Ein Forschungsprojekt der Uni Hohenheim setzt sich mit dem Arbeitsalltag von Bauern in Sambia auseinander. Zentral ist dabei die Zeiterfassung mit einer an der Hochschule der Medien entwickelten Smartphone-App.
Vaihingen/Hohenheim - Ob Zeit wie im Fluge vergeht oder geradezu stillsteht, ob etwas lang dauert oder schnell erledigt ist, kann ohne objektive Messgeräte sehr unterschiedlich beurteilt werden. Diese subjektive Wahrnehmung erschwert das Sammeln wissenschaftlich verwertbarer Angaben zum Arbeitsaufwand erheblich. Dabei können entsprechende Erkenntnisse durchaus von Belang sein. Etwa für Thomas Daum, der seinen Doktor in Agrarökonomie an der Universität Hohenheim macht. Der 26-Jährige setzt sich mit der Mechanisierung in der Landwirtschaft Afrikas auseinander.
Wo lohnt der Einsatz von Maschinen? Wo lässt sich Zeit sparen, die dann an anderer Stelle investiert werden kann? Antworten suchte er bei Kleinbauern in Sambia. Die Erhebung der nötigen Daten erfolgte über eine Smartphone-App, die eigens an der Hochschule der Medien (HdM) entwickelt wurde.
Symbole für Pflügen, Essen und Nichtstun
„Das Projekt war für beide Seiten sehr interessant“, stellt Hannes Buchwald fest, der die Lösung programmiert hat. „Nachdem wir alle Fachbegriffe aus unseren jeweiligen Disziplinen über Bord geworfen hatten, lief die Zusammenarbeit ausgezeichnet. Wir verstehen uns wirklich gut und haben eine Menge dazu gelernt.“ Eine besondere Herausforderung war für den 33-jährigen Informatiker, der seinen Master im Studiengang „Computer Science and Media“ macht, der Anspruch, eine quasi selbsterklärende Applikation zu entwickeln, die ganz ohne Schrift auskommt. Da der Prozentsatz an Analphabeten in der Landbevölkerung Sambias hoch ist, verfiel man auf die Idee, ausschließlich mit Grafiken zu arbeiten. „Es war klar, dass die Lösung mit diesen Bildern steht und fällt“, erinnert sich Buchwald.
Gemeinsam mit einem befreundeten Illustrator entwarfen er und Daum 60 Symbole, die unterschiedliche Tätigkeiten zeigen: Sähen, Pflügen mit Zugtier oder Maschine, Vögel vom Feld verscheuchen, Wäsche waschen, aber auch Nichtstun oder Essen – der Alltag der Bauern sollte mit der Zeiterfassungs-Applikation lückenlos abbildbar sein. Die Funktionsweise ist einfach: Das Antippen eines Bildes startet eine Art Stoppuhr. Nochmaliges Anklicken beendet die Zeitmessung. Das Ergebnis wird automatisch in ein virtuelles Kalenderblatt eingetragen.
Die Smartphones werden gewissenhaft genutzt
„Als wir vor Ort waren, um das System zu testen, stellte sich schnell heraus, dass es funktionierte“, berichtet Thomas Daum von der Feuertaufe der Methode. „Der jüngste Teilnehmer an unserer Studie war sechs Jahre alt, der Senior bereits 93. Beide haben sofort verstanden, wie das Klick-Tagebuch funktioniert.“ Zudem wurde der innovative Zeitmesser nicht als Versuch der Überwachung wahrgenommen. „Einige der vorhandenen Erhebungsmethoden wären einfach zu komplex gewesen“, fügt er hinzu. „Andere sind sehr fehleranfällig, weil sie stark auf die Erinnerung und persönliche Einschätzung der Befragten setzen. Das gilt etwa für Fragebögen. Natürlich hätte auch jemand die Bauern begleiten und alles protokollieren können. Das ist aber nicht nur aufwändig, sondern hat auch den Nachteil, dass sich das Verhalten der Beobachteten ändert, weil sie sich kontrolliert fühlen. Die Smartphones mit der App wurden hingegen voller Stolz getragen und gewissenhaft genutzt.“
Im Detail musste allerdings nachgebessert werden: „Für ‚essen’ hatten wir zunächst das Bild eines Mannes gewählt, der vor einem Topf sitzt und hineingreift“, berichtet Buchwald schmunzelnd. „Das wurde als Diebstahl missverstanden, weil man in der Dorfgemeinschaft, in der wir zu Gast waren, nicht alleine, sondern gemeinsam isst. Also ersetzten wir das Icon durch eine Gruppe, die um den Topf sitzt.“
Kleine Änderungen können den Arbeitsablauf optimieren
Die Erfassung der Daten dient nicht nur der Befriedigung wissenschaftlicher Neugier. Sambia verfügt im Grunde über genügend Ressourcen, um die Bevölkerung zu ernähren. Trotzdem leiden viele Menschen zumindest zeitweise Hunger. Das Projekt soll Wege aufzeigen, die Arbeitsbelastung der Bauern zu reduzieren und die Erträge zu steigern. „Teilweise geht es um kleine Schritte“, erklärt Hannes Buchwald, „etwa um die Erkenntnis, wie viel Zeit es jedes Mal kostet, zu Fuß von einem Ort zum anderen zu kommen. Mit einem einfachen Fahrrad ließe sich da schon Vieles verbessern.“
Im Rahmen des Projekts hat sich sein Klick-Tagebuch bewährt. Inzwischen haben mehrere Organisationen, die in Entwicklungsländern tätig sind, Interesse an der App angemeldet. Ihr Schöpfer spielt bereits durch, wie sie sich weiterentwickeln ließe: „Die Bilder kann man vergleichsweise leicht austauschen und an den jeweiligen Bedarf anpassen“, blickt er in die Zukunft. „Mit anderen Grafiken wäre auch ein Einsatz in Asien oder Südamerika denkbar. Die Einbindung von Sprache ist kein Problem. Ich könnte mir daher sogar eine Verwendung in größeren Unternehmen vorstellen“, sagt Buchwald