Pflegepersonal soll besser verdienen – darüber herrscht weitestgehend Einigkeit. Bei der Finanzierungsfrage sieht das anders aus. (Symbolbild) Foto: dpa/Christoph Schmidt

Wie wichtig Pflegeberufe sind, hat Corona nochmals sehr deutlich gezeigt. Dass Pflegepersonal mehr Geld bekommen soll, stößt auf große Zustimmung. Die Pläne zur Finanzierung rufen geteiltes Echo hervor.

Stuttgart - Es könnte eigentlich ein erfreulicher Tag für Menschen werden, die in Pflegeberufen arbeiten. Bereits am Mittwoch will das Kabinett die Pflegereform beschließen, die höhere Löhne für Pflegekräfte vorsieht. Darauf hatten sich CDU und SPD vor wenigen Tagen verständigt. Besonders Beschäftigte in außertariflich entlohnten Arbeitsverhältnissen sollen profitieren: Pflegeeinrichtungen sollen nur noch dann Geld aus der Pflegeversicherung bekommen, wenn bei ihnen nach Tarif bezahlt wird. Kritik an den Plänen gibt es dennoch – und zwar wegen des Finanzierungsmodells.

 

Bei Twitter ist der Ärger darüber groß, dass Kinderlose besonders zur Kasse gebeten werden und höhere Beitragszahlungen zur Pflegeversicherung leisten sollen – soweit der Gesetzesentwurf bekannt. Bei vielen Frauen reißt das die Wunde auf: Will der Staat mich in eine klassischen Frauenrolle drängen, Kinder zu gebären und so meine Karriere oder eigenen Lebensentwürfe auszubremsen?

So oder so ähnlich formulieren es viele Frauen im Netz, die ihre Ablehnung gegenüber der geplante Reform äußern.

Manchen will auch nicht in den Kopf, warum gerade Kinderlose – und nicht zum Beispiel Besserverdienende – für die finanziellen Mittel aufkommen sollen.

Häufig – wie hier – wird das umstrittene Finanzierungsmodell als „rückständig“ beschrieben.

Und auch bei einigen Menschen aus der Pflegebranche, die selbst von den Plänen profitieren könnten, kommt die Idee nicht gut an.

Kritik kommt aber nicht nur von heterosexuellen Frauen. Viele Nicht-Heterosexuelle auf Twitter sehen sich durch geplante Steuererhöhungen für Kinderlose benachteiligt.

Mittlerweile hat das Satire-Magazin „extra3“ einen Videobeitrag zum Thema verfasst, der in sozialen Netzwerken überwiegend positiv aufgenommen wird.

Gegenstimmen sind zumindest auf Twitter deutlich in der Unterzahl. Häufig wird vorgerechnet, was Kinder Eltern kosten, bis sie aus dem Haus sind – und eine Entlastung kinderhabender Menschen damit gerechtfertigt sei.

Aber auch jenseits der Empörungskultur im Netz wird Kritik an dem Gesetzesentwurf geübt. Der Sozialverband VdK bemängelt, dass sich die Katze in gewisser Weise in den Schwanz beiße. „Es ist ein richtiger Schritt, Pflegekräfte besser zu entlohnen, aber die Pflegebedürftigen bezahlen am Ende die Zeche“, sagt die VdK-Präsidentin Verena Bentele. Schon jetzt könnten viele die Kosten kaum aufbringen. „Jede Gehaltssteigerung bei den Pflegekräften erscheint prompt auf der Rechnung der Pflegebedürftigen.“

Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Denn die Finanzierung der Prämien, die Anreize für Pflegedienste schaffen sollen, tariflich zu bezahlen, sollen den aktuellen Plänen zufolge nicht allein von Kinderlosen geschultert werden, sondern auch anteilig vom Bund und damit von allen Steuerzahlern. Laut Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sollen Pflegebedürftige außerdem durch einen niedrigeren Eigenanteil entlastet werden.

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Langfristig seien allerdings weitere Reformen der Pflegeversicherung nötig. Heil zielt dabei auf eine Bürgerversicherung für alle ab. „Der Weg, den ich dann richtig finde, ist eine Pflegebürgerversicherung, in die alle einzahlen, damit wir das auf ein Fundament stellen, das breiter ist“, sagte Heil dem rbb.

Dietmar Bartsch, der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, hätte genau so eine Bürgerversicherung gerne schon jetzt gesehen. „Die willkürliche Beitragserhöhung für Kinderlose landet in Karlsruhe“, schrieb er auf Twitter.