1955 wurde an der Mittleren Filderstraße ein Drainagesystem gebaut, damit die Straße bei Starkregen nicht mit Schlamm von den Feldern überschwemmt wird. Foto: privat/Karl Kästle

Ein Mann aus Stuttgart-Sillenbuch sagt: Das, was vor Jahrzehnten an der Mittleren Filderstraße passiert ist, könnte als Vorbild für den Schutz vor Hochwasser dienen.

Sillenbuch - Selbst wenn die jüngsten Starkregen und Überschwemmungen die Filderebene weitaus weniger getroffen haben als Nordrhein-Westfalen oder Rheinland-Pfalz: Auch hier gab es Schäden zu beklagen. Keller liefen voll, Bäume krachten um, Straßen wurden überflutet. Karl Kästle aus Sillenbuch hat die Ereignisse aufmerksam verfolgt. Und er hat sich dran erinnert: Ganz in der Nähe seines Hauses in der Kolpingsiedlung gab es ehemals ähnliche Probleme.

Das Wasser sei schlecht versickert

Es geht um die Mittlere Filderstraße, die zwischen Birkach und Kleinhohenheim auf der einen und dem Eichenhain auf der anderen Seite in einer Schneise verläuft. Karl Kästle (81) ist historisch interessiert und hat sich über die Jahre ein umfangreiches Archiv angelegt. Er erzählt: Die Mittlere Filderstraße sei 1952/53 gebaut worden, als Verbindung zum Flughafen und Richtung Reutlingen. Allerdings habe es rasch Probleme gegeben. Bei Starkregen sei die Trasse überflutet worden. Das Wasser sei schlecht versickert und habe Material von den abschüssigen Feldern bergabgespült. „Die Straße war total zugedeckt und verschüttet mit Geröll. Das war verkehrstechnisch nicht tragbar“, erzählt er. Auch seine Frau Gerlinde erinnert sich. Unfälle seien passiert, „die Autos drehten sich“.

In der Folge habe man zweimal nachbessern müssen. 1955 das erste Mal. Den Hang in unmittelbarer Nähe der Mittleren Filderstraße habe man durch eine Drainage absichern müssen. Karl Kästle weiß das noch so gut, weil er selbst als Jugendlicher Fotos von den Arbeiten gemacht hat. „Ich war 15, das war meine erste Kamera.“ Ausgereicht habe die Maßnahme allerdings nicht. „Eine weitere kostspielige Sanierung und Renaturierung in den 70er Jahren war zusätzlich notwendig“, erklärt er. Der Senior berichtet von einer mächtigen Steinaufschüttung mit zusätzlicher Bepflanzung von Sträuchern und Bäumen. Sie zog sich von Kleinhohenheim parallel zur Straße bis zum Waldrand. Mittlerweile ist alles komplett überwuchert, der Wall darunter ist kaum auszumachen. Stattliche Bäume haben sich darauf breitgemacht, aber Karl Kästle kann sich noch gut an die Steinhaufen erinnert. Eines seiner Bilder, es ist etwa 20 Jahre alt, zeigt die noch recht unbewachsene Stelle. Er betont, „seither ist Ruhe“, doch man habe teures Lehrgeld bezahlt.

Neuer Schutz für Folgen von Starkregen gebaut

Dennoch ist die Stelle über die Jahre weiter modifiziert worden. Zuletzt wurde Mitte 2017 ein neuer Regenüberlaufkanalunterhalb des Eichenhains installiert. Dessen Aufgabe: bei Starkregen Schmutzwasser zurückhalten und es gleichmäßig zum Klärwerk abführen, um zu vermeiden, dass es in Richtung des Bachs geschwemmt wird. Die Kosten für den neuen Kanal lagen bei knapp vier Millionen Euro. Das Geld musste in die Hand genommen werden, weil die EU-Wasserrahmenrichtlinie aus dem Jahr 2000 die Stadt dazu verpflichtete, zusätzlich zu vorhandenen Kanälen ein Regenüberlaufbecken mit einem Fassungsvermögen von 350 Kubikmetern zu schaffen.

Karl Kästle findet: Was vor Jahrzehnten an der Mittleren Filderstraße passiert ist, könne als „Vorbild für andere zukünftige umweltverändernde Projekte“ dienen. Er betont: „Zwei Botschaften hätte ich: eine für die Historiker, die Geschichte mehr zu beachten, und eine weitere für den Landschaftsschutz in Sachen Veränderungen, mit der Landschaft behutsamer umzugehen.“