Überschwemmungen werden künftig häuiger und schwerer werden, sagen Forscher. Foto: dpa

Forscher warnen, dass die Hochwassergefahren massiv unterschätzt werden – auch im Südwesten.

Potsdam - Die erste Hochwasserwelle 2018 ist relativ glimpflich an Deutschland vorbei gegangen. In Köln wurden 8,78 Meter als höchster Wasserstand erreicht, was nach Angaben der dortigen Hochwasserexperten bisher alle zwei bis fünf Jahre vorkommt. Nun legen allerdings Wissenschaftler des Potsdam-Instituts für Klimaforschung (PIK) nach: Im Zeichen der Klimaerwärmung müsse der Hochwasserschutz weltweit erheblich ausgebaut werden – auch in Deutschland. Die Grundlage für diese Mahnung sind Computeranalysen, die der PIK-Forscher Sven Willner und seine Kollegen durchgeführt und im Fachblatt „Science Advances“ veröffentlicht haben.

In ihren Berechnungen haben die Experten die beiden Zeiträume von 1971 bis 2004 und 2035 bis 2044 miteinander verglichen. Demzufolge nimmt vor allem in Baden-Württemberg die Zahl der Menschen rapide zu, die von Hochwasserereignissen betroffen sind. Hatten im ersten Zeitraum noch durchschnittlich 6000 Menschen im Jahr unter den Fluten zu leiden, werden es den Prognosen zufolge in etwa 25 Jahren durchschnittlich 90 000 Menschen im Jahr sein – eine Steigerung um das Fünfzehnfache. Laut der Studie muss sich Deutschland insgesamt künftig auf 710 000 Betroffene einstellen im Vergleich zu 76 000 Menschen im historischen Zeitraum.

Viel Regen in kurzer Zeit

Die Ursache, dass immer mehr Menschen von Hochwasser bedroht sind, liegt an den großen Niederschlagsmengen, die immer häufiger in vergleichsweise kurzer Zeit fallen. Dies betrifft vor allem die Flüsse. Hinzu kommen mögliche Sturzfluten wie etwa 2016 im hohenlohischen Braunsbach, die aber in der Studie nicht berücksichtigt wurden. „Es geht darum, wie schnell die Wassermassen von den Flusssystemen abgeführt werden“, erläutert der Physiker Sven Willner, der sich mit den wirtschaftlichen Auswirkungen von Extremwetterereignissen und hier speziell mit Überflutungen befasst. Die PIK-Experten lassen dabei keinen Zweifel daran, dass die zunehmenden Sintflut-Niederschläge eine Folge des Klimawandels sind.

In absoluten Zahlen sind weltweit andere Regionen allerdings noch stärker bedroht als Europa. So wird in Südamerika die Zahl der von Hochwasserrisiken betroffenen Menschen voraussichtlich von sechs auf zwölf Millionen steigen, in Afrika von 25 auf 34 Millionen und in Asien von 70 auf 156 Millionen. Allein in Pakistan sind künftig elf statt sechs Millionen betroffen.

Dramatische Folgen

Die Folgen sind dramatisch, schließlich gehören schon heute Hochwasserereignisse zu den häufigsten, schlimmsten und teuersten Naturkatastrophen. Anders Levermann, der Leiter der globalen Anpassungsmaßnahmen am PIK, sieht die Studie daher als Warnung für die Entscheidungsträger: Man müsse sowohl die zukünftige Erwärmung begrenzen als auch die Anpassung an die bereits eingetretenen Veränderungen durch den Klimawandel vorantreiben. „Nichtstun wäre gefährlich“, betont er.

Die Klimaforscher waren überrascht, wie stark die Zahl Zahl der Menschen wächst, die von den zunehmenden Überschwemmungen betroffen sind – und das in einem vergleichsweise kurzen Zeitraum. „Was dann in 25 Jahren kommen wird, legen wir mit unseren zukünftigen Emissionen jetzt fest“, sagt Sven Willner. Und fügt vielsagend an: „Uns hat erstaunt, dass in den Industrieländern trotz der bereits vorhandenen Schutzmaßnahmen noch so viel Anpassungsbedarf besteht.“

Viele Länder betroffen

Dabei ist Deutschland keineswegs alleine. „Mehr als die Hälfte der USA muss ihr Schutzniveau innerhalb der nächsten zwei Jahrzehnte mindestens verdoppeln“, heißt es in der Studie. Nur so ließe sich ein dramatischer Anstieg der Hochwasserrisiken vermeiden. Neben den größten Teilen der USA müssten in Zentraleuropa, im Nordosten und Westen von Afrika sowie in weiten Teilen von Indien und Indonesien die größten Anstrengungen zur Anpassung an die steigenden Risiken unternommen werden. Ohne zusätzliche Maßnahmen wie Deichausbau, verbessertes Flussmanagement, Veränderung von Baustandards und sogar der Verlagerung von Siedlungen werde sich die Zahl der Hochwasser-Betroffenen weiter deutlich erhöhen, prognostizieren die Wissenschaftler.

Schutz gegen Hochwasser

Deutschland
Bundesweit nehmen in den vergangenen Jahren die Anstrengungen zu, die Menschen gegen Hochwasser zu schützen. Mit Erfolg: In Köln hat es zum Beispiel beim jetzigen Hochwasser keine großen Überflutungen in Wohngebieten gegeben. Allerdings ist es schwierig und teuer, mit den steigenden Anforderungen Schritt zu halten: Sogenannte Jahrhunderthochwasserereignisse gibt es wegen des Klimawandels in immer kürzerer Folge – auf einen hundertjährigen Abstand können sich die Wasserbauer also nicht mehr verlassen.

Baden-Württemberg
Auch im Land werden vielerorts höhere Barrieren gegen steigende Wasserstände errichtet. Dazu zählen bessere Deiche, mobile Schutzwände sowie größere Flächen, die vom Hochwasser überflutet werden dürfen. So werden zum Beispiel im Rahmen des Integrierten Rheinprogramms ehemalige Überflutungsflächen wieder für den Hochwasserschutz aktiviert.

Sturzfluten
Kleinere Gewässer werden ebenfalls besser gegen Fluten gerüstet. Ein Beispiel ist die Starzel im Zollernalbkreis, wo es 2008 eine verheerende Sturzflut gab. Dort wurden zahlreiche Schutzmaßnahmen ergriffen.