Die Städte und Gemeinden im Kreis Esslingen haben aus extremen Wetterlagen der vergangenen Jahre Konsequenzen gezogen. Rückhaltebecken spielen dabei eine wichtige Rolle. Die wichtigste Erkenntnis aber ist, dass Vernetzung notwendig ist.
Noch immer sind die schockierenden Bilder aus dem Ahrtal in den Köpfen der Menschen in ganz Deutschland präsent. Als die Ahr im vergangenen Jahr über die Ufer trat und ganze Ortschaften verschluckte, richteten die Wassermassen verheerende Schäden an. 133 Menschen verloren ihr Leben. Damit Hochwasser im Landkreis Esslingen und in der Region Stuttgart nicht ähnlich katastrophale Dimensionen annimmt, haben viele Kommunen Vorbereitungen getroffen und Konzepte zum sogenannten Starkregenrisikomanagement erstellt. Besonders weit fortgeschritten ist dabei der Kreis Esslingen.
Wie ist die Lage in der Region?
Bilder von überschwemmten Straßenzügen, vollgelaufenen Kellern und unpassierbaren Brücken gab es in den vergangenen Jahrzehnten auch schon mehrmals in der Region Stuttgart. So traf es beispielsweise 2018 die Gemeinde Aichtal am Rande des Landkreises Esslingen. Auch im vergangenen Jahr sorgte Starkregen dort für Hochwasser. „Innerhalb von drei Jahren hatten wir zwei Jahrhundertereignisse“, sagt der Aichtaler Bürgermeister Sebastian Kurz. Auch in anderen Kommunen, etwa in Kirchheim, sorgte das Extremwetter für Hochwasser.
Auf Anfrage des FDP-Landtagsabgeordnete Dennis Birnstock – er wollte wissen, wo im Kreis Esslingen Verbesserungspotenzial im Bereich Starkregenrisikomanagement bestehe – erklärte Umweltministerin Thekla Walker, dass der Landkreis sehr fortschrittlich sei. Demnach haben 28 von 44 Kommunen ein Konzept zum Hochwasserschutz. Also etwa 60 Prozent. Zum Vergleich: Im Regierungsbezirk Stuttgart sind nur ein Drittel der Städte und Gemeinden vorbereitet.
Wieso ist der Landkreis Esslingen schneller als die Nachbarn?
Ein wichtiger Treiber des Hochwasserschutzes im Landkreis Esslingen sind die Starkregenereignisse, die viele Menschen seit dem Jahr 2000 erlebt haben. So hat die Stadt Kirchheim vor wenigen Tagen die Ergebnisse einer Haushaltsbefragung veröffentlicht, wonach 54 Prozent der Befragten aufgrund eigener Erfahrungen Schutzmaßnahmen getroffen haben. Dass der Kreis ein so hohes Tempo einschlägt, hat aber auch noch andere Ursachen.
Umweltministerin Walker verwies zum Beispiel auf den Zweckverband Hochwasserschutz Körsch, der „zügiger“ sei als Verbände in anderen Kreisen. Hansmartin Finkbeiner ist der Geschäftsführer des Zweckverbandes Körsch, der von der Stadt Stuttgart sowie den Kommunen Denkendorf, Filderstadt, Leinfelden-Echterdingen und Ostfildern gegründet wurde. Finkbeiner erklärt, dass das Tempo durch eine engagierte Verbands- und Geschäftsführung sowie eine schlanke Verwaltung zustande komme. Außerdem spiele Zusammenarbeit eine wichtige Rolle. Denn Hochwasser betrifft meist nicht nur eine Kommune allein.
Wie wichtig ist Vernetzung?
Wie Finkbeiner erklärt, sei die Abstimmung im Verbandsgebiet besonders wichtig und zahle sich letztendlich auch aus. Das gilt zum einen für die Umsetzung von Schutzmaßnahmen gegen Hochwasser und Starkregen, wie Rückhaltebecken. Vor allem aber für den Datenaustausch.
Ein wichtiges Werkzeug in dieser Hinsicht ist das Flutinformations- und Warnsystem Fliwas. Dabei handelt es sich um eine Computeranwendung, die alle Hochwasserinformationen auf kommunaler und Landesebene bündelt und einen Überblick über die Hochwassersituation ermöglicht. Aichtal liegt zum Beispiel unterhalb von Filderstadt und oberhalb von Neckartailfingen. Wenn also in Filderstadt Hochwasser ist, dann betrifft das wenige Minuten später auch Aichtal und nochmals einige Minuten später Neckartailfingen – wie bei einer Lawine. Wenn aber Aichtal und Neckartailfingen alarmiert werden, sobald in Filderstadt Starkregen niedergeht, dann haben die tiefer gelegenen Kommunen wertvolle Minuten gewonnen, um Vorkehrungen zu treffen. „Deshalb ist Vernetzung das A und O“, sagt Aichtals Bürgermeister Sebastian Kurz.
Wo ist noch Luft nach oben?
Neben dem Ausbau von Starkregenrisikomanagement-Konzepten, die Maßnahmen wie Messstationen an Gewässern oder Stauanlagen beinhalten, sollten sich mehr Kommunen Fliwas zulegen. Diesen Schluss hat Birnstock aus der Stellungnahme des Umweltministeriums gezogen. Bisher nutzen nur fünf Kommunen aus dem Landkreis sowie das Landratsamt und der Zweckverband Körsch dieses System. Auch Aichtal wolle sich die Anwendung beschaffen, so Kurz.
Schutz gegen Hochwasser
Infrastruktur
Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten, die Kommunen beim Hochwasser- und Starkregenschutz berücksichtigen können. So baut derzeit der Zweckverband Hochwasserschutz Körsch in Ostfildern ein Rückhaltebecken, das 183 000 Kubikmeter Wasser fassen kann. Im kommenden Jahr soll es fertiggestellt werden. Aber auch Wasserpegel-Messsysteme an Gewässern sowie Stauanlagen werden errichtet.
Haushalte
Darüber hinaus ist das Engagement der Hausbesitzer wichtig. Denn auch zuhause kann man mit teils einfachen Mitteln Vorkehrungen treffen. So wird empfohlen, alle tiefgelegenen Abläufe wie Toiletten oder Gullys mit Rückstauvorrichtungen zu versehen.