Adolf Martin Steiner ist draußen in der Natur in seinem Element. Foto: Michael Steinert

Adolf Martin Steiner kennt die Hohenheimer Gärten von Kindheit an und führt Besucher zu den Kleinoden.

Stuttgart-Plieningen - Er wohnt nur einen Katzensprung von den Hohenheimer Gärten entfernt, und fast gewinnt man den Eindruck, dass Adolf Martin Steiner dort jeden Baum persönlich kennt. Die Linde von 1790, die amerikanische Platane, die ihren schrägen Wuchs mit einer Art Höcker auf der Gegenseite des Stammes ausgleicht, oder die markante Stinkesche mit den beiden Stämmen. Auch zu ihr führt Steiner den Besucher, um hier eine weitere botanische Besonderheit zu erklären. Steiner ist Jahrgang 1937, und die Hohenheimer Gärten sind seit seiner Kindheit seine Leidenschaft. „Das ist meine Heimat. Hier haben wir als Kinder gespielt. Wir mussten nur aufpassen, dass der Gartenmeister nicht unsere Lägerle entdeckt hat.“ Eines davon schlugen die Buben beim sogenannten Schäferbuckel auf, der heute noch zu sehen ist und mittlerweile deutlich ins Auge sticht, weil das Gebüsch gerodet ist, das ihn früher verhüllte.

Aber im Winterhalbjahr wird ohnehin anderes sichtbar als im Frühling und im Sommer, wenn das üppige Grün alles dominiert. „Ich kann dann die typischen Formen wie den Säulen-, den Fächer- oder den Korkenzieherwuchs der Bäume erklären“, schwärmt Steiner und zeigt auf verschiedene Exemplare. Seitdem der Professor für Saatgutforschung 2002 in den Ruhestand ging, hat er 400 Führungen durch seinen Park gemacht, und dabei geht er gerne auf Sonderwünsche ein, denn Steiner sprudelt zu jedem Thema Geistreiches: „Manche wollen nur die Franziska, andere nur Kunstwerke oder Exoten oder nur das Labyrinth.“ Und schon ist Steiner bei der symbolischen Bedeutung des Irrgartens in Renaissance und Barock sowie seiner Wiederentdeckung in der Postmoderne. Dementsprechend beweist der Botaniker beim Lavendellabyrinth im Landschaftsgarten, im unteren Teil des Parks, sein Wissen in Kultur-und Kunstgeschichte.

Die Geschichten hat Steiner aus Plaudereien mit Einheimischen

Wer mit Steiner dagegen am kleinen Schäferbuckel im oberen exotischen Garten verweilt, wird dort nicht nur einiges über die Schäferlyrik erfahren, sondern auch Anekdoten aus der Ortsgeschichte: zum Beispiel, wie die benachbarten Kemnater dem im Hohenheimer Park ansässigen Schäfer einen Karren geklaut hatten und diesen, um den Diebstahl zu vertuschen, blau lackiert haben. Solche Geschichten, die in keinem Buch und in keinem Archiv festgehalten sind, hat Steiner aus Plaudereien mit Einheimischen. Zeitlebens hat er solche Begebenheiten gesammelt und einen reichen Anekdotenschatz zusammengetragen. Hin und wieder bringt er sie nebst Fachwissen über die Gärten im Stadtteilblatt „Plieninger Bote“ unter die Leute.

Bei denen setzt er, anders als bei Führungen mit Unibesuchern aus dem Ausland, ein gewisses Grundwissen über den Erbauer des Hohenheimer Schlosses und der heute noch 7, 2 Hektar großen Gärten voraus. 60 Gebäude aus allen Epochen und in verkleinertem Maßstab hatten der verschwenderische Herzog Carl Eugen und seine religiöse Franziska in der englischen Anlage, dem heutigen exotischen Garten, errichten lassen. Zu besichtigen sind sie auf einem Modell im Spielhaus, das neben dem römischen Wirtshaus und den „Drei Säulen des donnernden Jupiter“ noch erhalten ist und als Museum genutzt wird. Auch hier ist Steiner bei der Konzeption der Ausstellung aktiv. Und tatsächlich gräbt der rührige Rentner auch heute immer noch bisher Unentdecktes aus der Orts- und Parkgeschichte aus.

„Wir sind hier ein grünes, lebendiges Museum“

Wegen Steiners Verbundenheit mit den Gärten und seiner Fachkenntnis als Pflanzenkundler wurde er 1988 ehrenamtlicher Gartenbeauftragter und zu Beginn der 90er Jahre, als die Grünflächen umgestaltet wurden, bewies Steiner in dieser Funktion Verhandlungsgeschick, denn seine Aufgabe war, die Interessen aller beteiligten Behörden, des Denkmalschutzes und der Universität unter einen Hut zu bringen. Auch die Idee, einen modernen Rundtempel auf einem Hügel des Landschaftsgartens errichten zu lassen, geht auf Steiner zurück.

„Wir sind hier ein grünes, lebendiges Museum“, sagt er stolz. Eines für Spaziergänger, für spielende Kinder, für Schüler, die hier die Natur erkunden, für Jogger und für Studenten, die auf der Wiese sitzend büffeln. Und dafür, dass der Park für jedermann 24 Stunden lang offen steht, gibt es kaum Vandalismus. Nur feiernde Jugendliche hinterlassen vor allem im Sommer ihren Müll. Das grämt Steiner, weil er ein besonders inniges Verhältnis zu diesem Flecken hat. „Fasst den Baum an, dann spürt ihr die 250 Jahre, die er schon dasteht“, fordert er bei seinen Führungen auf. „Und wer an einer Staude riecht, muss sich der Pflanze zuwenden und tritt in Demut mit ihr in Kontakt“, sagt Steiner. Leere Bierflaschen kann er da nicht dulden.