Der Fotobeweis: Ein Rettungswagen kann nicht in die Scheffelstraße im Westen – zu eng Foto: StN

Wenn es um jede Sekunde geht, ist Falschparken kein Kavaliersdelikt mehr. Feuerwehr und Rettungsdienste beklagen mangelnde Verkehrsdisziplin in den Wohnstraßen. Schon wird die Forderung nach höherem Bußgeld laut.

Stuttgart - Es gibt Situationen, da stehen selbst routinierte Rettungskräfte kurz vorm Herzinfarkt. Medizinischer Notfall im Stuttgarter Westen, Sonntag kurz nach 19 Uhr, Einsatzort Rosenberg- und Scheffelstraße. Notarzt und Rettungswagen nähern sich dem Haus des Patienten, es geht um Sekunden. Und dann geht nichts mehr.

Links und rechts und in der Kurve der Einmündung haben Falschparker ihre Fahrzeuge abgestellt, und der Rettungswagen kommt nicht durch. Reichlich hilflos steht die Besatzung auf der Kreuzung – und wird selbst ein Hindernis für andere Autofahrer, die sich noch am Rettungswagen vorbeizudrücken versuchen. Über die gemeinsame Leitstelle von Feuerwehr und DRK wird die Polizei zu Hilfe gerufen.

„Dass eine Fahrspur für Rettungsfahrzeuge mindestens drei Meter breit sein muss, dass ein Löschfahrzeug im Brandfall in der Kurve fünf Meter braucht, das bedenken Falschparker überhaupt nicht“, klagt Stefan Eppinger von der Stuttgarter Feuerwehr. Der Leiter der Abteilung Vorbeugender Brandschutz staunt immer wieder über die Arglosigkeit, mit der Straßen zugeparkt werden. „Wenn man einen Schlauch länger ausrollen muss, ist das vielleicht weniger schlimm“, sagt Eppinger, „aber nicht, wenn man zur Menschenrettung mit einem Drehleiterfahrzeug nah ran muss.“

Mit der Planung von Rettungsgassen und neuen Bauvorschriften, wonach Feuerwehrfahrzeuge bis 50 Meter vor die Haustür fahren können müssen, versuche man vorbeugend Platz zu schaffen. Doch viel entscheidender sei das Verhalten der Autobesitzer: „Wenn die Leute wenigstens die Straßenverkehrsordnung einhalten würden, hätten wir schon viel gewonnen.“

Der Disziplin nachzuhelfen, dafür sind die Verkehrsüberwacher des städtischen Ordnungsamts zuständig. Die sehen die Probleme nicht nur auf den Stuttgarter Westen beschränkt: „Diese Form des Parkens finden wir im gesamten Stadtgebiet“, sagt Dienststellenleiter Joachim Elser. Es sei daher unmöglich, überall so zu kontrollieren, um Rettungseinsätze zu gewährleisten.

Immerhin habe die Stadt aber seit Oktober ein neues mobiles Überwachungsteam im Einsatz, um an Brennpunkten zu patrouillieren. Dazu wurden drei Fahrzeuge angeschafft, um die sechs Mitarbeiter dorthin ausrücken zu lassen, wo es entsprechende Hinweise und Beschwerden zu sicherheitsrelevanten Brennpunkten gibt.

Das Konzept der mobilen Eingreiftruppe gilt schon nach kurzer Zeit als überaus erfolgreich. Zum Beispiel an einem der derzeit spektakulärsten Falschparker-Brennpunkte – den Wohnstraßen im Stuttgarter Norden rund um das Einkaufszentrum Milaneo. „Das Sonderüberwachungsteam war dort am ersten Adventssamstag von 17 bis 19.30 Uhr im Einsatz“, berichtet Elser, „und ahndete in dieser Zeit 152 Verstöße.“ Überhaupt scheint die Schwerpunktaktion längerfristig nötig zu sein. Am Samstag, 29. November, mussten insgesamt 445 Verwarnungen gegen Falschparker ausgestellt werden. Am letzten Samstag, 6. Dezember, parkten erneut zahlreiche Einkaufsbummler trotz Verbotsschildern im Wohngebiet. Hierfür waren laut Elser erneut 408 Strafzettel notwendig.

Eine Initiative namens Clevere Städte, der sich am Montag auch der ökologische Verkehrsclub Deutschland (VCD) angeschlossen hat, fordert per Petition den Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt auf, härter gegen Falschparker vorzugehen: Parken auf Geh- und Radwegen soll 80 Euro kosten, das Bußgeld fürs Parken in zweiter Reihe soll von maximal 35 auf 100 Euro steigen. Fürs Blockieren von Behindertenparkplätzen sollen 130 Euro fällig werden. „Das ist kein Kavaliersdelikt“, sagt Matthias Lieb vom VCD Baden-Württemberg, „man muss die Bußgelder anheben, um eine abschreckende Wirkung zu erzielen.“

Wie der brenzlige Fall im Stuttgarter Westen ausging, darüber liegen keine Informationen vor. Der Patient wurde jedenfalls vom Notarzt behandelt, transportfähig gemacht und dann auf einer Trage auf dem Gehweg bis zum Rettungswagen auf der Kreuzung gebracht. Den Falschparkern, die einen Rettungsdienst behindern, drohen normalerweise ein Bußgeld von 60 Euro und ein Punkt im Flensburger Sünderregister. Doch als eine Polizeistreife 20 Minuten später an Ort und Stelle eintraf, war der Patient dann weg – und Parkverstöße, so ein Polizeisprecher, „waren nicht mehr festzustellen“.

Wissen, was wichtig ist – abonnieren Sie hier den StN-Newsletter