Die Suche nach einem Impfstoff erscheint dringlicher denn je. (Symbolbild) Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Die Zahl der Neuinfektionen steigt weiter. „Eine weitere Verschärfung der Situation muss unbedingt vermieden werden“, warnt das Robert Koch-Institut. Kliniken geraten aber bei weitem noch nicht an Kapazitätsgrenzen.

Berlin - Die Zahl der täglich gemeldeten Neuinfektionen in Deutschland hat den höchsten Wert seit Anfang Mai erreicht. Die Gesundheitsämter in Deutschland haben nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) 1226 neue Corona-Infektionen innerhalb eines Tages gemeldet. Höher lag der Wert zuletzt am 09. Mai mit 1251 registrierten Neuinfektionen.

Der Anteil an Kreisen, die keine Neuinfektionen übermittelt haben, sei in den vergangenen Wochen deutlich zurückgegangen. „Dieser Trend ist beunruhigend“, so das RKI. „Eine weitere Verschärfung der Situation muss unbedingt vermieden werden.“ Besonders betroffen seien derzeit Nordrhein-Westfalen und Hamburg, wo ein deutlicher Anstieg auffalle.

Mit den Grenzöffnungen sei der Anteil aus dem Ausland eingetragener Infektionen deutlich gestiegen, heißt es im aktuellen Situationsbericht des RKI. In der Meldewoche vom 3. bis 9. August habe er bei 31 Prozent gelegen. Am häufigsten seien bei Ansteckungen im Ausland in den vergangenen vier Wochen Länder des Westbalkans, die Türkei, Bulgarien, Rumänien, Polen und Spanien als wahrscheinlicher Infektionsort genannt worden.

Der Höhepunkt bei den täglich gemeldeten Neuansteckungen hatte Anfang April bei mehr als 6000 gelegen. Die Zahl war danach in der Tendenz gesunken, seit Ende Juli steigt sie wieder. Experten sind besorgt, dass es zu einem starken Anstieg der Fallzahlen kommen könnte, der die Gesundheitsämter bei der Nachverfolgung von Ansteckungsketten an Grenzen bringt.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sagte am Mittwoch dem Deutschlandfunk, mit jeder weiteren Zunahme werde es für die Gesundheitsämter schwieriger. Es gelte, „sehr, sehr wachsam“ zu sein. Das Gesundheitssystem könne die derzeitigen Infektionszahlen jedoch noch gut bewältigen.

Nach Daten aus dem sogenannten Divi-Intensivregister sind an den darin erfassten 1274 Klinikstandorten derzeit (Stand 11.8. 12.15 Uhr) 71 Prozent der insgesamt 30 390 Intensivbetten belegt, rund 8800 stünden für Covid-19- und andere Patienten noch zur Verfügung. Derzeit werden demnach 234 Covid-19-Patienten intensivmedizinisch behandelt, 139 von ihnen werden beatmet. Divi steht für Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin.

Anders als Mitte Juni, als es beispielsweise beim Schlachtbetrieb Tönnies in Nordrhein-Westfalen einen großen Corona-Ausbruch gab, ist der jetzige Anstieg nicht hauptsächlich auf einzelne Brennpunkte zurückzuführen. Auf Landkreisebene sind die Zahlen oft nur leicht gestiegen. Doch über alle Kreise hinweg summiert sich dieser Effekt. Experten fürchten eine solche Entwicklung, weil sie sich nicht mit einigen wenigen harten Maßnahmen auf rein lokaler Ebene eindämmen lässt. Als Ursache für den Anstieg hatte RKI-Präsident Lothar Wieler Nachlässigkeit bei der Einhaltung der Verhaltensregeln genannt.

Seit Beginn der Corona-Krise haben sich mindestens 218 519 Menschen in Deutschland nachweislich mit dem Virus Sars-CoV-2 infiziert, wie das RKI am Mittwochmorgen im Internet meldete (Datenstand 12.8., 0.00 Uhr). Seit dem Vortag wurden sechs neue Todesfälle gemeldet. Die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion liegt nach RKI-Angaben nun bei 9207. Bis Sonntagmorgen hatten 198 800 Menschen die Infektion nach RKI-Schätzungen überstanden. Der Mittelwert des Alters der Infizierten liegt derzeit bei 34, im April hatte er noch bei um die 50 gelegen - der Anteil jüngerer Infizierter nahm seither merklich zu.

Die Reproduktionszahl, kurz R-Wert, lag nach RKI-Schätzungen mit Datenstand 11.8., 0.00 Uhr, in Deutschland bei 0,97 (Vortag: 1,09). Das bedeutet, dass ein Infizierter im Mittel etwa einen weiteren Menschen ansteckt. Der R-Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen etwa eineinhalb Wochen zuvor ab.

Zudem gibt das RKI ein sogenanntes Sieben-Tage-R an. Es bezieht sich auf einen längeren Zeitraum und unterliegt daher weniger tagesaktuellen Schwankungen. Nach RKI-Schätzungen lag dieser Wert mit Datenstand 11.8., 0.00 Uhr, bei 1,04 (Vortag: 1,05). Er zeigt das Infektionsgeschehen von vor 8 bis 16 Tagen.

Die R-Werte liegen nach RKI-Angaben seit Mitte Juli 2020 wieder bei 1 beziehungsweise leicht darüber. „Dies hängt mit einer größeren Anzahl kleiner Ausbrüche, aber auch mit den bundesweiten Fallzahlen zusammen, die seit den Lockerungen der Maßnahmen sowie durch zunehmende Fälle unter Einreisenden in den letzten Wochen stetig gestiegen sind“, hieß es.

Von den gut 9000 in Zusammenhang mit Covid-19 Verstorbenen (4,2 Prozent aller bestätigten Fälle) waren etwas mehr als die Hälfte Männer (55 Prozent). Der Altersdurchschnitt der Verstorbenen liegt nach den RKI-Daten bei 81 Jahren. Bislang seien lediglich drei Covid-19-Todesfälle bei unter 20-Jährigen übermittelt worden. „Die verstorbenen Personen waren im Alter zwischen 3 und 18 Jahren, alle hatten Vorerkrankungen.“