Durch Hochzeiten oder Scheidungen gibt es zahlreiche Namensänderungen – erstaunlich viele Menschen wollen aber auch aus ganz anderen Gründen einen neuen Namen Foto: Zentralbild

Hunderte Stuttgarter wollen jedes Jahr abseits von Heirat oder Scheidung ihren Vor- oder Nachnamen ändern lassen. Dafür braucht es gute Gründe – die sind oft traurig oder kurios.

Stuttgart - Man stelle sich vor: Man trägt den schönen Namen Kotz. Das kommt relativ häufig vor, sogar in der Stuttgarter Kommunalpolitik. Ob man sich damit arrangiert oder nicht, hängt wohl sehr von der Dicke des Fells ab, das sich die Betroffenen zwangsläufig zulegen müssen. Es gibt aber Fälle, in denen wird ein Nachname wie dieser zur echten Belastung. Zum Beispiel, wenn dessen Träger als Ernährungsberater arbeitet.

Dieses Beispiel ist nicht erfunden, sondern stammt aus dem reichen Erfahrungsschatz des Stuttgarter Ordnungsamts. Dorthin müssen sich Bürger wenden, wenn sie – unabhängig von Hochzeit, Scheidung oder Adoption – eine behördliche Namensänderung vornehmen lassen wollen. Und das wollen erstaunlich viele. „Im vergangenen Jahr haben wir etwa 700 Vorabanfragen gehabt“, sagt Andreas Deuschle vom Sachgebiet Einbürgerung, Staatsangehörigkeits- und Namensrecht. Weil strenge Voraussetzungen dafür gelten, reden die Mitarbeiter in teils sehr aufwendigen Beratungen vielen Kandidaten ihr Ansinnen aber aus. Letztendlich sind deshalb im vergangenen Jahr 52 offizielle Anträge auf Änderung des Vornamens und 121 auf Änderung des Familiennamens gestellt worden. „Rund 60 Prozent kommen letztlich durch“, weiß Deuschle. Die Zahlen bewegen sich seit Jahren auf ähnlichem Niveau.

Emotionale Entscheidung

Dabei gibt es nichts, was es nicht gibt. „Das ist das pralle Leben – und die Leute sind oft sehr emotional“, so Deuschle. Der eine wolle heißen wie sein Urgroßvater, der andere wie ein berühmter Sportler. Doch solche Gründe zählen nicht. Anders als etwa in England, wo fast jede Namenskombination möglich und die Umbenennung relativ einfach ist, setzt das deutsche Namensrecht enge Grenzen.

„Es reicht nicht, dass einem zum Beispiel der eigene Name schlicht nicht gefällt“, sagt der Experte. Es kann auch nicht jeder einen Antrag stellen. Möglich ist das nur für deutsche Staatsbürger, Staatenlose oder anerkannte Flüchtlinge, die in Deutschland wohnen. Und selbst dann liegt die Latte hoch. „Es muss ein gewichtiger Grund vorliegen“, so Deuschle. Der kann trauriger wie kurioser Natur sein. Zum ersten Fall gehören Menschen, die mit ihrem Namen schlimme Erinnerungen verbinden, etwa weil sie in der Kindheit missbraucht wurden. Allerdings müssen sie deswegen in ärztlicher Behandlung sein, um mit ihrem Anliegen durchzukommen. Zur zweiten Gruppe gehören Beispiele wie der Ernährungsberater – wenn der Name allein oder in Kombination mit Beruf oder sonstigen Umständen so lächerlich klingt, dass er für den Betroffenen nicht mehr zu ertragen ist.

Auch eine benachteiliegende Schreibweise kann ein Grund sein. Wer zum Beispiel ein scharfes „ß“ im Namen hat, häufig aber reist und deshalb immer wieder vor Probleme gestellt wird, beantragt hin und wieder, ein auch international lesbares „ss“ daraus zu machen.

Auch muslimische Namen sind für manche ein Problem

In jüngster Zeit treten in Deutschland auch immer wieder Fälle auf, in denen sich Menschen mit muslimischem Namen davon beeinträchtigt fühlen und ihn deshalb ändern wollen. Die gibt es vereinzelt auch in Stuttgart. Zum Beispiel den Geschäftsmann, der einen muslimischen Vater und eine christliche Mutter hat, sich taufen lässt, aber Mohamad heißt. „Ein solcher Name bedeutet eine starke Prägung“, weiß Deuschle. Leute, die mit dem Islam nichts zu tun haben wollen oder solche, die sich diskriminiert fühlen, denken deshalb auch immer wieder über eine Änderung nach. „Ein ausländisch klingender Name allein wird von uns aber nicht als Grund akzeptiert. In einer Gesellschaft mit einem hohen Migrantenanteil kann das keine Begründung für eine Umbenennung sein“, sagt Deuschle. Aus Mehmet wird also nicht automatisch Matthias, um sich vielleicht im Alltag leichter zu tun.

Wer mit seinem Ansinnen durchkommt, muss in Stuttgart dafür zwischen 200 und 300 Euro bezahlen. Allerdings lauern auch beim neuen Namen Tücken. Denn alles ist auch da nicht erlaubt. Zum Beispiel darf man keinen sogenannten untergegangenen Familiennamen wählen – etwa den der geliebten Großmutter, wenn er inzwischen verschwunden ist. Und es kommt auch nichts infrage, was neue Schwierigkeiten oder Spötteleien aufwerfen könnte. So wie bei einem Kandidaten, der wegen seelischer Verletzungen seinen Nachnamen ändern wollte – in Blumenwiese. „So etwas“, sagt Deuschle, „müssen wir dann gemeinsam mit dem Betroffenen besprechen.“