Bisher war der Hochwasserschutz in Waldenbuch vor allem auf die Aich ausgerichtet, sagt Bürgermeister Michael Lutz. Foto: /Claudia Barner

Ist die Stadt Waldenbuch für extreme Wetterlagen gut genug gerüstet? Diese Frage stellen sich nach den schweren Überschwemmungen im Sommer 2021 nicht nur die Bürger.

Waldenbuch - Die Wetterextreme nehmen zu, und die Kommunen müssen handeln. Das weiß auch der Waldenbucher Bürgermeister Michael Lutz, der im Sommer zusehen musste, wie große Teile der Altstadt bei einem Starkregen überflutet wurden. Doch wie lassen sich solche Katastrophen künftig vermeiden, und was können die Bürgerinnen und Bürger tun, um sich und ihr Hab und Gut besser zu schützen? Welche Lehren die Stadt aus der Hochwasser-Nacht gezogen hat, wo noch Sicherheitslücken sind und was an Maßnahmen geplant ist, erzählt der Verwaltungschef im Interview.

Herr Lutz, wie sieht die Schadensbilanz der Überflutungen vom Juni aus?

Für eine abschließende Bewertung ist es zu früh. Die wichtigste Instandhaltungsmaßnahmen haben wir erledigt. An schwer beschädigten Gebäuden, wie zum Beispiel der Seniorenwohnanlage Sonnenhof, läuft die Sanierung noch. Die Stadt hat bisher rund 90 000 Euro in die dringendsten Reparaturen investiert. Viel Geld ist etwa in neue Asphaltdecken sowie die Reinigung und Spülung der Kanäle geflossen. Auch Aufträge für technische Verbesserungen sind bereits vergeben.

Lesen Sie aus unserem Angebot: Starkregen prägt Entscheidungen

Welche Rückmeldungen haben Sie von den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern bekommen?

Bedauerlicherweise ist auch im privaten Bereich ein großer Schaden entstanden, den ich nicht beziffern kann. Mit geht es gar nicht nur um die Zahlen, sondern darum, was ein solches Erlebnis mit den Menschen macht. Wer in dieser Nacht vor Ort war, weiß wie es sich anfühlt, wenn man Angst um sein Hab und Gut haben muss. Das war ein Weckruf, der uns auffordert, jetzt weiterzudenken und eine gemeinsame Basis zu finden, auf der jeder seinen Teil beiträgt.

Es gab massive Vorwürfe gegen die Stadt. Hat die Kommune in der Vergangenheit zu wenig getan?

Das würde ich so nicht stehen lassen. Wir haben 2019 als erste Gemeinde im Landkreis ein Starkregenrisiko-Management entwickelt. Mit dem Wasserverband Aich haben wir einen interkommunalen Lösungsansatz, bei dem die Kommunen vom Ober- bis zum Unterlauf gemeinsam planen und handeln. Bisher war der Hochwasserschutz vor allem auf unser Hauptgewässer – die Aich – ausgerichtet. In den letzten Jahren gab es dort Umgestaltungs- und Renaturierungsmaßnahmen. Wo es möglich war, wurden Engstellen im Kanalnetz beseitigt und Rechenanlagen umgestaltet. Jetzt mussten wir erkennen, dass auch die Seitenarme ein erhöhtes Gefahrenpotenzial darstellen. Die neue Dimension der extremen Wetterereignisse hat uns auf eine andere Ebene katapultiert.

Lesen Sie aus unserem Angebot: 16 Seiten zum Schutz vor Hochwasser

Was muss jetzt getan werden?

Das ist ein sehr komplexes Thema. Meiner Meinung nach gibt es mehrere Stufen, die wir miteinander gehen müssen, um nachhaltige und langfristige Lösungen zu entwickeln. Das fängt bei der Landnutzung im Umfeld unserer Stadt an. Im Sommer haben wir erlebt, dass die Rechen von angeschwemmtem Holz und Grünschnitt verstopft waren. Die Geologie und das Gefälle geben vor, wo die Problemstellen liegen. Viele davon haben wir identifiziert. Dort werden die Maßnahmen weiter verstärkt.

Können Sie Beispiele nennen?

Wir prüfen etwa gerade, ob es möglich ist, die Glashütte und den Seitenbach mit zusätzlichen Regenrückhaltevorrichtungen zu entlasten. Auch bei der Stadtplanung gibt es Stellschrauben, wie zum Beispiel die gesplittete Abwassergebühr, die dazu animieren soll, weniger Fläche zu versiegeln. Ich möchte aber keine falschen Hoffnungen wecken: Ohne die Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger auf ihren Grundstücken eigene Vorkehrungen zu treffen, werden wir die Herausforderungen nicht lösen.

Was sollten Grundstücksbesitzer tun, und wo können sie Unterstützung bekommen?

Wir brauchen mehr Sensibilität dafür, dass die Außengestaltung eines Gebäudes Auswirkungen auf die Umwelt hat. Auf gepflasterten Flächen kann kein Wasser versickern, Steingärten taugen nicht als Feuchtigkeitsspeicher. Viele kleine Maßnahmen können große Wirkung zeigen. Rückstauklappen und Schachterhöhungen, Biotope und Zisternen gehören dazu. Es gibt wasserdichte Türen und Fenster. Tiefgaragen können mit seitlichen Führungen für Stecksysteme geschützt werden. Wir wollen aber nicht mit dem erhobenen Zeigefinger durch die Gegend laufen. Unser Plan ist es, Positivbeispiele zu sammeln und diese etwa in Form einer Broschüre zur Verfügung zu stellen. Natürlich kann man sich auch jederzeit persönlich bei uns melden.

Gibt es auch neue Erkenntnisse für die Alarmierung und Ausstattung der Hilfskräfte?

Wir haben den Schadensfall Wasser schon 2019 in die internen Organisationsstrukturen der Feuerwehr aufgenommen. Technisch hat sich bisher allerdings noch nicht viel getan, da müssen wir zulegen. Insgesamt hat der Einsatz in der Hochwassernacht hervorragend funktioniert. Was uns aber stark beschäftigt, ist die Frage der Kommunikation. Wie erfahren die Bürger, dass Gefahr droht und was zu tun ist? Ich bin froh, dass der Gemeinderat jetzt grünes Licht für ein flächendeckendes Sirenen-Warnsystem gegeben hat. Wie es ausgestaltet werden kann, ohne zu Verwirrung und kopflosem Handeln zu führen, müssen wir noch überlegen.

Angenommen alle machen mit und es steht genügend Geld zur Verfügung: Gibt es die absolute Sicherheit?

Nein, wir können das Risiko aber deutlich senken, wenn wir noch besser vorbereitet sind. Letztlich ist doch klar: Der Klimawandel und seine Folgen sind ein globales Problem. Mit Investitionen, Bau- und Schutzmaßnahmen in einzelnen Gemeinden ist es nicht getan. Die Menschen müssen umdenken, ihr Verhalten ändern und gemeinsam Verantwortung übernehmen.