Andrea (Mitte) lässt an der Medienhochschule niemanden kalt. Foto: Lichtgut/Ferdinando Iannone

Die Anschaffung war umstritten: Braucht eine Medienhochschule einen androiden Roboter? Die Begrüßung des humanoiden Hochschulmitglieds ließ keinen Zweifel. Nun müssen Dozenten und Studierende noch den richtigen Umgang mit ihm lernen. Oder mit ihr?

Er ist ein echter Hingucker. Oder ist es eine Sie? Damit fängt es schon an. Und das soll es auch. Denn Andrea ist ein Roboter in Menschengestalt. Sitzt im Foyer der Hochschule der Medien (HdM) in Stuttgart-Vaihingen, dreht den Kopf, schaut die Leute an, winkt, klimpert mit den Wimpern, hey – und scheint sie nicht auch zu atmen? Oder, Pardon, er? Genau darum geht es. Andrea kommt aus Japan und soll der HdM helfen zu erforschen, wie ein Androide mit seinem Umfeld interagiert. Christian Becker-Asano, Professor für Medieninformatik, hat ihn geholt. Im Institut für angewandte Künstliche Intelligenz wird das Humanoid Lab Andreas neues Zuhause.

Doch zuvor wurde das neue Mitglied von seiner Hochschulcommunity gebührend begrüßt. Auch HdM-Rektor Alexander W. Roos fragte: „Brauchen wir das eigentlich?“ Doch die harte Kontroverse darüber habe gezeigt: „Niemandem war das Thema egal – das ist das beste Zeichen für Relevanz“, so Roos. Dass es auch um Fragen der Ethik gehe, habe man schon beim Versuch der Namensgebung gesehen. Eine interne Umfrage habe keine klare Präferenz ergeben. Deshalb habe man sich für eine androgyne Gestalt entschieden und sie Andrea genannt. Und bei dem Roboter gehe es natürlich um ein Kernthema, das auch wirtschaftlich und gesellschaftspolitisch bedeutsam sei: die Kommunikation zwischen Mensch und Maschine.

Die 500 000 Euro teure Anschaffung wird je zur Hälfte von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und der HdM getragen. Ziel sei auch, bei Studierenden aus unterschiedlichen Studiengängen Interesse zu wecken. Etwa: „Wie kann ich Andrea programmieren?“, so Edmund Ihler, Dekan der Fakultät Druck und Medien. Dies dürfen die Studierenden allerdings zunächst an fünf Roboterköpfen ohne Rumpf ausprobieren. Die ersten Versuche haben sie bereits hinter sich. „Wir haben die Kamera installiert und eine vortrainierte Gesichtserkennungssoftware eingesetzt“, erklärt Lea Gutierrez, Medieninformatik-Studentin im sechsten Semester. Einiges sei ja schon programmiert gewesen, aber nun gehe es darum, dem Kopf beizubringen, dass er dahin schaue, wo die Software der Kamera ein Gesicht erkenne.

„Ich finde es sehr interessant, weil es das sonst ja nicht gibt“, sagt die junge Frau, die beruflich gern bei einem Softwaredienstleister einsteigen würde. Dem Kopf, dem sie den Namen Alex gegeben haben, wollen sie und ihre Mitstreiter noch beibringen, „dass Alex blinzeln kann und einen anschaut – und nicht anstarrt“. Dass das mit dem vorhandenen Material gar nicht so einfach ist, haben auch die Kommilitonen erfahren, die versuchen, Kopf Nummer drei Emotionen in die Mimik zu zaubern. Glücklich, wütend oder richtig traurig, „das geht nicht sehr gut“, meint ein Teammitglied. Auch Kopfsenken funktioniert noch nicht. Aber daran arbeiten sie noch. Das nächste Ziel sei, „zu sehen, wie die Leute drauf reagieren“.

Auf Andrea und die fünf Roboterköpfe warten schon Einsatzbereiche. Neben dem Humanoid Lab sollen die Roboter auch im Fernsehstudio, im Usability and User Experience Labor, im Institut für digitale Ethik,in der Bibliothek oder im Hörsaal als Professor*in auftreten, vielleicht auch im Mercedes-Benz-Museum oder im Landtag. Doch die Menschenähnlichen, oder sagen wir: Andrea, bieten auch Futter für die Forschung. Etwa, um die Akzeptanz für eine Mensch-Maschine-Interaktion in der Gesellschaft zu hinterfragen. Oder um in der Künstlichen Intelligenz die Bausteine der humanen Intelligenz nachzubilden, wie Johannes Maucher erklärt, der das Institut für angewandte KI leitet. „Der Mensch ist der Goldstandard“, behauptet er. Doch auch diese Aussage lohne es sich sicher wissenschaftlich zu überprüfen, meint Studentin Gutierrez. Petra Grimm, die Leiterin des Instituts für digitale Ethik, dringt darauf, „erst mal einen angemessenen Umgang mit Robotern zu lernen“. Da gelte es auch „auszuloten, welche Wertekomponenten in einem künstlichen System eine Rolle spielen“. Es gebe immer auch eine moralische Dimension. Der Einsatz von Robotern in der Pflege etwa sei „ein großes Thema und ein schwieriges Unterfangen“, so Grimm. Doch Roboter könnten helfen, dass auch gesundheitlich eingeschränkte Menschen selbstständig bleiben können. Christian Becker-Asano jedenfalls sieht mit Andrea „vielfältige Optionen für gemeinsame Forschungs- und Lehrkonzepte über die Grenzen einzelner Studiengänge hinweg“. Von Audiovisuelle Medien über Informationsdesign und Medienwirtschaft bis zur Medieninformatik. Bisher gebe es in Deutschland nur die Androide Eleonide an der TU Darmstadt. Dort werde erforscht, ob diese Art von Robotern im Dienstleistungssektor ähnlich gute Leistungen bieten kann wie Menschen.