In der Immenhofer Straße herrscht Lounge-Atmosphäre beim Stöbern. Foto:  

Shoppen, feilschen, mit den Nachbarn tratschen: Zum ersten Mal fanden im Lehenviertel die Hofflohmärkte statt. Das Konzept aus München kommt auch in Stuttgart sehr gut an. Zahlreiche Nachbarn haben ihre Hinterhöfe am Samstag dafür geöffnet und sich mit Verkaufsständen und Aktionen beteiligt.

S-Süd - Bewohner des Lehenviertel haben am Samstag ihre Keller und ihre Dachböden leer geräumt. An jeder Ecke waren Stände aufgebaut mit Kleidern, alten Schallplatten, Spielsachen und Antiquitäten. Ein vorbei flanierendes Ehepaar kombinierte daher messerscharf: „Hier scheint heute überall Flohmarkt zu sein.“

Zahlreiche Hausgemeinschaften aus dem Viertel hatten sich zusammengeschlossen und ihre Hinterhöfe für Besucher geöffnet. Bei Angela Reuß, Sandra Weber und Sandra Wolf in der Römerstraße gab es nicht nur alte Sachen günstig zu erwerben. Die drei Nachbarinnen hatten sogar Limonade mit frischer Minze und selbst gemachten Eistee im Angebot. „Wenn es heiß ist, haben die Leute ja auch Durst“, sagte Angela Reuß. Außerdem habe sie ein Faible für Getränke mit frischen Zutaten, die wolle sie nun auch an den Mann oder die Frau bringen. Die Herren aus dem Nachbarhaus konterten deshalb mit Fleisch und Wurst vom Grill. „Wir haben hier eine gute Gemeinschaft in unserem Hinterhof“, sagte Reuß. Gemeinsam haben sie die Stände geplant.

Das ist die Idee der Hofflohmärkte. Die Nachbarn zusammenbringen und die Viertelkultur stärken, sagt René Götz. Bereits vor zehn Jahren ist der Münchner mit seinem Konzept in der bayrischen Landeshauptstadt gestartet. Dort gehören die Hofflohmärkten in rund 25 Stadtvierteln längst zum festen Sommerprogramm.

Nun ist der Trend zum Flohmarkt in Garten- und Hinterhöfen auch in der schwäbischen Landeshauptstadt angekommen. Der erste Hofflohmarkt in Stuttgart fand vor zwei Wochen im Westen statt und war mit 80 Teilnehmern ein voller Erfolg. Am Samstag zog das Lehenviertel nach. Rund 30 Hofgemeinschaften beteiligten sich im Süden an der Veranstaltung mit eigenen Ständen und Aktionen.

Auch Gäste sind erlaubt. Heidi Glöckner hat sich mit ihrer Tochter Silvia rein geschmuggelt, obwohl sie aus dem Westen kommen. „Wir haben uns bei den angemeldeten Höfen durchgefragt und hatten Glück.“ Auch sie hat an ihrem Stand in der Liststraße Selbstgemachtes im Repertoire. Von ihren gehäkelten Donuts und Cupcakes ist manche Passantin ganz entzückt.

Mutter Heidi Glöckner ist ein bekennender Flohmarkt-Fan. Sie liebe es auch als Kundin auf Märkten „umherzustromern“. Am Hofflohmarkt schätzt sie die Individualität. Und: „Man hat so schnell Kontakt zu den Menschen und alles ist so entspannt“, sagte sie.

Ganz entspannt hat es sich auch eine Hausgemeinschaft in der Immenhofer Straße gemacht. Mit Lounge-Musik, Waffelstand und Planschbecken locken sie Besucher in ihren Hinterhof. Außerdem scheinen sie allerlei Exklusives im Angebot zu haben. Mancher Kunde der hippen Flohmarkt-Community fährt mit Range Rover oder Porsche vor. Auch das Prinzip Hofflohmarkt wird authentisch gelebt, der Austausch mit den Nachbarn steht im Vordergrund. „Wie geht’s mit dem neuen Freund?“ fragte die eine. Die andere: „Super, ich habe jetzt ein ganz anderes Freizeitprogramm wie noch als Single. Nächste Woche Bikram-Yoga?“

Heimelig ging es im Hof von Claudia Bindereif und ihrer Tochter Cleo zu. Dort fanden sich typische Flohmarkt-Raritäten für Liebhaber wie ein „Oh wie schön ist Panama“-Buch, handsigniert im Jahr 1988 von „Tante Bärbel aus München“. Dazu reichte Cleo selbst gebackenen Kuchen und frisches Obst. „Ich muss ständig Nachschub produzieren“, sagte sie stolz. Mutter Claudia hingegen war glücklich über die Verkaufssituation: „Die Schallplatten laufen super.“ Und wenn die eine Kiste leer sei, könne sie einfach schnell nach oben und eine neue holen. „Das ist so praktisch hier.“ Und mitten im Flohmarkt-Flow ließ sich eine Frau sogar zu einem fast schon sinnlosen Kauf hinreißen. Ein weißes Häkelkleidchen für Babys hatte es ihr angetan. „So süß.“ Von dem war auch die Verkäuferin selbst ganz entzückt. „Das können sie auch kaufen, wenn sie keine Kinder haben“, empfahl sie. Darauf die Kundin: „Hm ja  . . . ähm ich habe tatsächlich keine Kinder.“