Der Rektor Christian Maercker wird zu Demonstrationszwecken von der Professorin Franziska Meinecke verkabelt. Foto: Horst Rudel

An der Hochschule Esslingen rücken mit der neuen Stiftungsprofessur Technik und Gesellschaft Ingenieure und Sozialwissenschaftler enger zusammen. Die Professorin Franziska Meinecke bildet dabei die Schnittstelle.

Esslingen - Franziska Meinecke ist experimentierfreudig, und Christian Maercker unerschrocken. Die Professorin für Technik und Gesellschaft fixiert an ihrer Hand und am Arm des Esslinger Hochschulrektors Elektroden. Über Kabel sind die beiden nun miteinander verbunden. Zwischengeschaltet sind ein Prozessor und ein Verstärker, den Christian Maercker aufdreht. Der Strom fließt. Franziska Meinecke winkelt wiederholt ihre Hand an, und lässt damit den Rektor synchron dieselbe Bewegung ausführen.

Stiftung der Kreissparkasse gibt 1,1 Millionen Euro

Das Experiment vermittelt einen Eindruck davon, welche Art von Anwendungen mit der zum laufenden Semester neu geschaffenen Stiftungprofessur Technik und Gesellschaft verbunden sind. Im konkreten Fall demonstriert die Wissenschaftlerin, wie Muskelsignale übertragen werden. Eingesetzt wird die Technologie in der Prothetik. So werden bei Amputierten auf elektronischem Weg von noch funkionierenden Muskelpartien Impulse auf die Prothese gesendet, sodass Betroffene zumindest ein Stück ihrer alten Beweglichkeit zurückerhalten.

Für medizinische Probleme und soziale Herausforderungen werden ingenieurwissenschaftliche Lösungen gesucht – auf diese Formel lässt sich die Zielrichtung der neuen Professur bringen, die an der Fakultät Maschinenbau angesiedelt ist und die in den nächsten zehn Jahren von der Bildungsstiftung der Kreissparkasse mit 1,1 Millionen Euro gefördert wird. „Wir wollen helfen, das Leben der Menschen einfacher zu machen“, so beschreibt Bernd Haußels, der stellvertretende Vorsitzende der Kreissparkasse Esslingen-Nürtingen, die Absicht hinter dem Engagement. Senioren sind dabei nicht die einzige, jedoch eine wichtige Zielgruppe. Ingenieure sollen Assistenzsysteme entwickeln, die es älteren Menschen erlauben, länger in ihrer gewohnten häuslichen Umgebung zu bleiben.

Fahrbarer Tisch könnte zu „Helferlein“ im Alltag werden

Noch ist vieles Zukunftsmusik, doch hat Franziska Meinecke bereits Ideen für konkrete Anwendungen im Kopf. Sie denkt beispielsweise an einen fahrbaren Tisch für Senioren, der elektrisch angetrieben wird und auf Wunsch den Benutzer begleitet – egal wo dieser in der Wohnung hin möchte. Auf dem Tisch sollten ein Tablet Platz haben genauso wie ein Wasserglas oder eine Brille. Im Mensch-Maschine-Zusammenspiel übernimmt auch die Fakultät Soziale Arbeit, Gesundheit und Pflege einen wichtigen Part. Von dort erhalten die Ingenieure den Input. Der Maschinenbau soll Systeme entwickeln und vereinfachen, so dass eine kostengünstige Produktion möglich wird. Die neue Professur und der fächerübergreifende Ansatz, so Christian Maercker, verhelfe der Hochschule zu einem Alleinstellungsmerkmal. Und indem die Einrichtung so neue berufliche Horizonte auftue, bleibe sie im Wettbewerb der Hochschulen für Studenten attraktiv.

Franziska Meinecke arbeitet seit September in Esslingen. Sie wechselte an den Neckar von der Hochschule Luzern, wo sie Professorin für Medizintechnik war. Aufgewachsen in Bonn, hat die heute 40-Jährige in Aachen als eine von nur zehn Frauen unter rund 320 männlichen Kommilitonen Elektrotechnik und Informationstechnik studiert und dort später auch promoviert. Franziska Meinecke kommt aus einem Juristenhaushalt. Doch der Beruf der Eltern hat nicht auf die Tochter abgefärbt. In der Schule ein Mathe-As, entschied sie sich nach dem Abitur schließlich für ihren Weg, den sie „nie bereut“ hat.

Fast alles gut – bis auf die vielen Staus auf der B 10

Mit ihrem Mann und dem gemeinsamen vierjährigen Sohn wohnt sie nun in einer Gemeinde im Kreis Göppingen, wo sich die Familie „sehr wohl“ fühle. Der Wechsel an Fils und Neckar fiel Franziska Meinecke nicht schwer, denn ihre Mutter kommt aus Stuttgart, weshalb der Tochter die Region bereits vertraut war. Zwar ist die Alb längst nicht so hoch wie die Berge um den Vierwaldstättersee. Doch finden die Meineckes auch hier für eine ihrer bevorzugten Freizeitbeschäftigungen – das Wandern – ausgezeichnete Bedingungen vor.

Alles perfekt also, jedenfalls fast. „Wenn nur die B 10 nicht wäre“, sagt die Wissenschaftlerin. Auf dem Weg zur Arbeit nach Esslingen steht sie allzu häufig im Stau. Dass sie damit das Schicksal vieler Pendler teilt, ist immerhin ein schwacher Trost.