Die Landwirte Dieter Maier, Micha Ott und Martin Schmid wollen mit der Aktion vor dem Discounter Aufmerksamkeit für ihr Anliegen erzeugen. Foto: Eibner/Drofitsch

Am Donnerstagnachmittag haben sich mehrere Landwirte vor einem Discounter in Weil im Schönbuch getroffen, um mit einer Protestaktion für mehr Verständnis und Unterstützung zu werben.

Vor dem Aldi im Gewerbegebiet Lachental spielen sich am Donnerstagnachmittag ungewöhnliche Szenen ab: Mehrere Traktoren stehen auf dem Parkplatz, einer sogar direkt vor dem Eingang des Marktes. Auf die Ladefläche des Traktors schütten mehrere Landwirte aus dem Kreis Böblingen palettenweise Rasendünger aus Drei-Kilo-Packungen, die sie zuvor im Discounter zu Billigpreisen gekauft hatten – für 1,33 das Kilo. Was hat es mit dieser Aktion auf sich?

 

„Was uns ärgert, ist, dass wir Landwirte Auflagen bekommen, wie viel Dünger wir pro Quadratmeter nutzen dürfen, der Privatmann ohne Ausbildung kann den Dünger aber in den Hausgarten werfen“, sagt Monika Maier, die mit ihrem Ehemann Dieter einen landwirtschaftlichen Betrieb in Weil im Schönbuch führt. Dass da etwas nicht stimmt oder aus dem Lot geraten ist – „darauf wollen wir aufmerksam machen.“

Unzählige Auflagen von der EU, dem Bund und dem Land machen den Bauern schon länger das Leben schwer. Jetzt bekommt alles auch durch den Ukraine-Krieg eine bedrohliche Note: „Wir kriegen von den Zulieferern aktuell keinen Dünger“, sagt der Weilemer Landwirt Dieter Maier. Der Grund dafür: Wegen der explodierenden Gaspreise haben viele große Hersteller die Produktion gedrosselt oder komplett eingestellt. „Wir benötigen 180 bis 220 Kilo Dünger pro Hektar“, sagt Dieter Maier und ergänzt: „Bald sehen wir uns nicht mehr in der Lage, die Bevölkerung zu ernähren.“

Hilferufe von Bauern

Durch Putins Krieg haben es die Landwirte mit einer regelrechten „Kostenschraube“ zu tun, erklärt Ariane Amstutz, Sprecherin des Landesbauernverbandes: „Die Preise für Futtermittel, Energie und Diesel steigen.“ Der am Freitag tagesaktuelle Preis für Kalkammonsalpeter – dem wichtigsten Stickstoffdünger in der Landwirtschaft – habe bei 820 Euro pro Tonne gelegen. „In drei Tagen ist der Preis um 120 Euro gestiegen“, so Amstutz. Und im Vergleich zum Januar 2021 habe sich der Preis beinahe vervierfacht. Aber eben nicht nur der Preis sei das Problem, sondern auch die Verfügbarkeit: „Keiner weiß gerade, wo es noch hingeht“, fasst Amstutz zusammen. Und: Diejenigen, die es in den vergangenen Jahren schon schwer hatten wegen Corona, trifft es jetzt besonders hart.“

Neben den Preissteigerungen und dem Problem, dass Dünger aktuell nicht lieferbar ist, stehe die Landwirtschaft „vor einem extremen Transformationsprozess“, schildert Ariane Amstutz. Dieser bringe zahlreiche Auflagen und Zertifizierungen, die die Landwirte in puncto Tierhaltung und Klimaschutz erbringen müssten. „Die Bauern sind bereit, sich den Veränderungen zu stellen, es muss aber bezahlt werden. Alleine können es viele nicht stemmen“, so Amstutz. „Wir bekommen teilweise Hilferufe von Landwirten, die nicht mehr ein und aus wissen.“ Wie sich das Problem angehen ließe, sei gar nicht so leicht zu sagen. Doch eines stehe fest: „Der Handel hat den längeren Hebel. Und die Bauern können in vielen Bereichen ihre Kosten nicht weitergeben, bei ihnen kommt der kleinste Teil an.“

Ein Dürrejahr würde für die Bauern schlimm werden

Auch global zögen die explodierenden Rohstoffpreise schwerwiegende Folgen nach sich: „Die Ukraine und Russland fallen als Getreide-Exporteure weg“, sagt Ariane Amstutz. Da der Handel der Ukraine mit Getreide über die Schwarzmeerhäfen nach Nordafrika und in den arabischen Raum liefe, würden nun Hungersnöte in einigen Teilen der Welt befürchtet. „Das hat uns alle überrollt“, sagt Amstutz. Die Frage sei nun auch, wie man die weltweite Versorgung aufrechterhalte.

Landwirt Martin Schmid, der sich diese Frage im Kleinen stellt, will dieses Jahr „mehr Sonnenblumen säen und weniger Weizen“. Die Düngerknappheit ließe sich im ersten Jahr teils noch kompensieren, indem schlicht weniger gedüngt wird – sofern ausreichend Regen falle. Ein Trockenjahr wolle sich niemand vorstellen, dann könne der Ertrag locker um 50 Prozent zurückgehen. „Beim Getreide beginnt jetzt die Hauptpflegearbeit“, erklärt Martin Schmid. „Die nächsten vier Wochen sind entscheidend.“

„Bei den Landwirten kommt zu wenig vom Gewinn an“

Michael Wacker, der in Holzgerlingen einen Gemüse- und Obstbetrieb leitet, sagt es so: „Ich würde mir von der Politik mehr Entgegenkommen wünschen.“ Bei all den Auflagen und erhöhten Betriebskosten käme bei den Landwirten am Schluss schlicht zu wenig vom Gewinn an: „Entweder gibt der Staat Preise vor, an die sich jeder halten muss, oder der Lebensmitteleinzelhandel muss dem Erzeuger mehr abgeben“, fordert Wacker. Der Holzgerlinger Landwirt Martin Schmid ergänzt: „Wenn ich jetzt den Weizen vorab an Mühlen verkaufe, den ich im August ernten werde, bekomme ich 28 Cent pro Kilo. Die Erzeugung kostet mich aber 36 Cent das Kilo.“ Er müsse deshalb ohne genügend wirtschaftliche Absicherung in Vorleistung gehen. „Ich würde mir wünschen, dass unsere Abnehmer etwas von unserem Risiko mittragen würden“, sagt Schmid. Doch insbesondere die größeren Lebensmittelhändler seien dazu nicht bereit.

Russland-Ukraine-Krieg: Die Preise explodieren

Steigende Erdgaspreise
 Bereits im vergangenen Jahr hatte der Düngerhersteller „Yara“ seine Produktion erheblich gedrosselt.

Exportstopp
 Russlands Wegfall als einer der weltweit größten Ammoniumnitrat-Exporteure verringert das Düngemittelangebot. Auch ein großer Teil der weltweiten Kali-Exporte stammen aus Russland und Weißrussland.

Düngemittelherstellung
 Seit dem Krieg in der Ukraine und der Unterbrechung der Schifffahrt im Schwarzen Meer klettern die Preise für Erdgas rasant.

Kornkammer Europas
 Russland und die Ukraine haben beim weltweiten Handelsvolumen von Weizen einen Anteil von 30 Prozent.

Bedrohung
 Eine längere Unterbrechung der Versorgung mit Dünger könnte die globale Getreideproduktion erheblich beeinträchtigen.