Aufgeregt sind sie schon, aber das legt sich nach den ersten Sätzen schnell: Inga Schuler und Pascal Keppler bei ihrer Premiere am Mikrofon. Foto: Peter Petsch

In der Hochschule der Medien auf dem Campus Vaihingen steht ein gläsernes Sendestudio. Darin herrscht, wie so oft, etwas Hektik. Hier sendet Horads, das Hochschulradio Stuttgart. Das sich immer wieder neu erfindet.

Stuttgart - „Horads 88,6 – wir senden Zukunft“, steht auf einem Plakat. Doch diese Zukunft ist bereits überholt. Denn das Hochschulradio sendet jetzt mit neuem Konzept. Beständig ist hier nur der Wechsel.

„Ich habe keine Ahnung, was mich gleich erwartet“, sagt Marcel Özer. Der 25-jährige Student stand noch nie vor einem Mikrofon. Heute ist seine erste Radiosendung. Punkt 20 Uhr werden die Regler umgelegt. Eine Melodie ertönt, in der eine Frauenstimme die Sendung „Soundcheck“ ankündigt.

Dann hört man in Stuttgart auf 88,6 MHz sowie weltweit im Internet, was Özer zu erzählen hat. Eine neue CD soll er vorstellen. „Aufgeregt bin ich schon“, sagt er. Seinem Studiokollegen Pascal Keppler (21) fällt es da schon leichter, wenn zur grünen On-Air-Leuchte noch die rote mit der Aufschrift Mikro hinzugeschaltet wird: „Nur der erste Satz ist schwer. Dann wird es während der Sendung immer flüssiger, leichter und freier.“

Keppler ist seit Anfang des Jahres im Team von Horads 88,6. Musik für einen Sender auszuwählen und sich mit Gleichgesinnten auszutauschen, hat ihn damals zum Radio gebracht. Zu lernen, wie man freier spricht, auch. Ein neues Hobby soll es für Özer sein. Radiomoderatoren wollen die beiden Umweltschutztechnik-Studenten aber nicht werden. Bei dem ein oder anderen ihrer 120 Kollegen bei Horads kann es da aber schon ganz anders aussehen.

Neue Ausbildungsrunden alle acht Monate

Insgesamt sind sieben Hochschulen im Trägerverein von Horads. So finden sich neben Özer und Keppler auch Studierende der Universitäten Hohenheim und Stuttgart, der Hochschule der Medien, der Musikhochschule, der beiden Ludwigsburger Hochschulen für Pädagogik und für öffentliche Verwaltung sowie der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg. 2003 gründete sich der Trägerverband der Hochschulen zusammen mit dem Paritätischen Wohlfahrtsverband. Das Projekt Horads gibt es aber bereits seit 1999.

Nachdem der Sender 2004 auf Sendung ging und 2010 dann die Lizenz bekam, rund um die Uhr zu senden, soll es in diesem Jahr noch mehr Programm geben. „Wir wollen für die Studierenden nicht nur ein Klima schaffen, dass sie sich trauen, eine Sendung zu moderieren, sondern auch ermutigen, dass sie ihre eigenen Ideen ausprobieren und umsetzen“, so Lion Oeding, Programmleiter von Horads. Gemeinsam mit David Dübel leitet Oeding seit November 2012 das Hochschulradio. Alte Hochschulhasen könnte man sie nennen, denn Oeding und Dübel saßen einst selbst als Studierende vor dem Mikrofon von Horads.

Alle acht Wochen veranstalten Oeding und Dübel neue Ausbildungsrunden, in denen Studenten mit der Radiowelt vertraut gemacht werden. Neben Moderation geht es in der Musikredaktion hauptsächlich um gute Musikauswahl und Musikplanung.

Auch die Wortredaktion hat viel zu tun. Täglich von acht bis zehn Uhr warten die Zuhörer in der Sendung „Der neue Morgen“ auf den aktuellen Wetterbericht oder den aktuellen Speiseplan der Mensa. Am Nachmittag senden die verschiedenen Hochschulen ihr „Campusmagazin“ und berichten, was dort direkt vor der Haustür passiert.

Raum für Klassiker aus dem Plattenschrank und Anekdoten

Gegen Abend wird es dann noch interessanter: Neben der „Leseprobe“, einem neuen Literaturmagazin, und dem Bandmagazin „Why Not“gibt es als weitere Neuerung: „Abgestaubt und abgespielt“, heißt es nun donnerstags um 20 Uhr. Die Sendung soll Raum für Klassiker aus dem Plattenschrank und Anekdoten geben. Aktueller als 2004 dürfen die Titel aber laut Sendungsgründer Björn Gallinge nicht sein. „ Wir wollten Musik, die nicht in die Musikrotation passt, einen Platz geben“, sagt der 40-jährige Student des Fachs Mediapublishing.

Wer abends um 22 Uhr im Auto sitzt oder sich zu Hause auch gerne mal längere Lieder anhört, ist bei der „Stadtautobahn“ genau richtig. Kürzer und auch peppiger kann es da schon beim „Vorspiel“ sein, wenn samstags um 21 Uhr DJ’s aus der Region auflegen. „Mit Vorspiel wollen wir Musikern, die sonst nicht bei Horads mitwirken, eine Möglichkeit geben, ihre Aufnahmen im Radio zu spielen“, sagt Dübel.

Auch das Institut für Moderation, das zusammen mit dem SWR und der Hochschule der Medien arbeitet, ist jetzt bei Horads 88,6 auf Sendung. Donnerstag um 19 Uhr heißt es „Horads im Gespräch“. Angehende Moderatoren haben in dieser Stunde die Möglichkeit, Live-Interviews zu führen und sich auszuprobieren.

Wem das noch nicht reicht, kann sich mittwochs um 19 Uhr beim „Strandcafé“ eine unterhaltende Sendung rund um Kuriositäten aus aller Welt geben oder sich abends die tägliche „Blaupause“ anhören – eine Stunde ausgewählte Musik der Musikredaktion.

Horads-Partys im Club Zwölfzehn

„Ein volles Radioprogramm ist es aber noch nicht“, stellt die 25-jährige Inga Schuler fest. Die Studentin der Kultur- und Medienbildung ist seit drei Jahren beim Hochschulradio. „Ich glaube, jeder von uns macht eigentlich weniger, als er gerne machen würde, aber oft fehlt einfach die Zeit.“

Um mehr Leute auf Horads aufmerksam zu machen und auch das Programm zu füllen, veranstaltet seit einigen Monaten Inga Schuler zusammen mit vier weiteren Studenten und dem Club Zwölfzehn die Horads-Partys. „Die Idee ist, dass wir Musik, die wir für das Radio auswählen, auch in einem Club spielen und mit den Zuhörern gemeinsam tanzen“, sagt Inga Schuler. Die Besonderheit: Die Partys werden mitgeschnitten und ein paar Tage später im Radio gesendet. Die nächste Horads-Party findet am 1. August im Zwölfzehn statt.

Bis dahin ist vielleicht auch Marcel Özer weniger nervös beim Moderieren. Die erste Sendung hat er überstanden. „Man fühlt sich nach der Moderation gut“, atmet er nach seiner Premiere auf. Sein Studiokollege Pascal Keppler diskutiert noch mit Inga Schuler über den letzten Interpreten: Ist die Punk-Band S.Y.P.H. poetisch oder tiefgründig? „Schaltet auch das nächste Mal wieder ein“, sagt Keppler schließlich. Dann erlischt das rote Licht mit der Aufschrift Mikro.

Infos unter www.horads.de