Hochzeitsmesse im ICS-Kongresszentrum in Stuttgart Foto: Julia Schramm/Julia Schramm

Am Wochenende findet die Hochzeitsmesse im ICS-Kongresszentrum in Stuttgart statt. Die Branche wurde schwer von der Corona-Pandemie getroffen – und erwartet dafür nun einen regelrechten Boom bei den Trauungen.

Stuttgart - Lukas und Martha-Sophia sind früh dran – und doch zu spät. Denn heiraten wollte das Paar aus Stuttgart ursprünglich im kommenden Frühjahr. „Unsere Wunsch-Location war aber für 2022 schon ausgebucht“, sagt der 27-jährige künftige Bräutigam, der am Samstagvormittag auch gleich den Familiennachwuchs mit auf die Hochzeitsmesse im ICS-Kongresszentrum gebracht hat.

Die jungen Eltern sind beileibe keine Spätstarter in Sachen Hochzeitsvorbereitung: „Das meiste haben wir längst organisiert“, sagt die angehende Braut. „Wir wollten uns jetzt hier nur noch über Catering, Fotograf, Frisur und Make-up informieren.“ Wegen des enormen Andrangs auf die begehrten Veranstaltungsorte und kaum noch freien Terminen auf den Standesämtern, haben die beiden ihre Hochzeit jedoch kürzlich auf übernächstes Jahr verschieben müssen.

Nachholbedarf bei heiratswilligen Paaren

Keine Frage: Unter heiratswilligen Paaren herrscht derzeit enormer Nachholbedarf – und damit auch in einer ganzen Wirtschaftsbranche, die in normalen Zeiten am Glücksversprechen rund um den „schönsten Tag des Lebens“ prächtig verdient. „Das wird nächstes Jahr wie eine Bombe einschlagen“, sagt denn auch Pavlos Tselepidis, Chef von „Anzug-Tempel“ in Abstatt bei Heilbronn.

Der Herrenausstatter ist einer von rund 110 Ausstellern, die am Wochenende mit der Hochzeitsmesse „wir heiraten!“ endlich wieder durchstarten wollen. Nachdem wegen der Pandemie viele Paare ihre Vermählung zum Teil gleich mehrmals verschieben mussten, ziehe seit Juni bei dem Spezialisten für exklusive Herrenanzüge das Geschäft wieder merklich an. Für das kommende Jahr erwartet Tselepidis dann den großen Ansturm, zumal die Herren, anders als die Damen, beim Thema Hochzeitsstaat erfahrungsgemäß auf den letzten Drücker kämen.

Brautmoden-Trends von vor der Pandemie setzen sich fort

Wie bei der Herrenmode, wo noch immer gerne Anzüge im feinen britischen Stil mit Schiebermützen kombiniert werden, steht auch bei der Brautmode weiterhin Vintage-Style hoch im Kurs. „Weiche, fließende Formen mit Spitze“, erklärt Anna Fortunato von „Turteltaube Hochzeitsmoden“ in Freiberg am Neckar. „Ein bisschen Hippie darf‘s noch immer sein.“ Aber auch die „Prinzessin“ sei wieder im Kommen, weiß die Expertin für Brautroben. „Dann kann es auch wieder mehr glitzern.“

Überhaupt scheinen sich viele Trends, die vor Corona schon angesagt waren, auch nach der Pandemiepause erst einmal fortzusetzen: Beim Trauring-Spezialisten „Ewige Ringe“ aus Böblingen werden bereits seit drei bis vier Jahren häufig Verlobungsringe angefragt, die anschließend kombiniert mit einem dazu passenden Trauring am Finger getragen werden. Geschäftsführer Murat Bayazit spürt auch in seinem Branchensegment „Nachholeffekte“. Dass die auch nötig sind, darüber lässt der Schmuckhändler keine Zweifel aufkommen: Nachdem das Unternehmen während der Pandemie einen Nachfragerückgang von rund 40 Prozent verschmerzen musste, gehe es nun endlich wieder aufwärts.

In der Branche sei nach wie vor Zurückhaltung zu spüren

Dass die Paare nach der langen Wartezeit jetzt gleichwohl nicht unbedacht den Gang zum Standesamt antreten sollten, auch darüber konnten sich Interessierte auf der zweitägigen Messe am Wochenende informieren: Während sich sonst in der Kongresshalle der Messe Stuttgart alles um das große Glücksgefühl drehte, informierte der Fachanwalt für Familienrecht Stephan Gerstenmeier darüber, was eigentlich passiert, wenn das Glück wieder zerbrechen sollte. Ganz unromantisch erinnerte der Anwalt die zumeist jungen Paare daran, dass die Ehe nicht zuletzt ein Vertrag zwischen zwei Menschen ist.

Nachdenkliche Töne stimmte auch Ralf Schulz an: Nachdem im vergangenen Jahr die Hochzeitsmesse einen Tag, bevor der Standaufbau begann, abgesagt werden musste, sei 2021 nun erst einmal ein „Übergangsjahr“, so der Bereichsleiter der „TrauDich!“-Messe GmbH, die die Stuttgarter Hochzeitsmesse veranstaltet. In der Branche sei nach wie vor Zurückhaltung zu spüren. Und manch einem Unternehmen fehle es nach der Durststrecke, so Schulz, nun auch an Kapital. So erkläre sich auch, dass 2021 deutlich weniger Aussteller den Weg zur Messe gefunden haben als in den Jahren zuvor. „Die Branche hat eine schwierige Zeit hinter sich“, sagt Ralf Schulz. Nicht jedes Unternehmen habe die Pandemie unbeschadet überstanden.