Künftig könnten Getreidespelzen die ökologische Alternative zu Styropor sein. Das Patent dazu hat Lisa Scherer schon eingereicht. Gemeinsam mit drei Freunden will die Absolventin der Stuttgarter Medienhochschule ihre Erfindung zur Marktreife entwickeln.
Stuttgart - Eigentlich hätte Lisa Scherer während ihres Masterstudiums Packaging Development & Management an der Hochschule der Medien (HdM) einen Schaum herstellen sollen, der aus natürlicher Basis besteht. „Da haben wir mit Zellulose experimentiert“, berichtet sie. Beim Überlegen, wie man damit Hohlräume herstellen könnte, kam ihr die Idee mit den Getreidespelzen. „Das ist ja etwas, was eh da ist und nicht extra angebaut werden muss“, sagt sie. Für die junge Frau, die im Bachelor Industriedesign studiert hat, auf einem Einödhof im Allgäu aufgewachsen ist und der „der Schutz von unserem Lebensraum wichtig ist“, eine nahe liegende Idee.
Wie sich herausstellte, handelt es sich dabei um einen Reststoff, der auf diese Weise bisher noch nicht genutzt wird. Verklebt mit pflanzlichen Bindern, etwa dem aus Algen gewonnenen Geliermittel Agar Agar, könnte das eine ökologisch verträgliche und formbare Alternative zum nicht recyclingfähigen Verpackungsmaterial Styropor sein. Nicht nur bei der Herstellung, sondern auch bei der Entsorgung. Davon konnte Lisa Scherer im Zuge ihrer Masterarbeit auch ihren Professor Michael Herrenbauer überzeugen. Noch als Masterstudentin meldete sie das Produkt unter dem Namen „Schutzspelz“ zum Patent an, deutschland- und europaweit. Doch damit ist die Sache noch nicht erledigt. „Es ist noch ein Prototyp“, sagt Lisa Scherer, „der hat noch keine Marktreife.“ Um diese zu erreichen, hat Scherer ein vierköpfiges Gründerteam organisiert – samt Stipendien aus dem hochschuleigenen Start-up-Center. Zum Team gehört Lisa Scherers Schwester Sophia. Sie kümmert sich als Bachelorabsolventin der Verpackungstechnik um Projektmanagement, Marketing und Prozessentwicklung. Nils Bachmann befasst sich als Masterabsolvent der Wirtschaftsinformatik mit betriebswirtschaftlichen und marktstrategischen Weichenstellungen, dem Gründungsprozess und den IT-Schnittstellen.
„Es ist noch ein Prototyp“
Die drei erhalten für ein Jahr jeder 2500 Euro pro Monat und teilen sich das Geld mit dem Vierten im Bunde, Henning Tschunt, einem Master in Nachhaltiger Unternehmensführung. „Wir kannten uns schon vorher“, sagt Nils Bachmann. Die Förderung habe gerade begonnen. Nun hoffe man auf Räume von der Hochschule. „Denn wir brauchen Produktionsfläche.“ Und dann gehe es darum, mit möglichen Lieferanten erst mal zu verhandeln. Und, so Bachmann: „Wir hoffen, dass auch Interesse aus der Industrie besteht.“
Vom Studium zum Start-up – „ein schöner Erfolg“
Da ist sich Michael Herrenbauer sicher: „Ich bin davon überzeugt, dass es ein tolles Produkt ist – es kann auch mit Polysterolmaterialien konkurrieren.“ Der Studiendekan des Studiengangs Verpackungstechnik ist Miterfinder und begleitet das Team, das sich Proservation nennt, als Mentor. Er räumt ein: „Dass da tatsächlich ein Start-up herauskommt, ist nicht alltäglich.“ Allerdings gebe es häufig Projekte gemeinsam mit Industrieunternehmen, bei denen sich die Studierenden der Verpackungstechnik auf Konzeptionsebene einbringen.
„Wir haben vor einem Jahr einem Medizintechnikunternehmen eine neue Idee für eine Einmalverpackung vorgestellt – diese Idee ist heute auf dem Markt“, berichtet Herrenbauer. „Das ist ein schöner Erfolg für unsere Studierenden.“ Bei den Projekten schaue man auf die Ökobilanz. „Wir arbeiten viel mit alternativen Materialien.“ Während sich das Proservation-Team nun darum kümmert, die Produkt- und Fertigungsentwicklung mit dem Schutzspelz voranzutreiben und zu kommerzialisieren, gebe es an der HdM weitere Projekte, um das Produkt weiterzuentwickeln, etwa indem man weitere Rohstoffe einbeziehe und neue Märkte erschließe, so Herrenbauer.
„Wir versuchen sehr stark, das Thema Gründung unseren Studierenden auf den Weg zu geben.“ Das sei eigentlich ein übergeordnetes Thema an der HdM. Dass da in der Verpackungstechnik was geht, wüssten viele Studieninteressierte nicht. Dabei biete die Hochschule in diesem Fach jedes Jahr 70 Bachelor- und 15 Masterplätze an.