Mit Amphibienfahrzeugen und Booten fährt die Feuerwehr durch den Stadtteil Romiti in der Provinz Forli-Cesena, um Bewohner zu evakuieren. Foto: -/Vigili del Fuoco/dpa

Bald beginnen die Pfingstferien. An den Adriastränden um Rimini hofft man, dass sich nicht allzu viele Urlauber von den Überschwemmungsbildern abschrecken lassen. In der Landwirtschaft der betroffenen Region geht dagegen gar nichts mehr.

An den Adriastränden um Rimini schaut es schon wieder fast so aus wie immer. Der Unrat der Überschwemmungen ist weggeräumt. Die Strände sind glatt gestrichen. Die Sonnenschirme und Liegen sind aufgestellt. Und die Sonne strahlt von einem wolkenlosen Himmel.

Bald beginnen die Pfingstferien. Doch die Sorgen in den gerade bei den Deutschen so beliebten Badeorten sind groß, dass sich die Gäste von den schrecklichen Überschwemmungsbildern abschrecken lassen. Zehn Prozent der Reservierungen wurden storniert. Patrizia Rinaldis, Präsidentin des Hotelverbands Federalberghi der Region Emilia-Romagna, plant eine Kommunikationskampagne. Sie will Wankelmütige überzeugen zu kommen. Der Tourismus trägt in der Provinz Rimini 70 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei und steht für einen Umsatz von fünf Milliarden Euro.

Lamborghini die geplanten Feierlichkeiten zum 60. Geburtstag abgesagt

In der Landwirtschaft dagegen geht nichts mehr. Die Region um Forlì, Cesena und Ravenna ist eines der wichtigsten Obst- und Gemüseanbaugebiete Italiens. Wasser – soweit der Blick schweift. Darunter verbergen sich Weizen-, Mais- und Zuckerrübenfelder. Im sogenannten Fruit Valley sind die Erdbeeren, Pflaumen, Aprikosen, Kiwi, Spargel, Tomaten, Wein und Kirschen größtenteils verloren. Nicola Dalmonte, Präsident des Landwirtschaftsverbands Coldiretti in der besonders betroffenen Provinz Ravenna, fürchtet, dass es womöglich Jahre dauert, bis neue Kulturen Früchte tragen. Der Bauernverband Coldiretti sieht 50 000 Arbeitsplätze bedroht. Und es sind neue Unwetter angekündigt.

Viel besser ist die Lage bei der Audi-Tochter Lamborghini in Sant’Agata Bolognese bei Modena. Dort ist nichts passiert, obwohl die Zentrale nahe am Überschwemmungsgebiet liegt. Auch die Zulieferer des Unternehmens im sogenannten Motor Valley zwischen Bologna und Modena sind nicht betroffen. Dennoch hat Lamborghini die geplanten Feierlichkeiten zum 60. Geburtstag abgesagt und – so wie die Luxusgüterkonzerne LVMH (Fendi, Bulgari, Loro Piana) und Kering (Gucci, Brioni, Bottega Veneta), die teilweise Werke in der Umgebung haben – Geld für die Überschwemmungsopfer gespendet.

Lebensmittelindustrie und die Verpackungsindustrie sind betroffen

Annalisa Sassi, Präsidentin des Industriellenverbandes Confindustria der Emilia-Romagna, sieht sich nicht in der Lage, eine Bilanz zu ziehen. Betroffen von Überschwemmungen sind neben der Mode- und Lebensmittelindustrie der Region vor allem der Handel und die Verpackungsindustrie. In Faenza, wo schon die Römer zinnglasierte Keramik (Majolica) produziert haben, sind viele der Keramikhersteller schwer getroffen worden, weil Wasser und Schlamm in die Fertigungswerkstätten eingedrungen sind.

Die Industrie in den betroffenen Provinzen zwischen Bologna, Ferrara, Ravenna, wo die berühmten Mosaiken bedroht waren, bis hinunter nach Riccione und teilweise in die Marken, steht für etwa tausend Unternehmen mit einem Umsatz von 25 Milliarden Euro und ein Exportvolumen von zehn Milliarden Euro. Priorität hat laut Sassi die Wiederherstellung der Infrastrukturen, vor allem Straßen und Schienen. Der Bahnverkehr verläuft fast wieder normal.

Nur wenige Unternehmen sind gegen Unwetterschäden versichert

Problematisch für Privatleute und Unternehmen ist, dass viele von ihnen keine Versicherung gegen Naturkatastrophen abgeschlossen haben. Insgesamt gibt es in Italien nur 1,4 Millionen solcher Policen und nur einige Hunderttausend davon decken auch Überschwemmungsschäden ab. Vor allem viele der unzähligen Kleinunternehmen haben keine Versicherung für solche Schäden.

Bei Italiens größter Versicherung Generali teilt ein Pressesprecher auf Anfrage nur mit, „qualifizierte Mitarbeiter des Unternehmens arbeiten in Kontakt mit Gutachtern, Treuhändern und Technikern an einer ersten Bewertung der Schäden in den betroffenen Gebieten. Für eine Schadenabschätzung ist es noch zu früh.“

Etwa 1,5 Milliarden Euro an Schäden sollen auf die Landwirtschaft entfallen

Die Gesamtschäden durch die Überschwemmung in den betroffenen Gebieten belaufen sich nach ersten Schätzungen auf fünf bis sechs Milliarden Euro. Etwa 1,5 Milliarden Euro sollen auf die Landwirtschaft entfallen. Einige Gebiete etwa in den Abruzzen sind nach wie vor schwer zu erreichen. Die Regierung in Rom hat nun ein erstes Unterstützungspaket im Umfang von zwei Milliarden Euro beschlossen und hofft auf weitere Mittel aus dem europäischen Katastrophenfonds, dessen größter Nutznießer Italien schon in den letzten 20 Jahren mit insgesamt 3,1 Milliarden Euro war.

Doch unabhängig von den Zusagen ist die Sorge groß, dass – ähnlich wie beim Europäischen Aufbauprogramm – die italienische Bürokratie zu ineffizient ist, die Mittel zu verteilen. So sind auch Jahre nach dem schweren Erdbeben in den Abruzzen von 2016 viele Schäden noch immer nicht beseitigt worden.