Liam Neeson macht sich Sorgen um den Zustand der Welt. Foto: dpa

Der Schauspieler Liam Neeson (64) macht sich Sorgen wegen der rapiden Veränderungen, denen die Menschen ausgesetzt sind. Ein Freund Donald Trumps ist der gebürtige Nordire auch nicht.

Hamburg - Seit seinem Filmdebüt 1978 stand Liam Neeson für 121 Kinoproduktionen vor der Kamera. Der Sohn einer Köchin und eines Hausmeisters überzeugte in so unterschiedlichen Rollen wie der des Judenretters Oskar Schindler in „Schindlers Liste“, als Valjean in „Les Miserables“, als Qui-Gon Jinn in „Star Wars“ oder als Sexualforscher Alfred Kinsey. Mit „96 Hours“ erlebte er eine späte Karriere als Action-Star. In seinem neuesten Film, der Literatur-Adaption „Sieben Minuten nach Mitternacht“ sieht man ihn nun allerdings so, wie man ihn noch nie erlebt hat: als gigantisches, aber doch erstaunlich freundliches Pflanzenungetüm. Der Film ist gerade in Deutschland angelaufen.

Mister Neeson, Sie spielen und sprechen ein mit dem Computer geschaffenes Baummonster“. Was hat Sie an dieser ungewöhnlichen Aufgabe gereizt?
Ich hatte das Buch von Patrick Ness gelesen, das auf eine Idee von Siobhan Dowd basiert, die inzwischen selbst an Krebs gestorben ist. Diese Geschichte hat mich sehr beeindruckt. Bevor ich mit der Lektüre begonnen hatte, dachte ich, ich würde ein Kinderbuch lesen. Aber dann stellte es sich als sehr tiefgründige Geschichte heraus. Hier können Kinder und Erwachsene etwas fürs Leben lernen. Das hat mich dann sehr bewegt.
Was kann man lernen?
Wie wir mit dem Tod eines geliebten Menschen umgehen und lernen, weiter zu leben. Außerdem hatte ich so eine Art von Film noch nie gemacht. Meine Körpersprache und Mimik wurden im Computer gespeichert, und daraus entstand dann später dieses Monster. Sehr interessant! Es ist ja absolut erstaunlich, was man mit dieser Technik heutzutage alles machen kann. Ich nenne sie übrigens nicht Computeranimation, sondern digitales Make-Up.
Das Kind im Film fürchtet den Tod seiner kranken Mutter. Wovor hatten Sie als Kind Angst?
Da war nichts Spezielles, wovor ich mich gefürchtet habe. Es war eher die Welt im allgemeinen, denn die schien mir eine sehr komplizierte Angelegenheit zu sein. Wissen Sie, ich bin in den fünfziger und sechziger Jahren in Nordirland aufgewachsen. Das waren schwere Zeiten, mit all den brutalen politischen Auseinandersetzungen. Das war Teil meines Alltags. Ich war permanent von diesem Klima umgeben. Deswegen hatte ich das Gefühl, die Welt ist kein besonders sicherer Ort, da überall Minenfelder existieren.
Der Junge im Film flüchtet vor seiner Furcht in die Welt der Fantasie und seiner Zeichnungen. In welche Parallelwelt sind Sie am liebsten verschwunden?
Ich habe als Kind irgendwann die Welt des Amateur-Boxens entdeckt und habe mich da sehr engagiert. Ich stamme aus einer sehr kleinen irischen Stadt. Beim Boxen konnte ich all meine Ängste verarbeiten, Dinge körperlich raus lassen, die sich in mir angestaut hatten. Das Training war eine echte Erleichterung. Es hat mir sehr geholfen. Es hat mich stärker gemacht. Wenn ich heute daran zurück denke, hat es etwas sehr Elementares.
Auch deswegen, weil es eine Welt mit festen Regeln war?
Das war bestimmt ein Aspekt. Du steigst in den Ring, deine Hände stecken in diesen Boxhandschuhen und du bist wirklich nur so gut wie deine größte Schwäche, verstehen Sie? Ich liebe diese Vorstellung bis heute. Wir waren eine eingeschworene Gemeinschaft, in der ich mich aufgehoben fühlte. Ich stand mit neun Jahren zum ersten Mal im Ring. Meinen letzten Kampf hatte ich mit 17. Das ist jetzt ewig her. Aber wenn ich heute zu Hause jemanden aus dieser Zeit und dem Club treffe, dann nehmen wir uns zur Begrüßung immer noch in den Arm. So stark ist das Band, das uns damals in unserer Kindheit verbunden hat. Das sind schöne Erinnerungen, die ich immer in meinem Herzen trage.
