „Leonberger Kreiszeitung“ am Pranger („Hofberichterstattung“) oder die Polizei („auf dem rechten Auge blind“).

Andreasch machte Mut, „sich von der popeligen Diskursmacht der Nazis nicht einschüchtern zu lassen“. Selbst wenn es mit Janus Nowak einen Böblinger NPD-Kreisrat gebe: „Parlamentarisch reißen die nichts.“ Bedrohlicher empfinde er die „latenten Ressentiments in der Bevölkerung“.