Quentin und die Leiterin des Aktivspielplatzes Martina Müller Foto: Gottfried Stoppel

Der Aktivspielplatz Backnang wird während der Osterferien zur Zauberschule Hogwarts. Das war Quentins Idee. Auf dem Aktivspielplatz entscheiden die kleinen Besucher alle paar Wochen in Kinderkonferenzen was gemacht wird.

Backnang - Frau Professor Müller leitet zwar den Aktivspielplatz in Backnang, aber mit Harry Potter und seinen Freunden kennt sie sich nicht so gut aus. Martina Müller ist freilich auch nicht wirklich Professorin, sondern Erzieherin. Aber während der zweiten Osterferienwoche ist alles anders als sonst auf dem umzäunten Gelände mit den kleinen Hütten am Backnanger Stadtrand. Und das war Quentins Idee.

Quentin ist zwölf Jahre alt. Der Schüler des Backnanger Taus-Gymnasiums hat in einer der regelmäßig tagenden Kinderkonferenzen vorgeschlagen, dass der Aktivspielplatz für ein paar Tage zu Hogwarts wird. Hogwarts ist die Schule für Zauberei in den Harry-Potter-Büchern der britischen Erfogsautorin Joanne K. Rowling.

Arbeit gegen den Bildungskonsum

Also sitzen an diesem Apriltag mit Schneeschauern und ein bisschen Sonnenschein gut ein Dutzend Sechs-bis Zwölfjährige beisammen und basteln sich ihre Zauberstäbe und Hüte. Manche malen konzentriert die Wappen der vier Häuser der Hogwarts-Zaubereischule: von Ravenclaw, Slytherin, Gryffindor und Hufflepuff. Frau Professor Müller sagt, sie kenne sich mit Harry Potter nicht wirklich gut aus, aber das sei ja kein Problem, denn Quentin habe sich die meisten Aktivitäten für diese tollen Tage im Backnanger Hogwarts ausgedacht: Dass die Kinder auf die vier Häuser verteilt werden, dass sie sich ihre Verkleidungen selber basteln, dass Spiele gespielt werden, wie in den Büchern und Filmen. So darf zum Beispiel der rasante Besensport Quidditch nicht fehlen. Dank der Seilbahn auf dem Gelände können die Kinder durch die Luft fliegen.

Der Name ist Programm – schon seit rund 40 Jahren: Auf dem Aktivspielplatz in der Straße Untere Au sollen „die Kinder aktiv werden“, sagt Martina Müller, die hier von allen nur Tine gerufen wird. „Wir versuchen, gegen den Bildungskonsum zu arbeiten.“ Die kleinen Gäste sollen und müssen sich einbringen. Eins der wenigen Gebote lautet: keine Handys auf dem Gelände. Montags bis donnerstags können die Kinder nach der Schule im Hüttendorf herumtollen, das Hochbeet pflegen oder filzen. Für alle Aktivitäten gibt es sogenannte Expertenteams, also Kinder, die den anderen Kindern sagen, wie etwas geht.

An diesem Tag in Hogwarts ist Quentin der Experte. Er erzählt, dass er erst vier Harry-Potter-Filme gesehen habe. „Bei uns daheim gibt es nämlich eine eiserne Regel: erst das Buch lesen, dann darf ich den Film angucken.“ Der elfjährige Markus sagt, ihm gefalle an Harry Potter, dass die Autorin eine tolle eigene Welt erschaffen habe. Und Elias sagt, er habe das erste Potter-Buch mit mehr als 300 Seiten an drei Tagen ratzfatz durchgelesen. Mariana ist erst sieben, für sie war der erste Film „ein bisschen zu gruselig“. Will sie trotzdem die anderen Filme anschauen? „Na klar.“

Dem Alltag entfliehen

Quentin erzählt, dass ihm der Aktivspielplatz gefalle, weil „ich hier dem Alltag entfliehen kann“ – nicht bloß während der Ferien mit Harry Potter, sondern auch während der Schulzeit. Fachmann Quentin spricht – ganz Experte – von einer „Zufluchtstätte für Kinder, deren Mütter nachmittags arbeiten müssen“. Auch für Vanessa Schirele ist der Aktivspielplatz eine Art Zufluchtsort. Die junge Frau macht seit September 2016 auf dem Platz ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ). Nach dem Abitur habe sie noch nicht gewusst, was sie beruflich machen will. Mittlerweile hat sie sich entschieden: Nach dem FSJ werde sie sich in Stuttgart zur Diätassistentin ausbilden lassen.

Frau Professor Müller läutet die Glocke. Eben ist die Sonne hinter den Wolken hervor gekommen. Also treffen sich alle Zauberschüler mit ihren Stäben und Hüten zunächst draußen bei der Feuerstelle. Dann verteilen sich die jungen Magier auf die vier Hogwarts-Häuser.

Die kleine Laura betrachtet ihren Zauberstab und sagt dann: „Wenn ich könnte, dann würde ich mir einen Hund zaubern.“