Wovor fürchten Sie sich heute?
Der aktuelle Zustand der Welt macht mir Angst. Donald Trump macht mir große Sorgen. Darüber hinaus erleben wir als Menschheit im Allgemeinen gerade eine schwierige Zeit. Die Lage ist sehr angespannt. So vieles verändert sich in rapidem Tempo. Ich bin mir nicht sicher, ob wir uns in eine positive Richtung verändern. Ich habe da meine Zweifel. Viele Menschen sind gerade sehr unsicher, weil sie nicht wissen, wo ihr Platz in dieser neuen Welt sein wird.
Als Schauspieler müssen Sie sich mit finsteren, intensiven Gefühlen und Gedanken auseinandersetzen, die viele Menschen lieber verdrängen. Hilft Ihnen das im Alltag weiter?
Schauspielen ist für mich unbedingt eine Art von Therapie. Ich liebe die Vorstellung, einen Zuschauer bewegen oder inspirieren zu können, der mir dann später auf der Leinwand bei der Arbeit zusieht. Dann habe ich das Gefühl, Menschen Emotionen erklären zu können. Das ist ein gutes Gefühl. Im Grunde tue ich natürlich nur so als ob. Ich täusche etwas vor. Aber genau dieser Prozess ist meine Leidenschaft. Ich mag die Kunst des Vortäuschens, gerade beim Film. Denn hier haben wir die Möglichkeit ganz tief in die Natur und Komplexität der menschlichen Natur einzusteigen.
Wie haben Sie sich als Kind Ihr Leben mit Mitte sechzig vorgestellt?
So weit habe ich damals nicht gedacht. Ein Mensch über vierzig kam mir damals schon uralt vor. Aus dieser Sichtweise wäre ich heute schon ein Greis. Aber hier sitze ich nun mit meinen 64 Jahren. Ich weiß, jeder denkt das, aber ich fühle mich noch gar nicht so alt.
Wie alt fühlen Sie sich denn?
Naja, so als sei ich in meinen späten Dreißigern. Auch körperlich fühle ich mich jünger. Ich versuche fit zu bleiben, trainiere viel. Es heißt ja heute immer, die Sechzig sei die neue Vierzig. So albern es klingt, ich höre das gerne. Niemand wird gerne alt.
Ihre sonore Stimme ist eines Ihrer Markenzeichen. Wann wurde Ihnen zum ersten Mal bewusst, dass Sie mit dieser Stimme Menschen verführen können?
Ganz ehrlich? Auch, wenn Sie mir das nicht glauben werden, weil wir Schauspieler als professionelle Verführer gelten. Darüber habe ich nie bewusst nachgedacht. Es klingt auch deswegen unglaubwürdig, weil ich natürlich ständig an meiner Stimme arbeite, die ja eines meiner wichtigsten Instrumente ist. Im Alltag setze ich diese Fähigkeiten aber nicht ein.
Von außen betrachtet könnte man meinen, ihre Oscar-Nominierung für „Schindlers Liste“ sei einer der Höhepunkte ihres Lebens gewesen. Aber worauf sind sie wirklich stolz?
Ich bin stolz darauf, Vater zu sein. Und ich bin ziemlich stolz auf meine Technik beim Angeln, speziell beim Fliegenfischen. Wenn ich an meine Filme denke, fallen mir spontan „Michael Collins“ und „The Grey – Unter Wölfen“ ein. Natürlich hat Steven Spielberg mit „Schindlers Liste“ eine tolle Arbeit abgeliefert. Wissen Sie, ich habe einen fantastischen Beruf. Ich liebe es einfach, vor der Kamera zu spielen. Das hat mir selbst in meinen schlechteren Filmen Spaß gemacht. Und Gott weiß, von denen existieren auch ein paar. Manchmal geht es eben daneben.
Und das können Sie dann entspannt sehen?
Am Anfang natürlich nicht, denn wir haben ja viel Zeit und Arbeit investiert. Aber mit der Zeit kann ich mich schon entspannen. Nicht jeder Film wird ein Meisterwerk. Trotzdem, die Arbeit ist für mich immer befriedigend, egal was dann das Resultat ist. Ich verbringe meine Zeit gerne mit Film-Crews. Wir sind dann eine eingeschworene Gemeinschaft von Brüdern.