Sophie Rimmele ist vergangenen Sommer in den landwirtschaftlichen Betrieb ihrer Eltern eingestiegen. Das Hofgut Loh in Großbottwar produziert Weinessige und Balsamico – und lädt zum ersten Sommerbesen.
Großbottwar - In Zeiten, in denen immer mehr gerade kleinere landwirtschaftliche Betriebe aufgeben, will sie durchstarten. Vergangenen Sommer stieg Sophie Rimmele im Betrieb ihres Vaters Martin Ziegler mit ein. Seitdem ist schon einiges passiert. Wer mit dem Auto auf den Aussiedlerhof im Großbottwarer Gewann Loh fährt, der wird mit einem großen, an einer Scheune angebrachten Transparent auf die Neuerungen aufmerksam. Das Logo des Hofguts Loh prangt in schwarzen Lettern auf weißem Grund.
In den 1970er Jahren zogen Rimmeles Großeltern aus der Stadt vor die Tore der Stadt. Noch heute leben sie zusammen mit den Eltern Beate und Martin Ziegler auf dem Aussiedlerhof. Sophie Rimmele, eine von vier Töchtern, lebt mit Mann und Tochter in Großbottwar. Den Tag verbringt sie jedoch so gut wie immer auf dem Hof. Dort arbeitet sie Hand in Hand mit dem Vater auf den Feldern und treibt ihr eigenes Projekt, die Produktion von Weinessig und Balsamico voran. Mit großem Elan und viel Kreativität.
Vor 15 Jahren hat die Familie die Milchviehhaltung eingestellt. Der Familienunterhalt wird mit Ackerbau, Streuobstwiesen und Weinbau verdient. Die Weinberge liegen alle auf Großbottwarer Gemarkung, erzählt die 28-Jährige. Am Wunnenstein, Köchersberg, Harzberg und Böning reift ein bunter Rebsortenmix heran. „Wir sind breit aufgestellt“, sagt Rimmele, die in Heilbronn Weinbetriebswirtschaft studiert und danach bei einem Weinhändler gearbeitet hat. Vergangenen Sommer schloss sie die Prüfung als Weintechnikerin ab.
„Ich wollte den Hof, der seit Generationen zu unserer Familie gehört, weiterführen – auch wenn es schwierig ist“, erklärt sie den beruflichen Schritt, für den es Mut, Optimismus aber auch Visionen braucht. Und die hat sie zweifelsohne.
Bei einem Urlaub in der Steiermark vor zwei Jahren stießen sie und Ehemann Paul immer wieder auf kleinere Höfe, die Essig produzierten und verkauften. „Wir haben viel verkostet, und damals habe ich den Entschluss gefasst, das selbst auch machen zu wollen“, erzählt Sophie Rimmele und lacht.
Vier Produkte sind bereits auf dem Markt. Ein roter und ein weißer Weinessig sowie ein roter und ein weißer Balsamico. Grundlage sind Trauben der Rebsorte Müller Thurgau und Trollinger. „Ich wollte unbedingt etwas mit Müller Thurgau machen, weil der so intensiv in der Nase ist“, erzählt die Großbottwarerin. Für den normalen Essig werden dem Wein Essigsäurebakterien zugesetzt, die ihn sozusagen in einer zweiten Gärung zu Essig machen. Für den Balsamico braucht es zusätzlich noch einen Traubensaft. In 180-Liter-Edelstahltanks reifen die Essige. „Für einen guten Essig braucht es auch einen guten Wein“, betont Rimmele und lehrt den Volksmund eines Besseren. „Da ist der Essig ja eher negativ belegt“, sagt sie und schmunzelt.
2500 Flaschen hat sie bereits produziert und in schlichte, aber moderne 0,5- beziehungsweise 0,25-Liter-Flaschen abgefüllt. Das Etikett hat eine Designerin aus Stuttgart entworfen. Darauf zu sehen sind ein Wengerthäusle, Trauben, ein Baum, ein Vogel, ein Blatt und eine Hand. „Das Etikett erzählt eine Geschichte.“ Der Baum steht für Nähe zur Natur. Der Betrieb will in die ökologische Landwirtschaft einsteigen und ist bereits Mitglied bei Bioland. Der Vogel steht für die unzähligen Schwalben, die sich im alten Stall auf dem Hofgut heimisch fühlen.
Rimmeles Essige kommen an. „Die Rückmeldungen aus den Hof- und Feinkostläden, in denen wir verkaufen, sind gut“, freut sich die 28-Jährige. Ein eigener Hofladen steht auf der Agenda. In Großbottwar sind die Produkte aus der Hofgut-Essigmanufaktur derzeit in der Eselsmühle und im Getränkemarkt Apfelbach zu kaufen – und über die eigene Homepage. Aber auch in Obersulm, in Hoffenheim und in Stuttgart stehen sie in Verkaufsregalen.
Was man mit einem guten Essig alles machen kann, das will Sophie Rimmele beim Open Air Sommerbesen auf dem Hof zeigen. Auch das eine Neuerung, die die Juniorchefin eingeführt hat. „Mein Onkel Axel Wengert ist Koch und betreibt in Esslingen ein Catering-Unternehmen“, erzählt die Nichte. Corona hat die Situation für die Gastronomie bekanntermaßen erschwert. Also hat die Familie beschlossen, aus der Not eine Tugend zu machen. Axel Wengert kocht mit Rimmeles Produkten. Auf der Speisekarte stehen unter anderem Zwiebelrostbraten vom Grill im Balsamicosößle, hausgemachte Maultaschen geschmälzt mit Kartoffelsalat an Weißweinessig oder Garnelenspieß vom Grill mit weißem Balsamico-Zitronensößle. Auch Süßes wird nicht fehlen. Die Gäste dürfen sich auf eine Vanille Panna Cotta mit Heidelbeer-Balsamicosoße freuen. Weine gibt es von den Bottwartaler Winzern, den Kleinbottwarer Weingütern Graf Adelmann und Waldbüsser, dem Weingut Jule Mayr aus Hohenhaslach und dem Remstäler Weingut Sterneisen aus Grunbach.
Mit der Stadt Großbottwar hat Sophie Rimmele ein Hygienekonzept erarbeitet. Maximal 99 Gäste dürfen im Hof bewirtet werden. Wenn’s regnet, wird in die Scheune ausgewichen, in der die 28-Jährige schon ihre Hochzeit gefeiert hat.