In Pleidelsheim wurde von einem Baustellenfahrzeug Diesel abgezapft, bei Böblingen ein Öltank ausgepumpt. Die Frage ist, ob das mit den Kraftstoffpreisen zusammenhängt.
In den 1980er-Jahren klang es noch ziemlich absurd und weit hergeholt, als der Neue-Deutsche-Welle-Star Markus in seinem Hit „Ich will Spaß“ über einen Spritpreis von drei Mark zehn witzelte. Mittlerweile sind solche Preise, umgerechnet auf den rund doppelt so starken Euro, längst Realität. Mehr noch: würden aktuell für den Liter Benzin an irgendeiner Tankstelle die besagte drei Mark zehn, also rund 1,55 Euro, aufgerufen, stünden die Autos gewiss bis auf die Straße Schlange. Und wenn man die Polizeimeldungen der vergangenen Tage studiert, könnte man leicht zu dem Schluss kommen, dass so einige dunkle Gestalten in dieser Entwicklung entweder ein Geschäft wittern oder sich den Kraftstoff angesichts der hohen Preis nun eben illegal besorgen.
An Lastwagen zu schaffen gemacht
So ließen zuletzt mehrere Meldungen ähnlichen Inhalts aufhorchen. In Pleidelsheim hatten Kriminelle an der Baustelle beim P+M-Parkplatz vor der Autobahnauffahrt zugeschlagen. Sie erbeuteten aus zwei Maschinen und einer mobilen Tankstelle hunderte Liter Diesel. In Ottmarsheim machten sich Langfinger an einem Lastwagen zu schaffen, der auf einem Parkplatz abgestellt war. Sie zapften das Benzin ab. In Kirchberg wurde bei der Baustelle am Radweg an der Geisterhöhle aus gleich drei Maschinen Diesel entwendet. Nicht minder dreist war, was sich Unbekannte in Breitenstein im Landkreis Böblingen geleistet haben. Sie sollen das im Keller eines Gebäudes gelagerte Heizöl aus einem Tank abgepumpt haben. Der von außen erreichbare Füllstutzen war nicht gesichert. Rund 3000 Liter mit einem Marktwert von 2600 Euro könnten die Diebe nach Angaben der Polizei hier gestohlen haben.
Polizei steht vor einem Rätsel
Allerdings stehen hinter diesem Fall noch einige Fragezeichen. Yvonne Schächtele, Pressesprecherin des Ludwigsburger Polizeipräsidiums, betont, dass Einbrecher für einen solchen Coup viel Zeit benötigen. Eine starke Stunde müsse man einkalkulieren. Dazu hätten die Täter eine Pumpe gebraucht. „Das macht Lärm“, so Schächtele. Außerdem hätte das Öl in einem oder mehreren Auffangbehältern gesammelt und mit einem größeren Fahrzeug abtransportiert werden müssen. Wie all das unbemerkt gelingen sollte, „darauf können wir uns noch keinen Reim machen“, sagt sie. Doch auch abgesehen davon scheint es sich derzeit noch um Einzelfälle zu handeln, die wegen der hohen Spritpreise vielleicht lediglich eher als sonst hervorstechen und dadurch das Kopfkino zum Laufen bringen.
An den Tankstelle sogar weniger Betrügereien
Statistisch gesehen gebe es in diesem Segment nämlich keine Auffälligkeiten, hebt Schächtele hervor. Es werde nicht mehr und nicht weniger Sprit von Baustellenfahrzeugen oder abgestellten Lastwagen abgezapft als vor der Ukraine-Krise samt Preisanstieg für fossilen Brennstoff. Eher rückläufig seien im Zuständigkeitsbereich des Präsidiums zuletzt sogar die Fallzahlen bei Tankbetrügern gewesen. Sprich: Weniger Autofahrer als vor dem Krieg ließen ihre Wagen volllaufen, um sich dann aus dem Staub zu machen – ohne für den Sprit zu bezahlen.
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Gedankenlosigkeit statt Mutwilligkeit
„Die Aussage der Polizei kann ich so nur bestätigen“, sagt Gabriele Steinmaßl, Inhaberin der Freien Tankstelle in der Poppenweiler Straße in Marbach. „Bei uns ist schon lange nichts mehr in der Richtung vorgekommen“, konstatiert sie. Und wenn je überhaupt mal jemand versäumt hatte zu zahlen, dann eher aus Gedankenlosigkeit, weil er oder sie womöglich in einen Schwatz vertieft war. Wem ein solches Malheur passiert war, sei dann einfach später an der Tankstelle vorbeigekommen, um die Rechnung zu begleichen. „Bei uns ist es aber auch sehr übersichtlich. Ich kann direkt auf die Zapfsäulen schauen“, erklärt Steinmaßl.
Rigoroses Vorgehen
Verschont geblieben von irgendwelchen Ganoven, die Diesel aus Maschinen abzapfen, blieb in der laufenden Hochpreiswelle bislang zudem die Firma Stickel aus Rielingshausen. Die eigenen Fahrzeuge stünden in der Regel nachts auch nicht draußen auf den Baustellen, erklärt Torsten Wenzel. Der Disponent des Tief- und Straßenbauunternehmens weiß gleichwohl, wie rigoros die Diebe mitunter vorgehen, um an Treibstoff zu kommen. „Die brechen die Tanks nicht auf, das ist denen zu viel Geschäft. Es muss ja schnell gehen bei denen“, sagt Wenzel. Deshalb werde in der Regel einfach ein spitzer Gegenstand in den Tank gerammt. Über das Loch ströme der Sprit heraus und werde aufgefangen. Der Tank lasse sich dann nicht einmal mehr zuschweißen. Unterm Strich sei der Schaden am Fahrzeug also höher als die Summe, die man für den Treibstoff zuvor ausgegeben habe.
Davon kann der Besitzer des Lastwagens in Ottmarsheim, der zur Zielscheibe von Benzindieben wurde, sicherlich ein Lied singen. Der Wert des gestohlenen Kraftstoffs belief sich nach Polizeiangaben vermutlich bloß auf mehrere hundert Euro. Am Laster selbst entstand unterdessen ein Schaden im vierstelligen Bereich.
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